Überfall unter erschwerten Bedingungen

Aus der von Donald E. Westlake alias Richard Stark stammenden Krimireihe um den kaltblütigen Gangster Parker ist ein weiterer Roman ins Deutsche übersetzt worden. In "Keiner rennt für immer" – der Vorgeschichte zum Roman "Fragen Sie den Papagei" – will Parker mit unliebsamen Amateuren einen Geldtransport überfallen.
Vor einem halben Jahr starb US-Krimiautor Donald E. Westlake im Alter von 75 Jahren. Gerade hatte der Zsolnay-Verlag mit einer großangelegten Neuausgabe der Romane um den gewissenlosen Gangster Parker begonnen, die Westlake seit 1962 unter dem Pseudonym Richard Stark veröffentlichte und die als "Point Blank" und "Payback" teilweise auch verfilmt wurden. Nach "Fragen Sie den Papagei" ist jetzt der Roman "Keiner rennt für immer" in deutscher Übersetzung erschienen.

In der ersten Szene sitzt Parker, Westlakes berühmteste Figur, mit einigen prospektiven Kumpanen beim Kartenspiel – in Wahrheit soll der Raub einer Ladung Zahngold besprochen werden. Mit seinem scharfen Auge sieht Parker jedoch, dass einer von ihnen unter dem Hemd mit einem Aufnahmegerät verkabelt ist. Kurzerhand stranguliert er den Mann mit seiner Krawatte; ein paar leidenschaftslose Handgriffe zur Lösung eines geschäftlichen Problems. Parker hat etwas Haifischartiges – schließlich handelt es sich auch bei diesen Tieren nicht um blutrünstige Mörder, sondern um Organismen, die sich auf ihre Weise durchaus angemessen und effizient verhalten.

Der Zahngold-Coup fällt in Wasser und den Männern bleibt nur der zweitbeste Plan: In der Kleinstadt Rutherford irgendwo in Massachusetts findet eine Fusion von zwei Provinzbanken statt – mitsamt einem Geldtransport, der nun überfallen werden soll. Parker hat Bedenken, denn wenn er etwas nicht leiden kann bei der Arbeit, dann sind es Amateure und Emotionen. In diesem Fall bekommt er reichlich von beidem.

Der Tipp stammt von der verbitterten Gattin des Bankers. Ein ehemaliger Angestellter, der sich eine Unterschlagung zuschulden kommen ließ und gerade auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen wurde, mischt auch mit. Und ein Arzt mit erhöhtem Finanzbedarf stellt seine Praxis als Treffpunkt der Bande zur Verfügung – und möchte natürlich ebenfalls profitieren. Drei Amateure, getrieben von Rache, Wut und Gier. Parker würde die Finger von diesem Coup lassen, bräuchte er nicht dringend ein bisschen Geld. Nun versucht er, durch exakte Planung die Risiken zu mindern. Mehr als mit dem eigentlichen Überfall ist er aber bald mit den Fehlern der anderen und ihren schwachen Nerven beschäftigt.

"Keiner rennt für immer" ist ein ungewöhnlich komplex gebauter Krimi, der viel Mühe darauf verwendet, das Dutzend involvierter Figuren zu zeichnen, darunter auf Parkers Fersen ein frustrierter Kopfgeldjäger und eine ebenso attraktive wie clevere Polizistin. Fast nach Art einer Komödie wird eine Gemengelage von konkurrierenden Interessen und sich durchkreuzenden Motiven erkennbar. Regelmäßig wechseln die kurzen Kapitel von einer Figur zur nächsten, um deren Perspektive zur Geltung zu bringen. Zwischenzeitlich tritt Parker dabei ganz in den Hintergrund. Bevor er die Bühne als kalter, wortkarger Macher beherrscht, ist längst klar, dass zu viele Köche ihren Löffel in dieser Suppe haben. Parker gleicht einem Jongleur, der ein paar Bälle zuviel in der Luft halten muss.

Auch wenn es in diesem Krimi zwei oder drei Leichen gibt, auch wenn Gewalt und ihre Androhung zu Parkers Handwerk gehören und am Ende schwere Waffen zum Einsatz kommen – dergleichen steht bei Richard Stark nicht im Vordergrund und dient vor allem nicht dazu, eine fade Handlung aufzupeppen. Der Witz der Parker-Romane besteht darin, dass die Projekte des eiskalt kalkulierenden Berufsverbrechers immer wieder scheitern, weil nicht alle Umstände zu kontrollieren und nicht alle Beteiligten auf Kurs zu halten sind. Das Leben ist zu unvollkommen für perfekte Verbrechen.

Die Souveränität des Autors verbürgt Lesegenuss. Er hat seine Figuren und den Plot ebenso sicher in der Hand wie die Sprache. Sie ist trocken und lakonisch, ohne durch Manieriertheiten und forcierte Coolness zu nerven. Einsprengsel von Komik, pointierte Dialoge und präzise sprachliche Bilder zeigen die Kunstfertigkeit Donald Westlakes – immerhin ein Autor von einhundert Romanen, der in diesem Buch den Eindruck der Schnellschreiberei zu vermeiden weiß.

Im letzten Drittel werden die Schnitte und Szenenwechsel rasanter, die Spannung ist erheblich. Das Ende bleibt offen, auch wenn es für Parker nicht gut aussieht – zu Fuß auf der Flucht, einen Hügel hinauf, während unten die Suchhunde losgelassen werden. Es ist ein Cliffhanger, der hinüber leitet zum Roman "Fragen Sie den Papagei", dem meistgelobten Krimi des vergangenen Herbstes. "Keiner rennt für immer" erzählt die Vorgeschichte. Jeder, der einen von diesen beiden Romanen gelesen hat, wird das dringende Bedürfnis nach dem anderen verspüren.

Besprochen von Wolfgang Schneider

Richard Stark: Keiner rennt für immer
Roman

Aus dem Amerikanischen von Nikolaus Stingl
Zsolnay Verlag, Wien 2009
287 Seiten, 16,90 Euro