Überraschende Lebensklugheit

Francoise Sagan, geboren 1935, veröffentlichte mit 18 Jahren den in nur kurzer Zeit entstandenen Roman "Bonjour Tristesse" und gilt seither als Symbolfigur der sexuellen Befreiung der Frau. Nun sind in Deutschland zwei ihrer Bücher neu erschienen.
Das eine ist der zweite Roman, den Francoise Sagan nach ihrem Riesenerfolg "Bonjour Tristesse" geschrieben hat. Das andere ist ihre Chronologie eines Spitalsaufenthalts.

Bereits mit 18 Jahren hatte Sagan ihren Debutroman geschrieben, war schlagartig berühmt und reich geworden. Ihre Liebe zu schnellen Autos wurde ihr zum Verhängnis: Vier Jahre später hatte sie einen schweren Verkehrsunfall, überlebte nicht zuletzt mithilfe schwerer Schmerzmittel, derer sie in einer Klinik entwöhnt werden musste.

In "Ein gewisses Lächeln" beschreibt Sagan einige Monate im Leben einer Studentin in Paris: Dominique, ohne tiefere Liebe liiert mit Bertrand, lernt dessen glücklich verheirateten Onkel Luc kennen. Dieser bietet ihr unumwunden eine Affäre an. Nach einigem Zögern willigt sie ein, und die beiden verbringen zwei Wochen am Meer.

Zwar ist sich Dominique in jedem Moment der Vergänglichkeit dieser Beziehung bewusst. Sie versucht auch ständig, nicht in den Strudel der Gefühle gezogen zu werden, doch vergeblich: Sie verliebt sich in Luc und will auch nach den zwei gemeinsamen Wochen Zeit mit ihm verbringen und ihr Glück mit ihm genießen. Doch Luc hatte schon zu Beginn klar gemacht, dass es bei dem zeitlich begrenzten Verhältnis bleiben soll.

Ausgezeichnet versteht es Sagan die Charaktere überzeugend zu zeichnen: die widerstrebend ihren Gefühlen verfallende Dominique, den zur Liebe offenbar weder fähigen noch bereiten Luc, den gekränkten Bertrand. Diese in gleichbleibend harmonischem Rhythmus erzählte Geschichte kündet von überraschend großer Lebenserfahrung der damals 20jährigen Autorin, die den Roman flüssig und ohne inneren Brüche geschrieben hat.

Erinnert Dominiques Langeweile und Ziellosigkeit in der existenzialistischen Darstellung an Camus "Fremden", so ist es im zweiten Text die Autorin selbst, um deren Existenz es ganz unmittelbar geht. In ihrem Tagebuch bleibt unklar, wie lange sie zur Entwöhnung vom Morphinersatz in der Klinik zugebracht hat. Aber es enthüllt viel über die junge Schriftstellerin: Zum einen ihren festen Willen den Schmerzen zum Trotz, zum anderen ihr starkes Selbstbewusstsein als Künstlerin sowie ihre nicht geringe Selbstliebe: Etwa, wenn sie mit Wohlgefallen von ihrem "gebräunten, schlanken Körper" schreibt. Oder wie "peinlich" es ihr wäre, in Gegenwart von Besuchen Erstickungsanfälle zu bekommen.

Es genügen wenige Seiten in beiden Büchern, um zu erkennen, mit welchem Talent der Sprach-, Formulierungs- und Erzählkunst man es zu tun hat. Immer wieder überrascht die Lebensklugheit der gerade der Schule Entwachsenen, ihre kluge Analyse der Gesellschaft und die authentische Darstellung ihrer Charaktere. Beide Bücher zeichnet trotz ihrer thematischen Unterschiedlichkeit ein Gemeinsames aus: Der starke Wille einer jungen Frau, die Umstände zu besiegen und sich der vermeintlichen Unentrinnbarkeit eines traurigen Schicksals entgegen zu stemmen – mal in der Fiktion, mal in der Realität.

Besprochen von Stefan May

Francoise Sagan: Ich glaube, ich liebe niemanden mehr
Tagebuch. Aus dem Französischen von Waltraud Schwarze
Aufbau Verlag, Berlin 2011
88 Seiten, 14,99 Euro

Francoise Sagan: Ein gewisses Lächeln
Roman. Aus dem Französischen von Helga Treichl
Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2011
144 Seiten, 9,90 Euro