Wenn Ärzte selbst nicht mehr können
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Mediziner stehen am Rande der Erschöpfung, während auf den Intensivstationen viele Menschen sterben. Doch Ärztinnen und Ärzte seien darauf trainiert, keine Schwäche zu zeigen, warnt der Psychiater Michael Berner. Das könne zum Problem werden.
Es wurde als ein Weckruf gewertet: Ein Arzt in Zittau berichtete zuletzt angesichts zu vieler Covid-19-Patienten davon, dass man habe entscheiden müssen, wer Sauerstoff bekommt und wer nicht. Der Psychiater Michael Berner vom Städtischen Klinikum Karlsruhe kann den Hilferuf des Kollegen nachvollziehen, der gemeint habe:
"Kapiert ihr das denn nicht, wie gefährlich die Situation ist – und dass wir das kaum aushalten, dass wir mit einer Krankheit konfrontiert sind, die wir – mal ehrlich gesagt – noch nicht beherrschen? Für uns Ärzte ist es natürlich ein ganz großes Problem, etwas zu haben, was wir noch nicht hundertprozentig beherrschen."
Dabei sei man konfrontiert mit Menschen, "die einfach nicht verstehen, wo wir gerade stehen – und dass einfach auf den Intensivstationen massenhaft wirklich Menschen sterben, die vielleicht nicht sterben müssten", so Berner. Damit müssten Ärzte auch umgehen. Sich selber die eigene Hilfsbedürftigkeit einzugestehen, falle ihnen allerdings schwer: "Wir Ärzte sind einfach von Anfang an trainiert, keine Schwäche zu zeigen." Keinem gehe es wirklich gut.
Ärzte müssen immer Stärke vermitteln
"Der Arzt ist kein besonderer Mensch, aber er geht sehr besonders mit sich um. Ärzte merken es überhaupt nicht, wenn die Kraft von dannen geht", erläutert Berner. Als erstes müssten sie sich eingestehen, "ich kann gerade im Moment nicht mehr". Dann helfe es, sich jemand anderem anzuvertrauen. "Aber gerade das fällt uns Ärzten ja so schwer, weil wir unseren Patientinnen und Patienten einfach immer die Stärke und Zuversicht vermitteln müssen, die wir ja manchmal nicht haben, weil wir ja auch in dieser Welt stehen, in der gerade, mal ganz ehrlich, ein bisschen Irrsinn regiert."
Es falle leichter, wenn sich alle dessen bewusst seien, dass sie "eins" seien und sich gegenseitig stützten, sagt Berner, mit dem Ziel "die Pandemie zu besiegen". Er fordert aber auch angesichts der hohen Sterbezahlen: "Das ist schon etwas, was wir aushalten und gemeinsam tragen müssen – und was bitte auch mit uns Ärzten gemeinsam diese Gesellschaft solidarisch tragen sollte."
(bth)