"Übersetzen ist Mitleben"
Er war lange Leiter des Deutschen Kulturinstituts in Lissabon, schrieb erzählende Prosa, Essays und Tagebücher, aber bekannt geworden ist Curt Meyer-Clason vor allem durch seine Übersetzungen lateinamerikanischer Literatur wie der Romane von Gabriel García Márquez. Heute wird der wohl bedeutendste Übersetzer aus dem Spanischen und Portugiesischen 100 Jahre alt.
Wer wie der Schriftsteller und Übersetzer Curt Meyer-Clason 100 Jahre alt wird und auch noch zwei Geburten erlebt hat, weiß einiges zu erzählen. Die erste Geburt in Ludwigsburg am 19. September 1910 und das Aufwachsen in einer großbürgerlichen, allerdings verarmten Familie waren ihm nach der zweiten Geburt so unwichtig geworden, dass er die Ereignisse seiner ersten dreißig Jahre vergaß. Erst später kam die Erinnerung zurück:
"Man lebte in diesem sogenannten Großbürgertum in einer furchtbaren Enge, einer Mischung aus Anmaßung und Vorurteilen."
schrieb Meyer-Clason in seinem autobiografischen Roman "Äquator", und darin findet sich auch die Beschreibung seiner zweiten Geburt. Da die Familie gewünscht hatte, dass der Sohn ihre alte Kaufmannstradition wieder auferstehen ließe, hatte Meyer-Clason vor dem Abitur das Gymnasium verlassen und eine Bank- und Kaufmannslehre begonnen, die ihn durch die halbe Welt bis nach Brasilien führte. Seit 1937 arbeitete er dort für eine nordamerikanische Baumwollfirma. Er ahnte zwar, dass er ein falsches, weil von außen auferlegtes Leben führte, aber erst als ihn die brasilianische Regierung 1942 als vermeintlichen Nazi-Spion verhaftete und auf der Insel Ilha Grande inhaftierte, wurde die Ahnung zur Gewissheit. Mit inhaftiert war nämlich ein außerordentlich belesener anderer Deutscher, der ihn in langen Gesprächen in die Welt der Literatur einführte. Es war die zweite Geburt. Ein – auch durch die in Lateinamerika übliche emotionale Betrachtung der Welt genährtes – Erlebnis nicht nur als Bruch in seinem Denken, sondern vor allem auch im Lebensgefühl. Der alte europäische Gegensatz "Gemüt versus Geschlecht" stimmte auf einmal nicht mehr.
"Das Gegenteil ist in Lateinamerika der Fall. Da ist Denken und Gefühl nicht getrennt. Der Lateinamerikaner lebt aus den fünf Sinnen – und erst ganz zum Schluss kommt der Verstand als ordnendes Element."
Geboren war der Schriftsteller und Übersetzer Curt Meyer-Clason, dessen Arbeit wir die Kenntnis eines Großteils der lateinamerikanischen Literatur verdanken, von Jorge Amado und Pablo Neruda über Jorge Luis Borges und João Ubaldo Ribeiro bis hin zu José Lezama Lima und Gabriel García Márquez. Und da war noch ein Autor, der ganz am Anfang den Anstoß zur Übersetzerarbeit gegeben hat: João Guimarães Rosa. 1954 nach Deutschland zurückgekehrt, hatte Meyer-Clason ihm einen Brief geschrieben, und bald lernte man sich auch persönlich kennen:
"Und dann kam das wunderbare Wort: 'Meyer-Clason, übersetzen ist mitleben', und da war natürlich mein innerster Kern angesprochen. Mitleben – mit der Lust am Erzählen."
Was man den magischen Realismus der lateinamerikanischen Literatur genannt hat, die Fantastik darin, das Schwebegefühl, die schicksalhafte Vorsehung und das Geheimnis dahinter, die Unlösung, das hat Curt Meyer-Clason kongenial wiedergegeben.
"Man muss das fremde Lebensgefühl einfangen, dem Leser zugleich vertraut machen und doch fremdartig erscheinen lassen."
"Und dazu sagt eben auch Borges: Für ihn sei wichtig, dass der Leser einer Übersetzung die poetische Ergriffenheit nachvollzieht, die der Leser, der Bewohner von Buenos Aires spürt, der das Original liest."
