"Eine Partnerschaft mit der NSA hat es so niemals gegeben"
"Wir haben das Netz sicher gemacht" – diese Aussage vertritt Google-Justiziar David Drummond im Deutschlandradio Kultur. Das Unternehmen wolle die Daten seiner Kunden schützen, eine Kooperation mit der NSA "hat nicht stattgefunden".
Dieter Kassel: Vor einem Jahr teilte uns der Whistleblower Edward Snowden zum ersten Mal mit, in welchem Umfang amerikanische und andere Geheimdienste das Internet überwachen. Ziemlich schnell war klar: Da werden auch Leitungen und Datenbanken von großen Konzernen wie Amazon, Apple oder Google abgeschöpft. Die Konzerne reagierten zunächst zugeknöpft und teilten dann schließlich in einer Art Flucht nach vorn alle ungefähr das gleiche mit. Sinngemäß: Nein, wir haben nicht mit der NSA zusammengearbeitet. Aber ja, im Rahmen des rechtlich Notwendigen haben wir das doch getan. Gerade deshalb lautete für viele Internet-Nutzer das Fazit, das Internet ist nicht mehr sicher.
Die erste Frage meines Kollegen Falk Steiner an den obersten Juristen von Google - sein offizieller Titel lautet Senior Vice President and Chief Legal Officer und er heißt David Drummond -, die erste Frage also an David Drummond lautete deshalb, ob aus seiner Sicht, aus Googles Sicht das Internet heute sicher ist?
David Drummond: Also ich glaube, dass das Internet wirklich sicher ist, und auch, dass man ihm wirklich vertrauen kann. Natürlich: Nachdem Edward Snowden all diese Dinge preisgegeben hat, haben viele Leute sich gedacht, na ja, wie sicher ist das hier wirklich, wie sicher ist meine Internet-Verbindung. Und natürlich hat die Regierung im Namen der nationalen Sicherheit nach persönlichen Informationen gesucht, die nicht unbedingt notwendig sind. Aber wir glauben wirklich, dass wir als unsere Firma und auch andere Firmen mittlerweile das Netz sicher gemacht haben, und wenn jetzt die richtigen Gesetze kommen, denke ich, kann sich auch wirklich jeder wieder sicher fühlen. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass die Beaufsichtigung durch die Regierung angemessen ist.
Falk Steiner: Wenn wir nun davon sprechen, dass das Internet sicher werden soll, ist aus Ihrer Perspektive denn Edward Snowden eher ein Held, denn ein Krimineller?
Drummond: Also ganz ehrlich: Ich persönlich möchte mich jetzt nicht in die Debatte einschalten, ob Edward Snowden ein Held ist, oder ob er ein Verräter ist. Er ist auf jeden Fall der Grund, dass wir diese Debatte jetzt überhaupt führen, und ich finde es gut, dass wir diese Debatte über Sicherheit jetzt führen, weil die Überwachung durch die Regierung doch Ausmaße angenommen hat, die weit über das hinausging, was wir gewusst haben und was wir überhaupt für möglich gehalten haben, und die US-Regierung hat auf Daten zugegriffen in einem Ausmaß, das uns so nicht bewusst war, und das ist natürlich auch sehr, sehr beunruhigend, welche Ausmaße das angenommen hat.
Steiner: Sie waren also selber überrascht?
Drummond: Ja, sicher. Das hat uns überrascht und das haben wir damals auch gesagt. Wir waren vor allen Dingen darüber sehr verwundert, in welchem Ausmaß die Regierung an Metadaten herangegangen ist. Das heißt, dass wirklich alle Telefongespräche, alle E-Mails aufgezeichnet worden sind, untersucht worden sind, und anstatt mit uns zusammenzuarbeiten, damit es keine Attacken auf das Internet gibt, keine Angriffe, war es die Regierung selber, die solche Angriffe auf das Internet ausgeübt hat, und das hat uns sehr beunruhigt.
