Über den Umgang mit der weiblichen Fruchtbarkeit
Hilde Schmölzers Buch "Die abgeschaffte Mutter" ist ein gut recherchiertes Frauen-Sachbuch aus der Feder einer Feministin. Hier neigt die Autorin dazu, an der klassischen Konstruktion der Geschlechter festzuhalten: die Frauen als Opfer, die Männer als Täter. Wer so etwas nicht mag, für den ist das Buch sicher nichts. Alle anderen erwartet ein gewagter Streifzug durch die Geschichte des Umgangs mit der weiblichen Fruchtbarkeit.
Manchmal wünscht man sich, dass es bestimmte Buchtitel nicht gibt. "Die abgeschaffte Mutter" mit dem Untertitel "Der männliche Gebärneid und seine Folgen" ist so ein Titel. Denn er impliziert, dass die Leser und Leserinnen hier eine grauselige, weil unqualifizierte Hasstirade auf Männer aus der Feder einer Frau erwartet. Diesem Titel hängt der Mief von lila Latzhosen und quasi emanzipatorischer Betroffenheitsliteratur an. Leider, muss man sagen.
Denn diese Befürchtungen gehen an dem gut recherchierten Sachbuch von Hilde Schmölzer weitgehend vorbei. Weitgehend deshalb, weil es sich bei diesem Buch natürlich um ein Frauenbuch aus der Feder einer Feministin handelt. Hilde Schmölzer schreibt und forscht seit vielen Jahren über Frauengeschichte und Frauenbiographie. Kein Wunder also, dass sie auch in ihrem Buch "Die abgeschaffte Mutter" konstant aus der Sicht einer Frau schreibt und bewertet. Dabei neigt sie dazu, an der klassischen Konstruktion der Geschlechter festzuhalten: Hier die Frauen als Opfer, dort die Männer als Täter.
Wer so etwas nicht mag, für den ist dieses Buch sicher überhaupt nichts. Alle anderen aber, die sich auf eine feministische Sichtweise einlassen, erwartet ein mitunter sehr gewagter - und sicher auch oft streitbarer - Steifzug durch die Geschichte des Umgangs mit der weiblichen Fruchtbarkeit. Einer Geschichte, die stets unter dem männlichen "Gebärneid" zu leiden hatten. Und so beschreibt Hilde Schmölzer angefangen bei den Mythologien über die Philosophie hin in die Labore der Geburts- und Reproduktionsmedizin, wie Männer immer wieder versucht haben, sich die Kontrolle oder noch besser die Eigenschaft des Gebärens anzueignen.
Da wurden Göttinnen abgeschafft, um durch Götter ersetzt zu werden, die selbst gebären konnten. Athena etwa entspringt dem Haupt ihres Vaters Zeus. Und auch in der christlichen Schöpfergeschichte entsteht Eva aus der Rippe Adams. "Der Mann wird damit zur Mutter der Frau." Nach Aristoteles besitzt nur der männliche Samen eine Seele. "Der Vater als alleiniger Erzeuger braucht die Frau, wenn überhaupt noch als Schoß, als Behälter, als Gefäß, als Brutkasten, um den Samen als eigentlichen Gestalter des Lebens aufzunehmen."
Und schon die Alchimisten im Mittelalter bemühten sich einen "Homunkulus" in der Retorte zu erzeugen. Mit dem Aufkommen der Naturwissenschaften beginnen Ärzte werdende Mütter zum Forschungsobjekt zu machen: In eigens eingerichteten Gebäranstalten wurde mittellosen und ledigen Müttern angeboten, ihr Kind dort zur Welt zu bringen. Allerdings mussten sie dafür eingehende und mitunter auch entwürdigende Untersuchungen akzeptieren: Hinter einem Vorhang stehend wurde die Gebärmutter abgetastet und untersucht. "Ging es doch nun darum, tatsächlich zu verstehen, wie es bei der Entstehung von Leben zuging." Vermehrt führte man dort auch erste Kaiserschnitte durch, die in den meisten Fällen zwar zum Tod der Mütter führten, den Ärzte dafür aber erste Einblicke ins Innere der Schwangeren boten. Einem Inneren, das heute versucht wird künstlich nachzubilden: In den Laboren der Reproduktionsmedizin arbeiten Mediziner mit Hochdruck daran, eine künstliche Gebärmutter zu erschaffen. Gelingt dies, dann würde sich damit "der Männertraum von der Abschaffung der Frau und ihrer Gebärmutter endlich erfüllen".
Keine Frage: Hilde Schmölzers Theorie provoziert. Das soll sie auch. Frauen sollen sich ihrer Fruchtbarkeit und der damit verbundenen Macht wieder bewusst werden. Sie sollen sich nicht von Wissenschaftlern zweckentfremden lassen, sondern sie sollen wieder Lust haben, Kinder zu bekommen. Denn auch das thematisiert Hilde Schmölzer in ihrem Buch. "Schon heute", so die Autorin, "wird beginnendes Leben zum wichtigsten Forschungsgut erklärt; es wird zerteilt, zerstückelt, weggeworfen und manipuliert." Innerhalb ihrer Logik ist diese Konsequenz schlüssig, obwohl sie damit ein rasant wachsendes Forschungsgebiet grundsätzlich ablehnt. Durch Samenspende abgeschaffte Väter erwähnt die Autorin nicht.
