Die Schönheit deutscher Bausteine
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Die Amerikanerin Susan Bernofsky überträgt mit Liebe zum Detail die Werke deutscher Autoren ins Englische − Bücher von Hesse, Kafka, Robert Walser, aber auch Jenny Erpenbeck. Die preisgekrönte New Yorkerin schwärmt: "Die deutsche Sprache ist sehr biegsam und flexibel."
Bekanntlich hat Mark Twain kein gutes Haar am Deutschen gelassen. Keine andere Sprache komme so unordentlich und systemlos daher, keine entschlüpfe so gründlich jedem Zugriff. Nur die Toten hätten genug Zeit, sie zu erlernen.
Die Übersetzerin Susan Bernofsky hätte Mister Twain wahrscheinlich augenblicklich widersprochen, wäre sie ihm seinerzeit in Heidelberg über den Weg gelaufen. Die Schönheit, die sie in der deutschen Sprache entdeckt, ist allerdings zugleich die große Herausforderung beim Übersetzen.
"Die deutsche Sprache ist sehr biegsam"
"Die deutsche Sprache ist sehr biegsam, sie ist sehr flexibel gegenüber der englischen", sagt Bernofsky. "Man hat mehr Möglichkeiten, was Syntax betrifft. Man kann sehr spezifisch werden, und das sind Sachen, die auf Englisch gern verschwinden. Es ist nicht nur, dass die Sätze oft länger sind, sondern, dass man mehr Bausteine drin integrieren kann, ohne dass es irgendwie als hineingezwängt empfunden wird."
Bernofskys Faszination für deutsche Sprache und Literatur wird in den USA nicht von allzu vielen Lesern geteilt. In der Beziehung zwischen deutschsprachiger und amerikanischer Literatur, das ist Susan Bernofsky sehr bewusst, besteht ein gewisses Ungleichgewicht, zumindest ist die Liebe deutscher Leserinnen und Leser zur US-amerikanischen Belletristik inniger als umgekehrt.
Nicht, dass es keine glücklichen transatlantischen Beziehungen gäbe. Daniel Kehlmann, Marcel Beyer oder Jenny Erpenbeck werden übersetzt und, in einem gewissen Rahmen, in den Vereinigten Staaten wahrgenommen. Es gibt zudem vielfältige Bemühungen von Seiten etwa der Frankfurt Book Fair New York oder des Goethe-Instituts, deutsche Literatur in den Staaten zu fördern.
Übersetzerin war nie ihr Berufswunsch
Übersetzungen haben es gleichwohl schwer. Es braucht einen langen Atem, fremdsprachige und gerade deutschsprachige Autoren zu verlegen. Ihr Anteil an den Veröffentlichungen ist verschwindend gering. Es sind meist kleinere, unabhängige Verlage wie New Directions oder Melville House, die sich dafür einsetzen.
"Die Bücher, die bei uns ankommen, haben irgendwie eine ergänzende Wirkung zu dem, was sonst da ist", meint Bernofsky. "Ich glaube, die Verlage haben gern, dass irgendetwas an dem Buch deutsch oder deutschsprachig wirkt. Dabei geht es nicht nur um die Sprache, sondern der Stoff des Buches muss etwas aussagen über einen kulturellen Standpunkt."
Susan Bernofsky hat bereits zu Schulzeiten Deutsch gelernt. Übersetzerin zu werden, war allerdings kein Berufswunsch. Vielmehr hat sich dieser Weg fast organisch aus dem täglichen Umgang mit Sprache während des Studiums ergeben. Wesentlich war Susan Bernofskys Entdeckerfreude. Schon früh, Anfang der 90er-Jahre, stieß sie etwa auf Yoko Tawada.
Sie übersetzte noch ohne Verlagsauftrag kurze Texte von ihr. Und schließlich ganze Bücher. Inzwischen gehört die 52-Jährige zu den wichtigsten Übersetzerinnen des Landes, lehrt ihr Handwerk, das mehr eine Kunst ist, an der Columbia-Universität in New York.
Enge Bindung zwischen Autoren und Übesetzer
Bernofsky überträgt Klassiker wie Hermann Hesse, Franz Kafka oder Robert Walser, über den sie gerade eine Biografie verfasst. Mit Vorliebe aber Gegenwartsautorinnen wie Uljana Wolf. Oder Jenny Erpenbeck, über die sie leicht ins Schwärmen gerät:
"Ich finde ihre Sprache unglaublich schön. Sie hat eine Art, Sätze zu schreiben, die dich so irgendwie in die Wonne hineinwiegen. Wenn ich es so ausdrücken darf. Sie schreibt eine lyrische Sprache, die nicht kitschig ist. Und das ist schwer."
Von Buch zu Buch ist Jenny Erpenbeck in der Presse und beim Publikum in den USA stärker wahrgenommen worden. Susan Bernofskys kongeniale Übersetzungen haben daran keinen geringen Anteil. Zwischen Autorin und Übersetzerin gibt es eine enge Verbindung.
"Susan war jung, und ich war auch jung. Und so haben wir praktisch gemeinsam unseren Weg angefangen", sagt Jenny Erpenbeck. "Wir verstehen uns einfach gut, auch im politischen Sinne, in der Art des Denkens. Ich hab auch schon Workshops mit ihr gemacht und hab dann auch gemerkt, wie sie anderen Übersetzern erklärt, was sie macht.
Dann habe ich gesehen, dass sie genau versteht, was ich mache, zum Beispiel mit einer Satzmelodie. Und mit welchem Raum ein Satz beginnt und wo er endet, und welche Sachen am Ende des Satzes in den Worten drinstecken, auch so, dass der Raum erzählt wird, in dem das stattfindet. Sie versteht einfach sehr viel."
Anerkennung für Genauigkeit
Der Friedrich Ulfers Preis für die Vermittlung deutscher Literatur in den USA, mit dem Susan Bernofsky in diesem Jahr ausgezeichnet wird, ist eine Anerkennung für diese Genauigkeit. Was bedeutet ihr diese Anerkennung?
"Es ist natürlich eine Ehre, ausgezeichnet zu werden", freut sich Bernofsky. "Dazu kommt, dass ich es nie so richtig als groß angelegtes Projekt verstanden habe, was ich mache. Ich meine, für mich ging es immer nur um einzelne Bücher, die mir wichtig sind, Autoren, die ich schätze. Und jetzt diese Idee, dass das alles als ein Werk anzusehen ist, ist interessant und irgendwie schön. Ich fühle mich sehr geehrt."