Steiner: Was ist denn bei Google passiert, seitdem Sie davon erfuhren, dass die Verbindung zwischen Ihren Rechenzentren abgehört wurde und was sonst noch so alles ans Tageslicht kam?
Drummond: Wir bei Google haben uns immer darum bemüht, dass Daten eben auch verschlüsselt werden, dass unser System verschlüsselt ist, und wir haben diese Anstrengungen sogar noch verstärkt, und zwar schon vor den Enthüllungen von Edward Snowden und natürlich auch danach, und wir möchten natürlich auch, dass innerhalb unserer Industrie alle solche Sicherheitsstandards durchführen. Natürlich ist da auch die Regierung gefragt. Es braucht auch die notwendigen Gesetze dafür.
"Es hat keine spezielle Zusammenarbeit gegeben"
Steiner: Manche der ersten, aber auch späteren Dokumente haben ja nahegelegt, dass auf der anderen Seite Firmen wie Google mit der NSA zusammengearbeitet hätten. Darum ranken sich seitdem ja viele Gerüchte. Herr Drummond, hat Google mit der NSA kooperiert, und wenn ja, in welchem Umfang?
Drummond: Auf diese Fragen haben wir ja schon öfter geantwortet, und ich sage es noch einmal: Nein! Es hat keine spezielle Zusammenarbeit gegeben. Es gab legale Anfragen im Rahmen der Gesetze, die wir bearbeiten mussten. Wir haben auch viele davon abgewiesen. Wir haben versucht, so transparent wie möglich zu sein. Aber eine gewisse Partnerschaft mit der NSA oder mit anderen Regierungsagenturen hat es so niemals gegeben. Das hat niemals stattgefunden.
Steiner: Es ist ja offensichtlich, dass sie sich der US-Gesetzgebung nicht entziehen können. Aber hat Google wirklich auch in keiner Form freiwillig kooperiert?
Drummond: Nein, das haben wir nicht. Das muss ich kategorisch mit Nein beantworten.
Steiner: Im Kern sagen Sie also, dass Google niemals von den NSA-Aktivitäten wusste und dass Sie kein Teil davon waren?
Drummond: Nein, das haben wir nicht. Es gab Anfragen der NSA im Rahmen der Gesetze, die gesetzmäßig waren. Das haben wir, sofern wir es mussten, auch beantwortet – allerdings nicht sehr ausführlich -, und weitere Zusammenarbeit, erst recht keine freiwillige, hat nicht stattgefunden.
Steiner: Ihre Firma Google wird häufig so gesehen, dass sie viel zu viele Daten sammeln würde und sich damit irgendwie ja auch selbst zum logischen Ziel der Geheimdienste macht. Haben Sie bei Google erwogen, Ihren Ansatz der Datensammelei zu ändern und die Strategie zum Beispiel in Richtung Datensparsamkeit zu ändern?
Drummond: Nun, die Antwort auf diese Frage ist eine gute Verschlüsselung. Regierungen sollten wirklich nur Zugriff auf Daten haben, wenn es ihnen gesetzmäßig zusteht. Man muss schon sagen, das Sammeln von Daten ist ja in vieler Hinsicht auch sehr wertvoll, weil es auch Innovationen ermöglicht, solange die Nutzer darüber bescheid wissen und solange die Nutzer mit diesem Sammeln von Daten auch einverstanden sind. Aber wie gesagt, Regierungen muss man da einen Riegel vorschieben, damit sie wirklich nur auf Daten Zugriff haben, was ihnen wirklich auch gesetzlich gestattet ist, und das muss in irgendeiner Form eben reguliert werden, damit das nicht Übermaß nimmt.
Steiner: Sie sprachen ja selbst von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für E-Mails zum Beispiel, bei der niemand mitlesen kann. Fürchten Sie nicht, dass das Ihren eigenen Geschäftsmodellen widerspricht, zum Beispiel bei GMail, wo Algorithmen die Nachrichteninhalte auswerten, um passende Werbung dazu einzublenden? Ist das nicht ein logischer Widerspruch, wenn Sie zugleich sagen, dass die Nutzer ihre E-Mails verschlüsseln sollten, und Sie können die dann nicht mehr für Ihre Zwecke analysieren?