Ärgerlich ist das Buch vor allem dann, wenn in Klischees alte Rollenbilder neu belebt werden. Dennoch: Hilde Schmölzer benennt Missstände, alte wie neue. Sie legt den Finger auf die Wunden einer Gesellschaft, in der fast nichts mehr heilig ist. "Die abgeschaffte Mutter", so dumm der Titel auch ist, ist damit letztendlich ein lesenswertes Buch über die gemeinsame Kultur- und Medizingeschichte von Mann und Frau, geschrieben aus der Perspektive einer Feministin. Und trotzdem, oder besser gesagt gerade deshalb, sollten es auch Männer lesen.
Hilde Schmölzer:
Die abgeschaffte Mutter. Der männliche Gebärneid und seine Folgen,
Promedia Verlag,
240 Seiten,
Paperback, 21,90 Euro.
Denn diese Befürchtungen gehen an dem gut recherchierten Sachbuch von Hilde Schmölzer weitgehend vorbei. Weitgehend deshalb, weil es sich bei diesem Buch natürlich um ein Frauenbuch aus der Feder einer Feministin handelt. Hilde Schmölzer schreibt und forscht seit vielen Jahren über Frauengeschichte und Frauenbiographie. Kein Wunder also, dass sie auch in ihrem Buch "Die abgeschaffte Mutter" konstant aus der Sicht einer Frau schreibt und bewertet. Dabei neigt sie dazu, an der klassischen Konstruktion der Geschlechter festzuhalten: Hier die Frauen als Opfer, dort die Männer als Täter.
Wer so etwas nicht mag, für den ist dieses Buch sicher überhaupt nichts. Alle anderen aber, die sich auf eine feministische Sichtweise einlassen, erwartet ein mitunter sehr gewagter - und sicher auch oft streitbarer - Steifzug durch die Geschichte des Umgangs mit der weiblichen Fruchtbarkeit. Einer Geschichte, die stets unter dem männlichen "Gebärneid" zu leiden hatten. Und so beschreibt Hilde Schmölzer angefangen bei den Mythologien über die Philosophie hin in die Labore der Geburts- und Reproduktionsmedizin, wie Männer immer wieder versucht haben, sich die Kontrolle oder noch besser die Eigenschaft des Gebärens anzueignen.
Da wurden Göttinnen abgeschafft, um durch Götter ersetzt zu werden, die selbst gebären konnten. Athena etwa entspringt dem Haupt ihres Vaters Zeus. Und auch in der christlichen Schöpfergeschichte entsteht Eva aus der Rippe Adams. "Der Mann wird damit zur Mutter der Frau." Nach Aristoteles besitzt nur der männliche Samen eine Seele. "Der Vater als alleiniger Erzeuger braucht die Frau, wenn überhaupt noch als Schoß, als Behälter, als Gefäß, als Brutkasten, um den Samen als eigentlichen Gestalter des Lebens aufzunehmen."
Und schon die Alchimisten im Mittelalter bemühten sich einen "Homunkulus" in der Retorte zu erzeugen. Mit dem Aufkommen der Naturwissenschaften beginnen Ärzte werdende Mütter zum Forschungsobjekt zu machen: In eigens eingerichteten Gebäranstalten wurde mittellosen und ledigen Müttern angeboten, ihr Kind dort zur Welt zu bringen. Allerdings mussten sie dafür eingehende und mitunter auch entwürdigende Untersuchungen akzeptieren: Hinter einem Vorhang stehend wurde die Gebärmutter abgetastet und untersucht. "Ging es doch nun darum, tatsächlich zu verstehen, wie es bei der Entstehung von Leben zuging." Vermehrt führte man dort auch erste Kaiserschnitte durch, die in den meisten Fällen zwar zum Tod der Mütter führten, den Ärzte dafür aber erste Einblicke ins Innere der Schwangeren boten. Einem Inneren, das heute versucht wird künstlich nachzubilden: In den Laboren der Reproduktionsmedizin arbeiten Mediziner mit Hochdruck daran, eine künstliche Gebärmutter zu erschaffen. Gelingt dies, dann würde sich damit "der Männertraum von der Abschaffung der Frau und ihrer Gebärmutter endlich erfüllen".
Keine Frage: Hilde Schmölzers Theorie provoziert. Das soll sie auch. Frauen sollen sich ihrer Fruchtbarkeit und der damit verbundenen Macht wieder bewusst werden. Sie sollen sich nicht von Wissenschaftlern zweckentfremden lassen, sondern sie sollen wieder Lust haben, Kinder zu bekommen. Denn auch das thematisiert Hilde Schmölzer in ihrem Buch. "Schon heute", so die Autorin, "wird beginnendes Leben zum wichtigsten Forschungsgut erklärt; es wird zerteilt, zerstückelt, weggeworfen und manipuliert." Innerhalb ihrer Logik ist diese Konsequenz schlüssig, obwohl sie damit ein rasant wachsendes Forschungsgebiet grundsätzlich ablehnt. Durch Samenspende abgeschaffte Väter erwähnt die Autorin nicht.
Ärgerlich ist das Buch vor allem dann, wenn in Klischees alte Rollenbilder neu belebt werden. Dennoch: Hilde Schmölzer benennt Missstände, alte wie neue. Sie legt den Finger auf die Wunden einer Gesellschaft, in der fast nichts mehr heilig ist. "Die abgeschaffte Mutter", so dumm der Titel auch ist, ist damit letztendlich ein lesenswertes Buch über die gemeinsame Kultur- und Medizingeschichte von Mann und Frau, geschrieben aus der Perspektive einer Feministin. Und trotzdem, oder besser gesagt gerade deshalb, sollten es auch Männer lesen.
Hilde Schmölzer:
Die abgeschaffte Mutter. Der männliche Gebärneid und seine Folgen,
Promedia Verlag,
240 Seiten,
Paperback, 21,90 Euro.