Über die Dialektik der Aufklärung
Wie mit kaum einem anderen Namen verbindet sich mit Theodor W. Adorno die Wiedereinbürgerung der verfemten Aufklärung in der Bundesrepublik. Der deutsche Jude steht für ein Denken, das - gezeichnet durch den Nationalsozialismus - nicht auswich, sondern sich der Vergangenheit in philosophischer und gesellschaftskritischer Reflexion stellte.
Selbstverständlich war es keineswegs, dass jemand wie Theodor Wiesengrund Adorno in jenes Deutschland zurückkehrte, das ihn wie viele andere in den 30er-Jahren schmählich vertrieben hatte und das er 1949 als Trümmerfeld vorfand.
Adorno hätte auch in Amerika, wo er den größten Teil seiner Exil-Jahre verbrachte, eine glänzende akademische Karriere machen können. Aber es zog ihn zurück in das Land der "Horsts" und "Jürgens", der "Bergenroths" und der "Bojungas". Dieser Entschluss, schrieb er ...
" ... war kaum einfach vom subjektiven Bedürfnis, vom Heimweh, motiviert, so wenig ich es verleugne. Auch ein Objektives machte sich geltend. Das ist die Sprache."
Adorno, 1903 in Frankfurt am Main geboren, war, wie er ausdrücklich vermerkte, elementar auf die deutsche Sprache angewiesen, weil sie ...
" ... eine besondere Wahlverwandtschaft zur Philosophie hat, etwas an den Phänomenen auszudrücken, was in ihrem bloßen Sosein, ihrer Positivität und Gegebenheit nicht sich erschöpft."
Zu den bis heute nachwirkenden Leistungen Adornos gehört es, der deutschen Sprache etwas zurückgegeben zu haben, das ihr durch die brutale Sprachverhunzung der Nazis vollständig ausgetrieben worden war: Genauigkeit, Subtilität und Zärtlichkeit, Gespür für Nuancen und für die semantische Abgründigkeit der Wörter, syntaktische Raffinesse und ein Stil insgesamt, der sich an höchsten Maßstäben misst.
An seinen großen Werken, von der "Dialektik der Aufklärung" über die "Minima Moralia" bis zur späten "Ästhetischen Theorie", lässt sich das überprüfen. Adorno war ein Liebhaber der deutschen Sprache par excellence; geschult an der Sprachkunst von Kant, Heine, Marx, Freud und Karl Kraus.
Seine enorme Musikalität trug das Ihre dazu bei, seiner Sprache einen Klang beizumischen, der sie selbst da, wo sie sich in philosophischen Abstraktionen ergeht, in einem spezifischen Sinne als schön erscheinen lässt.
In der freiwilligen oder erzwungenen Preisgabe der Sprache und ihrer Möglichkeiten erkannte Adorno das "Schreckbild einer Menschheit ohne Erinnerung":
"Wenn die Menschheit sich der Erinnerung entäußert und sich kurzatmig erschöpft in der Anpassung ans je Gegenwärtige, so spiegelt sie darin ein objektives Entwicklungsgesetz."
Erinnerungsfähigkeit und Sprache sind Adorno zufolge unlösbar miteinander verbunden. Verkommt Sprache zur bloßen Funktion von Mitteilung und Information, geht das verloren, was man ihr gesellschaftliches und kulturelles Gedächtnis nennen könnte. Denn in der Sprache sind historische und soziale Erfahrungen gespeichert, die nicht zu verlieren Adorno zu den vornehmsten Aufgaben der Sprachpflege zählt.
Bis heute eilt Adorno der Ruf voraus, ein schwieriger Autor zu sein, dessen Bücher man kaum lesen könne. Daran ist vielleicht so viel wahr, dass er keine Konzessionen an bequeme Lese- und Rezeptionsgewohnheiten macht, vielmehr den Leser nötigt, sich mit der Schwierigkeit der Sprache auch auf die Schwierigkeit der Sache einzulassen.
Freilich, als öffentlicher Intellektueller, der Adorno war, kam er, ob im Vortragssaal oder im Radio, geradezu vorbildlich der Pflicht nach, sich einem großen Publikum verständlich zu machen. Wenn Adorno im Rundfunk etwa über "Erziehung nach Auschwitz" und über die pädagogischen Konsequenzen sprach, die aus "Auschwitz" gezogen werden müssten, dann geschah dies in einer Sprache, die an Klarheit und Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig lässt.
Politische und moralische Unmündigkeit, um deren Abschaffung es ihm ging, schrieb er zu einem Gutteil auf das Konto einer gesellschaftlichen Situation, welche die Individuen mit wohlfeilen Meinungen, mit Parolen und Werbeangeboten überschwemmt - in der mit anderen Worten Sprache als Betrug funktioniert.
"Denn der Mechanismus der Unmündigkeit heute ist ja das zum Planetarischen erhobene 'mundus vult decipi', dass die Welt betrogen sein will."