Drummond: Uns geht es in erster Linie darum, dass sich die Nutzer, die E-Mail von uns benutzen, dass die sich sicher fühlen. Das ist viel wichtiger als die Werbung. Man kann ja GMail auch ohne Werbung benutzen, also die Priorität liegt ganz eindeutig darauf, dass man uns vertraut und dass unsere Dienste sicher sind.
Steiner: In den vergangenen Jahren hat sich das Image Googles doch verändert: vom "tu nichts Böses"-Suchgiganten zu etwas wie einer "Gefahr für die Privatsphäre". Politiker sagen, Google sei zu mächtig geworden. Der Europäische Gerichtshof hat Google in die Pflicht genommen, europäische Datenschutzideen wie das sogenannte Recht auf Vergessen zu ermöglichen. Aber etwas genereller gefragt: Sind das europäische und das US-amerikanische Verständnis von Datenschutz und Privatsphäre heutzutage kompatibel, oder inkompatibel?
"Wir versuchen, die europäischen Gesetze zu akzeptieren"
Drummond: Also ich glaube, diese Fragen des Datenschutzes, die unterscheiden sich einfach zwischen Europa und Amerika. Das heißt aber nicht, dass sie sich total ausschließen. Man ist in Deutschland hoch sensibel, was das Sammeln von Daten betrifft, auch in anderen europäischen Ländern, und das verstehen wir bei Google auch und natürlich versuchen wir, die europäischen Gesetze auch zu akzeptieren und umzusetzen. Und wenn es jetzt um das von Ihnen angesprochene Recht auf das Löschen von persönlichen Daten im Netz geht, dann halten wir diese Entscheidung zwar für falsch, aber wir akzeptieren es. Wir versuchen, es umzusetzen, wir versuchen, uns von Europäern da auch Input geben zu lassen, und wir verstehen natürlich die Bedenken. Und glauben Sie mir: Wir werden eine Antwort auf diese Bedenken finden.
Steiner: Google ist auch ein überaus wichtiger Akteur, wenn es um Lobbyismus geht: in Washington, in Brüssel, aber auch in Deutschland, in Berlin. Was sind denn die Ziele, die Sie erreichen wollen, wenn Sie Ihre Leute nach Washington schicken oder selbst dahin reisen? Welche Ziele wollen Sie erreichen, wenn Sie zum Beispiel mit Kongressabgeordneten sprechen?
Drummond: Zuerst ist es uns erst mal immer wichtig zu sagen, welche innovative Kraft vom Internet ausgeht und was für positive Veränderungen das Internet überhaupt ausgeübt hat auf die Wirtschaft beispielsweise, aber auch auf den freien Informationsfluss. Natürlich muss es Regulatorien dafür geben, es muss legale Möglichkeiten geben, das auch zu kontrollieren, und wir haben auch nichts gegen Kontrolle. Allerdings möchten wir, dass diese Kontrolle dazu führt, dass man das Internet ausbaut, und nicht, dass man seine Möglichkeiten beschränkt. Und wenn wir hier von Europa reden, dann ist es uns sehr wichtig, dass wir über Innovationen reden, dass eben das Internet auch Wachstum ermöglicht, und das in einer sehr kritischen ökonomischen Phase für die Europäer. Das heißt, wir arbeiten daran, dass es immer mehr innovative Startups auch aus Europa gibt, dass überhaupt ein Klima geschaffen wird, was unternehmerfreundlich ist, und natürlich muss das reguliert werden, aber in einem Sinne, dass es unternehmerfreundlich bleibt.
Kassel: ... sagt David Drummond, der Senior Vice President and Chief Legal Officer, also der leitende Jurist der Firma Google. Befragt wurde er von meinem Kollegen Falk Steiner.
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