Meyer-Clason übersetzte gut hundert Bücher, schrieb selber neben dem autobiografischen Roman Erzählungen, Essays und Reisetagebücher und leitete lange das Goethe-Institut in Lissabon. Da waren die Schriftsteller längst seine Freunde geworden. Als einer von ihnen, Jorge Amado, ihn zu einer Geburtstagsfeier ins brasilianische Salvador da Bahia einlud, fiel Meyer-Clason ein Gedicht ein, und er schrieb es auf der Fähre dorthin auf. Darin heißt es gegen Ende:
"Plötzlich: Saudade, Sehnsucht. Ankunft. Augen-Blicke aus gestern, heute, morgen, im Angesicht des Alls. Das Fährschiff tanzt auf der kreisenden Erde, und ich stehe, ich atme, ich schaue. Ich bin. Saudade."
"Man lebte in diesem sogenannten Großbürgertum in einer furchtbaren Enge, einer Mischung aus Anmaßung und Vorurteilen."
schrieb Meyer-Clason in seinem autobiografischen Roman "Äquator", und darin findet sich auch die Beschreibung seiner zweiten Geburt. Da die Familie gewünscht hatte, dass der Sohn ihre alte Kaufmannstradition wieder auferstehen ließe, hatte Meyer-Clason vor dem Abitur das Gymnasium verlassen und eine Bank- und Kaufmannslehre begonnen, die ihn durch die halbe Welt bis nach Brasilien führte. Seit 1937 arbeitete er dort für eine nordamerikanische Baumwollfirma. Er ahnte zwar, dass er ein falsches, weil von außen auferlegtes Leben führte, aber erst als ihn die brasilianische Regierung 1942 als vermeintlichen Nazi-Spion verhaftete und auf der Insel Ilha Grande inhaftierte, wurde die Ahnung zur Gewissheit. Mit inhaftiert war nämlich ein außerordentlich belesener anderer Deutscher, der ihn in langen Gesprächen in die Welt der Literatur einführte. Es war die zweite Geburt. Ein – auch durch die in Lateinamerika übliche emotionale Betrachtung der Welt genährtes – Erlebnis nicht nur als Bruch in seinem Denken, sondern vor allem auch im Lebensgefühl. Der alte europäische Gegensatz "Gemüt versus Geschlecht" stimmte auf einmal nicht mehr.
"Das Gegenteil ist in Lateinamerika der Fall. Da ist Denken und Gefühl nicht getrennt. Der Lateinamerikaner lebt aus den fünf Sinnen – und erst ganz zum Schluss kommt der Verstand als ordnendes Element."
Geboren war der Schriftsteller und Übersetzer Curt Meyer-Clason, dessen Arbeit wir die Kenntnis eines Großteils der lateinamerikanischen Literatur verdanken, von Jorge Amado und Pablo Neruda über Jorge Luis Borges und João Ubaldo Ribeiro bis hin zu José Lezama Lima und Gabriel García Márquez. Und da war noch ein Autor, der ganz am Anfang den Anstoß zur Übersetzerarbeit gegeben hat: João Guimarães Rosa. 1954 nach Deutschland zurückgekehrt, hatte Meyer-Clason ihm einen Brief geschrieben, und bald lernte man sich auch persönlich kennen:
"Und dann kam das wunderbare Wort: 'Meyer-Clason, übersetzen ist mitleben', und da war natürlich mein innerster Kern angesprochen. Mitleben – mit der Lust am Erzählen."
Was man den magischen Realismus der lateinamerikanischen Literatur genannt hat, die Fantastik darin, das Schwebegefühl, die schicksalhafte Vorsehung und das Geheimnis dahinter, die Unlösung, das hat Curt Meyer-Clason kongenial wiedergegeben.
"Man muss das fremde Lebensgefühl einfangen, dem Leser zugleich vertraut machen und doch fremdartig erscheinen lassen."
"Und dazu sagt eben auch Borges: Für ihn sei wichtig, dass der Leser einer Übersetzung die poetische Ergriffenheit nachvollzieht, die der Leser, der Bewohner von Buenos Aires spürt, der das Original liest."
Meyer-Clason übersetzte gut hundert Bücher, schrieb selber neben dem autobiografischen Roman Erzählungen, Essays und Reisetagebücher und leitete lange das Goethe-Institut in Lissabon. Da waren die Schriftsteller längst seine Freunde geworden. Als einer von ihnen, Jorge Amado, ihn zu einer Geburtstagsfeier ins brasilianische Salvador da Bahia einlud, fiel Meyer-Clason ein Gedicht ein, und er schrieb es auf der Fähre dorthin auf. Darin heißt es gegen Ende:
"Plötzlich: Saudade, Sehnsucht. Ankunft. Augen-Blicke aus gestern, heute, morgen, im Angesicht des Alls. Das Fährschiff tanzt auf der kreisenden Erde, und ich stehe, ich atme, ich schaue. Ich bin. Saudade."