Über die Natur
Früher galt es als das höchste, die Natur als solche abzubilden, Landschaften und Stimmungen einzufangen. Wird heute Natur in der Kunst thematisiert, rücken nicht selten politische Aspekte in den Vordergrund, werden Schönheit und Ästhetik gebrochen. Die Altana Kunstsammlung zeigt in Baden-Baden unter anderem Werke von Georg Baselitz, Alex Katz, Markus Lüpertz, und Emil Schumacher, die das Thema Natur aufgreifen: Malereien, Zeichnungen, Fotografien und Skulpturen.
Natürlich bleibt das Thema Umweltzerstörung bei Künstlern unserer Tage nicht ausgespart: Der Kanadier Edward Burtynsky etwa fotografierte Beispiele für den industriellen Abbau von Stein, Erz und Mineralien. Folge solcher Ausbeutung sind Bodenerosionen, Mutter Erde nimmt kranke, gräuliche Farben an; das sind Bilder der Verwüstung. Aber: solche Bilder sind eher die Ausnahme, so Andrea Firmenich, die Kuratorin der Altana Kunstsammlung.
"Ich glaube, das ist bei den meisten Künstlern nicht das vorrangige Problem. Wenn sie so eine Botschaft - Burtynski ist zum Beispiel jemand, der das zum Anlass nimmt - dann auch noch herüberbringen, ist das gut, aber es geht immer zuallererst um das Künstlerische."
So finden sich erstaunlich viele Arbeiten, in denen die Natur einen Prunk sondergleichen entfaltet, wo sie so gesund zu sein scheint, als ob sie nicht von dieser Welt wäre. Karin Kneffel zum Beispiel porträtiert Obstbäume, in diesem Fall einen Apfelbaum auf einem riesigen Gemälde: Die Äpfel so groß wie kleine Kürbisse - und glänzend, als würden sie eigens für einen Hochglanzprospekt einer Bauerngenossenschaft wachsen - unwillkürlich erheben sich vor einem solchen Bild Fragen.
"Erst einmal sind wir alle fasziniert und finden dieses Bild erst einmal nur schön. Erst beim zweiten Hinsehen gewahren wir den grauen monochromen Himmel, der so nie sein kann, selbst bei der schlimmsten Gewitterstimmung kann das so nicht sein: Das sind zum einen wirklich rein künstlerische Fragen, nämlich die Frage des Realismus und Nichtrealismus, und dann eben darüber hinaus können wir über die Natur nachdenken."
Die Künstler benutzen das Thema Natur nicht, um plakativ Botschaften in die Welt zu setzen, ihre Botschaften sind eher versteckt. So sehen wir auf riesigen Fotodrucken von Bill Beckley Mohnblumen: sich öffnende Knospen auf dünnen Stängeln, herrlich idyllisch in der Farbe. Beckley aber nennt diese Arbeiten "Heroinhandel in Afghanistan" - und verweist darauf, wie unter der Hand die heile Natur kranken Zielen dient.
"Dann kommt eine zweite Verständnisebene, und die bringt eine Irritation. Diese zweite Verständnisebene kann durch den Titel kommen, so wie hier bei Bill Beckley, wo es eben heißt: "Heroin Trade in Afghanistan", und schon ist die Schönheit des Mohns gebrochen, schon fängt der Betrachter an nachzudenken, und schon hat das Ganze einen schalen Geschmack; die Ästhetik ist das eine und die Bedeutung das andere."
Nun hat sich das Verhältnis zwischen Natur und bildendem Künstler seit über 100 Jahren radikal gewandelt. Ging es einem Albrecht Dürer mit seinem "Großen Rasenstück" noch darum, möglichst perfekt Natur abzubilden, zu imitieren, so leistet das längst der Fotoapparat, und selbst in der Hand von Amateuren perfekt. Den Künstlern stellt sich daher eine ganz anderer Aufgabe.
"Es gibt eine neue Freiheit der Künstler, und so ist es natürlich auch heute im 21. Jahrhundert, und wenn wir das Thema Natur denken, dann denken wir immer an entweder ein romantisches Bild der Natur, heutzutage leider immer mehr auch an ein zerstörtes Bild der Natur, aber ich glaube, das ist gar nicht das, was die Künstler immer wollen, sondern den Künstlern ist das Motiv, die Natur, egal, ob es nun der Mikrokosmos oder der Makrokosmos ist, ob es ein Baum oder ein kleiner Stängel ist oder die vier Elemente Himmel, Erde, Feuer oder Luft - letztlich ist das Motiv der Vorwand, um zu arbeiten, Kompositionen zu schaffen, Farben zueinander zu stellen, formale Probleme zu lösen, und das Thema ist eigentlich nur ein gesuchter Aufhänger, ein Anfang."
