Über Nutztiere aller Art
Roter Faden dieses Buches ist die atemraubende Widersprüchlichkeit, mit der sich der Mensch des Tieres bedient. Hal Herzog zoomt sich in Fallgeschichten und Gesprächsprotokolle, besucht Schlachthäuser, Hahnenkämpfe und Veganer.
Das japanische Hündchen sollte dem kinderlosen Ehepaar Freude schenken. Doch es urinierte ins Wohnzimmer und terrorisierte Besucher, bis niemand mehr kam. Um dem Tier Unterhaltung zu bieten, schaffte das Ehepaar einen zweiten Hund derselben Rasse an, die als forsch und lebensbejahend beworben wird. Die Probleme explodierten. Hausrat im Wert etlicher tausend Dollar ging zu Bruch. An Nachtruhe war nicht mehr zu denken. Nach zwei Jahren entschied sich das zerrüttete Ehepaar zur Scheidung. Die Hunde blieben bei der Frau.
Anthrozoologie nennt sich ein junges Forschungsgebiet, das sich dem komplexen Verhältnis des Menschen zum Tier verschrieben hat. Als ein Pionier gilt der Amerikaner Hal Herzog. In seinem Buch "Wir essen und wir streicheln sie" bietet der Psychologe Einblicke in die Disziplin. Gelungen ist ihm ein abwechslungsreiches Buch voller Überraschungen, düsterer Abgründe und kaum zu fassender Widersprüche.
Das Themenspektrum des Autors ist weit gespannt. Es geht um therapeutisches Schwimmen mit Delfinen, die gegen ihren Willen in winzigen Becken gefangen gehaltenen werden. Es geht um die Züchtung von Wolfshunden, deren Instinkte unheilvoll zwischen der Sehnsucht nach menschlicher Nähe und wildem Fluchtbedürfnis oszillieren. Es geht um Menschen, die hunderte von Kleintieren in Zweizimmerwohnungen horten und durch keine Therapie der Welt davon abzubringen sind. Auch unser gedankenloser Fleischkonsum und das tägliche Sterben von Versuchstieren kommen zur Sprache.
Roter Faden des Buches ist die atemraubende Widersprüchlichkeit, mit der sich der Mensch des Tieres bedient. Um dieser Fülle Herr zu werden, zoomt sich Hal Herzog immer wieder in Fallgeschichten und Gesprächsprotokolle, besucht Tierschutzorganisationen und Schlachthäuser, Hahnenkämpfe und entschlossene Veganer. Die undogmatische Haltung des Autors mag man oberflächlich finden, und tatsächlich fallen seine philosophischen und politischen Analysen eher mau aus. Andererseits erlaubt gerade die Perspektive des neutralen, leicht amüsierten Beobachters, das ganze Ausmaß der moralischen Spannungen in den Blick zu bekommen, dem Tiere durch Menschen ausgesetzt sind.
Immer wieder zeigt Hal Herzog, wie stark sämtliche Parteien in der Tierethik-Debatte sich auf Mythen und Halbwahrheiten beziehen. Die medizinische Forschung muss sich sagen lassen, dass die Übertragung medizinischer Daten von Mäusen auf Menschen ausgemachter Humbug ist. Nicht einmal von einer Maus zu anderen lassen sich Studienergebnisse verallgemeinern, können Anthrozoologen zeigen. Und wer sich über blutige Hahnenkämpfe echauffiert, wird von Hal Herzog mit dem jährlich milliardenfach hingemeuchelten gemeinen Masthähnchen konfrontiert, dessen Leiden die eines Kampfhahnes um Längen schlägt.
Ans Ende seines Buches stellt Hal Herzog eine bescheidene Einsicht: Ein moralisch unanfechtbares Verhältnis zum Tier mag als Horizont tierethischer Bemühungen sinnvoll sein. Einlösen lässt es sich nicht.
Besprochen von Susanne Billig
Hal Herzog: Wir streicheln und wir essen sie. Unser paradoxes Verhältnis zu Tieren
Aus dem Amerikanischen von Heike Schlatterer und Helmut Dierlamm
Hanser Verlag, München 2012
315 Seiten, 19,90 Euro
Anthrozoologie nennt sich ein junges Forschungsgebiet, das sich dem komplexen Verhältnis des Menschen zum Tier verschrieben hat. Als ein Pionier gilt der Amerikaner Hal Herzog. In seinem Buch "Wir essen und wir streicheln sie" bietet der Psychologe Einblicke in die Disziplin. Gelungen ist ihm ein abwechslungsreiches Buch voller Überraschungen, düsterer Abgründe und kaum zu fassender Widersprüche.
Das Themenspektrum des Autors ist weit gespannt. Es geht um therapeutisches Schwimmen mit Delfinen, die gegen ihren Willen in winzigen Becken gefangen gehaltenen werden. Es geht um die Züchtung von Wolfshunden, deren Instinkte unheilvoll zwischen der Sehnsucht nach menschlicher Nähe und wildem Fluchtbedürfnis oszillieren. Es geht um Menschen, die hunderte von Kleintieren in Zweizimmerwohnungen horten und durch keine Therapie der Welt davon abzubringen sind. Auch unser gedankenloser Fleischkonsum und das tägliche Sterben von Versuchstieren kommen zur Sprache.
Roter Faden des Buches ist die atemraubende Widersprüchlichkeit, mit der sich der Mensch des Tieres bedient. Um dieser Fülle Herr zu werden, zoomt sich Hal Herzog immer wieder in Fallgeschichten und Gesprächsprotokolle, besucht Tierschutzorganisationen und Schlachthäuser, Hahnenkämpfe und entschlossene Veganer. Die undogmatische Haltung des Autors mag man oberflächlich finden, und tatsächlich fallen seine philosophischen und politischen Analysen eher mau aus. Andererseits erlaubt gerade die Perspektive des neutralen, leicht amüsierten Beobachters, das ganze Ausmaß der moralischen Spannungen in den Blick zu bekommen, dem Tiere durch Menschen ausgesetzt sind.
Immer wieder zeigt Hal Herzog, wie stark sämtliche Parteien in der Tierethik-Debatte sich auf Mythen und Halbwahrheiten beziehen. Die medizinische Forschung muss sich sagen lassen, dass die Übertragung medizinischer Daten von Mäusen auf Menschen ausgemachter Humbug ist. Nicht einmal von einer Maus zu anderen lassen sich Studienergebnisse verallgemeinern, können Anthrozoologen zeigen. Und wer sich über blutige Hahnenkämpfe echauffiert, wird von Hal Herzog mit dem jährlich milliardenfach hingemeuchelten gemeinen Masthähnchen konfrontiert, dessen Leiden die eines Kampfhahnes um Längen schlägt.
Ans Ende seines Buches stellt Hal Herzog eine bescheidene Einsicht: Ein moralisch unanfechtbares Verhältnis zum Tier mag als Horizont tierethischer Bemühungen sinnvoll sein. Einlösen lässt es sich nicht.
Besprochen von Susanne Billig
Hal Herzog: Wir streicheln und wir essen sie. Unser paradoxes Verhältnis zu Tieren
Aus dem Amerikanischen von Heike Schlatterer und Helmut Dierlamm
Hanser Verlag, München 2012
315 Seiten, 19,90 Euro