Überladene Road Movies
Mit "Palermo Shooting" zeigt Wim Wenders wieder einmal einen Mann in einer Lebenskrise und spielt seine großen Themen wie Tod und Liebe durch. Leider sind die Dialoge banal, die Bilder bieten Postkartenkitsch und wirklich neues erzählt er auch nicht. Das Regiedebüt "Novemberkind" gibt sich alle Mühe, kunstvoll zu sein, und scheitert am eigenen Anspruch.
Palermo Shooting
Deutschland / Italien 2008. Regie: Wim Wenders. Darsteller: Campino, Giovanna Mezzogiorno, Dennis Hopper, Sebastian Blomberg, Inga Busch, Jana Pallaske, Udo Samel, Lou Reed. FSK: ab 12. Länge: 108 Minuten
Nur knapp entkommt der erfolgreiche Fotograf Finn (Campino) einem Unfalltod. Der Schreck sitzt ihm noch in den Knochen, doch schon muss er zum nächsten Auftrag nach Sizilien eilen. Dort leidet er unter Alpträumen und wird von einer bedrohlichen Gestalt (Dennis Hopper) in weißer Kutte mit Pfeil und Bogen gejagt. Finn fühlt sich vom Tod bedroht. Er beschließt zu bleiben und die Konfrontation mit dem Sensemann und der eigenen Sterblichkeit zu suchen.
Es ist nicht das erste Mal, dass Wim Wenders die Geschichte eines Mannes in der Lebenskrise erzählt, eines Mannes, der sich auf die Reise nach dem wahren, richtigen Leben begibt. Leider gerät diese Sinnsuche von Film zu Film (zum Beispiel "The End of violence" oder "Don't come knockin'") immer pathetischer und kitschiger. Die Leidensmiene von Campino und sein schleppender Tonfall täuschen über die Banalität der Dialoge nicht hinweg.
Ein Regisseur benutzt seinen Darsteller als Sprachrohr, wieder einmal bittet Wenders zur Sonntagspredigt. Brav aufgesagt wirken Sätze wie: "Was werde ich hinterlassen?" oder "Was hat mir das Leben gegeben. Und was habe ich ihm gegeben?".
In bisherigen Wenders-Filmen blieben dem Zuschauer immerhin die Bilder. Und hier? Ein wenig trübe ist das Wetter in Sizilien, die Farben sind blass, die Berge sind vom Nebel umhüllt, das Meer ist grau und überhaupt herrscht melancholische Stimmung. Jedes einzelne Bild dieses Films könnte man nehmen und als Edelpostkarte verkaufen.
Fürs Finns Alpträume greift Wenders auf die digitale Trickkiste zurück. Zerfließende Dali-Uhren, sich biegende Laternen, plötzlich steht das Bild kopf und ein unglaublicher Wind wirbelt alles durcheinander. Bedrohlich wirken diese Szenen nicht, vielmehr fragt man sich, ob hier ein Regisseur zum ersten Mal die Möglichkeiten eines Computerprogramms durchprobiert.
Natürlich geht es auch in diesem Wenders-Film um den Prozess des Bilder Machens, um die Auseinandersetzung mit dem eigenen Medium. Zu Beginn sieht man, wie Finn und seine Mitarbeiter Fotos mit dem Computer bearbeiten und neu zusammensetzen. Die Wolken kommen aus Mexiko, der Sonnenuntergang aus Tahiti und die Gebäude aus New York u.s.w. Beeindrucken kann uns Wenders nicht mit dieser Einführung in die Manipulierbarkeit von Bildern, ist doch fast jeder Computer heutzutage mit einer Fotobearbeitungssoftware ausgestattet.
So wirkt Wenders Reflexion über den Wahrheitsanspruch des Fotografischen im Unterschied zur simulativen Darstellung des digitalen Bildes hilflos und banal. Bleibt festzuhalten, dass es nicht reicht, seinen schwergewichtigen Themen treu zu bleiben, man muss sie auch immer neu und anders zu erzählen wissen.
Novemberkind
Deutschland 2007. Regie: Christian Schwochow. Darsteller: Anna Maria Mühe, Ulrich Matthes, Christine Schorn, Hermann Beyer, Jevgenij Sitochin, Ilja Pletner, Thorsten Merten. Länge: 95 Minuten
Mit seiner Darstellung eines Stasi-Mitarbeiters in das "Leben der Anderen" gelang Ulrich Mühe der internationale Durchbruch. Nun tritt seine Tochter Anna Maria in seine Fußstapfen und gerät in Christian Schwochows Regiedebüt in die Mühlsteine der deutsch-deutschen Geschichte.