Dass Adorno aus dem Exil zurückkehrte und gemeinsam mit Max Horkheimer das Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main wieder heimisch machte, war ein Glücksfall für die frühe Bundesrepublik. Mit ihm, der am 6. August 1969 starb, hielt ein Geist Einzug, der all den Reichtum des Denkens und der Sprache nach Deutschland zurückbrachte, den die Deutschen in nur zwölf Jahren verschleudert hatten.
Adorno hätte auch in Amerika, wo er den größten Teil seiner Exil-Jahre verbrachte, eine glänzende akademische Karriere machen können. Aber es zog ihn zurück in das Land der "Horsts" und "Jürgens", der "Bergenroths" und der "Bojungas". Dieser Entschluss, schrieb er ...
" ... war kaum einfach vom subjektiven Bedürfnis, vom Heimweh, motiviert, so wenig ich es verleugne. Auch ein Objektives machte sich geltend. Das ist die Sprache."
Adorno, 1903 in Frankfurt am Main geboren, war, wie er ausdrücklich vermerkte, elementar auf die deutsche Sprache angewiesen, weil sie ...
" ... eine besondere Wahlverwandtschaft zur Philosophie hat, etwas an den Phänomenen auszudrücken, was in ihrem bloßen Sosein, ihrer Positivität und Gegebenheit nicht sich erschöpft."
Zu den bis heute nachwirkenden Leistungen Adornos gehört es, der deutschen Sprache etwas zurückgegeben zu haben, das ihr durch die brutale Sprachverhunzung der Nazis vollständig ausgetrieben worden war: Genauigkeit, Subtilität und Zärtlichkeit, Gespür für Nuancen und für die semantische Abgründigkeit der Wörter, syntaktische Raffinesse und ein Stil insgesamt, der sich an höchsten Maßstäben misst.
An seinen großen Werken, von der "Dialektik der Aufklärung" über die "Minima Moralia" bis zur späten "Ästhetischen Theorie", lässt sich das überprüfen. Adorno war ein Liebhaber der deutschen Sprache par excellence; geschult an der Sprachkunst von Kant, Heine, Marx, Freud und Karl Kraus.
Seine enorme Musikalität trug das Ihre dazu bei, seiner Sprache einen Klang beizumischen, der sie selbst da, wo sie sich in philosophischen Abstraktionen ergeht, in einem spezifischen Sinne als schön erscheinen lässt.
In der freiwilligen oder erzwungenen Preisgabe der Sprache und ihrer Möglichkeiten erkannte Adorno das "Schreckbild einer Menschheit ohne Erinnerung":
"Wenn die Menschheit sich der Erinnerung entäußert und sich kurzatmig erschöpft in der Anpassung ans je Gegenwärtige, so spiegelt sie darin ein objektives Entwicklungsgesetz."
Erinnerungsfähigkeit und Sprache sind Adorno zufolge unlösbar miteinander verbunden. Verkommt Sprache zur bloßen Funktion von Mitteilung und Information, geht das verloren, was man ihr gesellschaftliches und kulturelles Gedächtnis nennen könnte. Denn in der Sprache sind historische und soziale Erfahrungen gespeichert, die nicht zu verlieren Adorno zu den vornehmsten Aufgaben der Sprachpflege zählt.
Bis heute eilt Adorno der Ruf voraus, ein schwieriger Autor zu sein, dessen Bücher man kaum lesen könne. Daran ist vielleicht so viel wahr, dass er keine Konzessionen an bequeme Lese- und Rezeptionsgewohnheiten macht, vielmehr den Leser nötigt, sich mit der Schwierigkeit der Sprache auch auf die Schwierigkeit der Sache einzulassen.
Freilich, als öffentlicher Intellektueller, der Adorno war, kam er, ob im Vortragssaal oder im Radio, geradezu vorbildlich der Pflicht nach, sich einem großen Publikum verständlich zu machen. Wenn Adorno im Rundfunk etwa über "Erziehung nach Auschwitz" und über die pädagogischen Konsequenzen sprach, die aus "Auschwitz" gezogen werden müssten, dann geschah dies in einer Sprache, die an Klarheit und Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig lässt.
Politische und moralische Unmündigkeit, um deren Abschaffung es ihm ging, schrieb er zu einem Gutteil auf das Konto einer gesellschaftlichen Situation, welche die Individuen mit wohlfeilen Meinungen, mit Parolen und Werbeangeboten überschwemmt - in der mit anderen Worten Sprache als Betrug funktioniert.
"Denn der Mechanismus der Unmündigkeit heute ist ja das zum Planetarischen erhobene 'mundus vult decipi', dass die Welt betrogen sein will."
Dass Adorno aus dem Exil zurückkehrte und gemeinsam mit Max Horkheimer das Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main wieder heimisch machte, war ein Glücksfall für die frühe Bundesrepublik. Mit ihm, der am 6. August 1969 starb, hielt ein Geist Einzug, der all den Reichtum des Denkens und der Sprache nach Deutschland zurückbrachte, den die Deutschen in nur zwölf Jahren verschleudert hatten.