Es geht nicht mehr darum, Natur einzufangen, sondern die Natur als Material benutzen. Das kann auf höchst unterschiedliche Weise geschehen. Dieter Appelt zum Beispiel fotografierte über 500 Mal einen Waldrand - ließ aber die Fotos durch entsprechende Belichtung nicht wie das realistische Abbild der Landschaft wirken; vielmehr machte er daraus eine Sinfonie von Licht und Schatteneffekten. Er verlagerte so den Akzent von der Natur weg zum Phänomen Licht.
Oder Gabriele Basch: Sie malte ein Stück Waldlichtung, als wäre es ein verwackeltes Foto - die durch die Bäume scheinende gleißend helle sonne wird bei ihr zum reinen Fleck - so der Titel der Arbeit. So wird aus dem Material Natur reine Ästhetik. Und selbst wenn die Künstler scheinbar nichts wollen als Natur abbilden, dann wird unversehens etwas Künstliches daraus.
Franz Gertsch zum Beispiel fotografiert Gräser, projiziert sie überlebensgroß auf eine Holzplatte und macht mit dem Stechbeitel bei jedem Lichtpixel einen Aushub: Das Resultat: Eindeutig Gräser - und doch zugleich rätselhafte Gebilde. Natur wird zur reinen Kunst - das wird gerade im Museum Frieder Burda deutlich, das der Architekt Richard Meyer mit vielen großen Fenstern ausgestattet hat. So dringt die umliegende Parklandschaft in den Innenraum und wirkt wie gerahmte Naturbilder, die jetzt unmittelbar auf die künstlerischen Naturbilder stoßen; besser kann man gerade diese Arbeiten nicht mehr präsentieren. Für Frank Schmidt, den Kurator der Sammlung Frieder Burda, war die Hängung ein besonderes Erlebnis; er fühlte sich an einen Satz von Cézanne erinnert.
"Es ist eine Konkurrenz, aber dass Kunst und Natur natürlich zwei Sachen sind, die parallel verlaufen - von Cézanne gibt es ja das schöne Zitat, dass die Kunst eine Harmonie parallel zur Natur ist, der Künstler, das Kunstwerk basiert auf der Natur, aber letztlich ist es ein ganz eigenes Universum, was auch als abgeschlossenes Kunstwerk so zu betrachten ist. Man sieht natürlich von Baumbildern etwa von Markus Lüpertz oder Alex Katz heraus, man sieht dann die Bäume, die um das Museum stehen, aber ich glaube, den Besuchern wird durchaus auch bewusst, dass das etwas anderes ist, und das ist glaube ich auch das Ziel: zu erkennen, dass Kunst etwas anderes ist als die Natur."
"Ich glaube, das ist bei den meisten Künstlern nicht das vorrangige Problem. Wenn sie so eine Botschaft - Burtynski ist zum Beispiel jemand, der das zum Anlass nimmt - dann auch noch herüberbringen, ist das gut, aber es geht immer zuallererst um das Künstlerische."
So finden sich erstaunlich viele Arbeiten, in denen die Natur einen Prunk sondergleichen entfaltet, wo sie so gesund zu sein scheint, als ob sie nicht von dieser Welt wäre. Karin Kneffel zum Beispiel porträtiert Obstbäume, in diesem Fall einen Apfelbaum auf einem riesigen Gemälde: Die Äpfel so groß wie kleine Kürbisse - und glänzend, als würden sie eigens für einen Hochglanzprospekt einer Bauerngenossenschaft wachsen - unwillkürlich erheben sich vor einem solchen Bild Fragen.
"Erst einmal sind wir alle fasziniert und finden dieses Bild erst einmal nur schön. Erst beim zweiten Hinsehen gewahren wir den grauen monochromen Himmel, der so nie sein kann, selbst bei der schlimmsten Gewitterstimmung kann das so nicht sein: Das sind zum einen wirklich rein künstlerische Fragen, nämlich die Frage des Realismus und Nichtrealismus, und dann eben darüber hinaus können wir über die Natur nachdenken."
Die Künstler benutzen das Thema Natur nicht, um plakativ Botschaften in die Welt zu setzen, ihre Botschaften sind eher versteckt. So sehen wir auf riesigen Fotodrucken von Bill Beckley Mohnblumen: sich öffnende Knospen auf dünnen Stängeln, herrlich idyllisch in der Farbe. Beckley aber nennt diese Arbeiten "Heroinhandel in Afghanistan" - und verweist darauf, wie unter der Hand die heile Natur kranken Zielen dient.