Es geht um Inga (Anna Maria Mühe), die bei ihren Großeltern in Mecklenburg aufwächst. Ihre Mutter soll in der Ostsee ertrunken sein, als die Tochter noch ein kleines Baby war. Eines Tages taucht ein Fremder namens Robert im Dorf auf und sucht ihren Kontakt. Über Robert (Ulrich Matthes) erfährt Inga, dass sie angelogen wurde, dass ihre Mutter nicht gestorben, sondern in den Westen geflüchtet ist. Mit Robert im Beiwagen macht sich Anna auf ihrem Motorrad auf, die Biographie ihre Mutter zu recherchieren.
"Novemberkind" ist ein Roadmovie durch die deutsch-deutsch Geschichte. Über Lebenslügen, die aus politischer Überzeugung entstanden. Über eine Vergangenheit, die immer noch nicht bewältigt wurde. Überzeugend spielt Anna Maria Mühe die Traurigkeit und Verzweiflung einer jungen Frau, die mit einer falschen Geschichte groß wurde. Doch anstatt sich auf seine schwierigen Themen und auf das Gesicht seiner Schauspielerin weiter einzulassen, verstrickt sich Schwochow in eine zu komplizierte Geschichte. Wie manches Regiedebüt ist auch dieses überladen und überkonstruiert, als müsse der erzählerische Willen gleich beim ersten Mal ausgetobt werden.
So ist letztlich nicht Anna die Hauptfigur, sondern Robert, der Schriftsteller, der ihre Geschichte für einen neuen Roman verwerten will. Abends spricht er pathetische Sätze in sein Aufnahmegerät: "Der Mond ist aufgegangen und schien bleich, die junge Frau irrte unter den Zugbrücken umher." Diese Beschreibungen entfernen uns von Anna, machen sie zu einer Kunstfigur. Auch wirkt das Thema des vampiristischen Schriftstellers in diesem Zusammenhang unangemessen.
Zudem muss ohne erzählerischen Mehrwert die Geschichte der Mutter in Rückblenden erzählt werden. Auch sie wird von Anna Maria Mühe gespielt, die in dieser Rolle aber überfordert scheint. Die in Sepia gehaltenen und schnell geschnittenen Rückblenden haben etwas von einer Fingerübung, mit der ein Regisseur seine unterschiedlichen Handschriften zur Schau stellen will.
"Novemberkind" ist ein Regiedebüt, das Themen aufgreift, die uns alle noch beschäftigen, das über weite Strecken seinen Helden aufmerksam folgt, aber leider immer wieder übers Ziel hinaus schießt.
Deutschland / Italien 2008. Regie: Wim Wenders. Darsteller: Campino, Giovanna Mezzogiorno, Dennis Hopper, Sebastian Blomberg, Inga Busch, Jana Pallaske, Udo Samel, Lou Reed. FSK: ab 12. Länge: 108 Minuten
Nur knapp entkommt der erfolgreiche Fotograf Finn (Campino) einem Unfalltod. Der Schreck sitzt ihm noch in den Knochen, doch schon muss er zum nächsten Auftrag nach Sizilien eilen. Dort leidet er unter Alpträumen und wird von einer bedrohlichen Gestalt (Dennis Hopper) in weißer Kutte mit Pfeil und Bogen gejagt. Finn fühlt sich vom Tod bedroht. Er beschließt zu bleiben und die Konfrontation mit dem Sensemann und der eigenen Sterblichkeit zu suchen.
Es ist nicht das erste Mal, dass Wim Wenders die Geschichte eines Mannes in der Lebenskrise erzählt, eines Mannes, der sich auf die Reise nach dem wahren, richtigen Leben begibt. Leider gerät diese Sinnsuche von Film zu Film (zum Beispiel "The End of violence" oder "Don't come knockin'") immer pathetischer und kitschiger. Die Leidensmiene von Campino und sein schleppender Tonfall täuschen über die Banalität der Dialoge nicht hinweg.
Ein Regisseur benutzt seinen Darsteller als Sprachrohr, wieder einmal bittet Wenders zur Sonntagspredigt. Brav aufgesagt wirken Sätze wie: "Was werde ich hinterlassen?" oder "Was hat mir das Leben gegeben. Und was habe ich ihm gegeben?".
In bisherigen Wenders-Filmen blieben dem Zuschauer immerhin die Bilder. Und hier? Ein wenig trübe ist das Wetter in Sizilien, die Farben sind blass, die Berge sind vom Nebel umhüllt, das Meer ist grau und überhaupt herrscht melancholische Stimmung. Jedes einzelne Bild dieses Films könnte man nehmen und als Edelpostkarte verkaufen.