"Dann kommt eine zweite Verständnisebene, und die bringt eine Irritation. Diese zweite Verständnisebene kann durch den Titel kommen, so wie hier bei Bill Beckley, wo es eben heißt: "Heroin Trade in Afghanistan", und schon ist die Schönheit des Mohns gebrochen, schon fängt der Betrachter an nachzudenken, und schon hat das Ganze einen schalen Geschmack; die Ästhetik ist das eine und die Bedeutung das andere."
Nun hat sich das Verhältnis zwischen Natur und bildendem Künstler seit über 100 Jahren radikal gewandelt. Ging es einem Albrecht Dürer mit seinem "Großen Rasenstück" noch darum, möglichst perfekt Natur abzubilden, zu imitieren, so leistet das längst der Fotoapparat, und selbst in der Hand von Amateuren perfekt. Den Künstlern stellt sich daher eine ganz anderer Aufgabe.
"Es gibt eine neue Freiheit der Künstler, und so ist es natürlich auch heute im 21. Jahrhundert, und wenn wir das Thema Natur denken, dann denken wir immer an entweder ein romantisches Bild der Natur, heutzutage leider immer mehr auch an ein zerstörtes Bild der Natur, aber ich glaube, das ist gar nicht das, was die Künstler immer wollen, sondern den Künstlern ist das Motiv, die Natur, egal, ob es nun der Mikrokosmos oder der Makrokosmos ist, ob es ein Baum oder ein kleiner Stängel ist oder die vier Elemente Himmel, Erde, Feuer oder Luft - letztlich ist das Motiv der Vorwand, um zu arbeiten, Kompositionen zu schaffen, Farben zueinander zu stellen, formale Probleme zu lösen, und das Thema ist eigentlich nur ein gesuchter Aufhänger, ein Anfang."
Es geht nicht mehr darum, Natur einzufangen, sondern die Natur als Material benutzen. Das kann auf höchst unterschiedliche Weise geschehen. Dieter Appelt zum Beispiel fotografierte über 500 Mal einen Waldrand - ließ aber die Fotos durch entsprechende Belichtung nicht wie das realistische Abbild der Landschaft wirken; vielmehr machte er daraus eine Sinfonie von Licht und Schatteneffekten. Er verlagerte so den Akzent von der Natur weg zum Phänomen Licht.
Oder Gabriele Basch: Sie malte ein Stück Waldlichtung, als wäre es ein verwackeltes Foto - die durch die Bäume scheinende gleißend helle sonne wird bei ihr zum reinen Fleck - so der Titel der Arbeit. So wird aus dem Material Natur reine Ästhetik. Und selbst wenn die Künstler scheinbar nichts wollen als Natur abbilden, dann wird unversehens etwas Künstliches daraus.
Franz Gertsch zum Beispiel fotografiert Gräser, projiziert sie überlebensgroß auf eine Holzplatte und macht mit dem Stechbeitel bei jedem Lichtpixel einen Aushub: Das Resultat: Eindeutig Gräser - und doch zugleich rätselhafte Gebilde. Natur wird zur reinen Kunst - das wird gerade im Museum Frieder Burda deutlich, das der Architekt Richard Meyer mit vielen großen Fenstern ausgestattet hat. So dringt die umliegende Parklandschaft in den Innenraum und wirkt wie gerahmte Naturbilder, die jetzt unmittelbar auf die künstlerischen Naturbilder stoßen; besser kann man gerade diese Arbeiten nicht mehr präsentieren. Für Frank Schmidt, den Kurator der Sammlung Frieder Burda, war die Hängung ein besonderes Erlebnis; er fühlte sich an einen Satz von Cézanne erinnert.
"Es ist eine Konkurrenz, aber dass Kunst und Natur natürlich zwei Sachen sind, die parallel verlaufen - von Cézanne gibt es ja das schöne Zitat, dass die Kunst eine Harmonie parallel zur Natur ist, der Künstler, das Kunstwerk basiert auf der Natur, aber letztlich ist es ein ganz eigenes Universum, was auch als abgeschlossenes Kunstwerk so zu betrachten ist. Man sieht natürlich von Baumbildern etwa von Markus Lüpertz oder Alex Katz heraus, man sieht dann die Bäume, die um das Museum stehen, aber ich glaube, den Besuchern wird durchaus auch bewusst, dass das etwas anderes ist, und das ist glaube ich auch das Ziel: zu erkennen, dass Kunst etwas anderes ist als die Natur."