Fürs Finns Alpträume greift Wenders auf die digitale Trickkiste zurück. Zerfließende Dali-Uhren, sich biegende Laternen, plötzlich steht das Bild kopf und ein unglaublicher Wind wirbelt alles durcheinander. Bedrohlich wirken diese Szenen nicht, vielmehr fragt man sich, ob hier ein Regisseur zum ersten Mal die Möglichkeiten eines Computerprogramms durchprobiert.
Natürlich geht es auch in diesem Wenders-Film um den Prozess des Bilder Machens, um die Auseinandersetzung mit dem eigenen Medium. Zu Beginn sieht man, wie Finn und seine Mitarbeiter Fotos mit dem Computer bearbeiten und neu zusammensetzen. Die Wolken kommen aus Mexiko, der Sonnenuntergang aus Tahiti und die Gebäude aus New York u.s.w. Beeindrucken kann uns Wenders nicht mit dieser Einführung in die Manipulierbarkeit von Bildern, ist doch fast jeder Computer heutzutage mit einer Fotobearbeitungssoftware ausgestattet.
So wirkt Wenders Reflexion über den Wahrheitsanspruch des Fotografischen im Unterschied zur simulativen Darstellung des digitalen Bildes hilflos und banal. Bleibt festzuhalten, dass es nicht reicht, seinen schwergewichtigen Themen treu zu bleiben, man muss sie auch immer neu und anders zu erzählen wissen.
Novemberkind
Deutschland 2007. Regie: Christian Schwochow. Darsteller: Anna Maria Mühe, Ulrich Matthes, Christine Schorn, Hermann Beyer, Jevgenij Sitochin, Ilja Pletner, Thorsten Merten. Länge: 95 Minuten
Mit seiner Darstellung eines Stasi-Mitarbeiters in das "Leben der Anderen" gelang Ulrich Mühe der internationale Durchbruch. Nun tritt seine Tochter Anna Maria in seine Fußstapfen und gerät in Christian Schwochows Regiedebüt in die Mühlsteine der deutsch-deutschen Geschichte.
Es geht um Inga (Anna Maria Mühe), die bei ihren Großeltern in Mecklenburg aufwächst. Ihre Mutter soll in der Ostsee ertrunken sein, als die Tochter noch ein kleines Baby war. Eines Tages taucht ein Fremder namens Robert im Dorf auf und sucht ihren Kontakt. Über Robert (Ulrich Matthes) erfährt Inga, dass sie angelogen wurde, dass ihre Mutter nicht gestorben, sondern in den Westen geflüchtet ist. Mit Robert im Beiwagen macht sich Anna auf ihrem Motorrad auf, die Biographie ihre Mutter zu recherchieren.
"Novemberkind" ist ein Roadmovie durch die deutsch-deutsch Geschichte. Über Lebenslügen, die aus politischer Überzeugung entstanden. Über eine Vergangenheit, die immer noch nicht bewältigt wurde. Überzeugend spielt Anna Maria Mühe die Traurigkeit und Verzweiflung einer jungen Frau, die mit einer falschen Geschichte groß wurde. Doch anstatt sich auf seine schwierigen Themen und auf das Gesicht seiner Schauspielerin weiter einzulassen, verstrickt sich Schwochow in eine zu komplizierte Geschichte. Wie manches Regiedebüt ist auch dieses überladen und überkonstruiert, als müsse der erzählerische Willen gleich beim ersten Mal ausgetobt werden.
So ist letztlich nicht Anna die Hauptfigur, sondern Robert, der Schriftsteller, der ihre Geschichte für einen neuen Roman verwerten will. Abends spricht er pathetische Sätze in sein Aufnahmegerät: "Der Mond ist aufgegangen und schien bleich, die junge Frau irrte unter den Zugbrücken umher." Diese Beschreibungen entfernen uns von Anna, machen sie zu einer Kunstfigur. Auch wirkt das Thema des vampiristischen Schriftstellers in diesem Zusammenhang unangemessen.
Zudem muss ohne erzählerischen Mehrwert die Geschichte der Mutter in Rückblenden erzählt werden. Auch sie wird von Anna Maria Mühe gespielt, die in dieser Rolle aber überfordert scheint. Die in Sepia gehaltenen und schnell geschnittenen Rückblenden haben etwas von einer Fingerübung, mit der ein Regisseur seine unterschiedlichen Handschriften zur Schau stellen will.
"Novemberkind" ist ein Regiedebüt, das Themen aufgreift, die uns alle noch beschäftigen, das über weite Strecken seinen Helden aufmerksam folgt, aber leider immer wieder übers Ziel hinaus schießt.