Dank ihm wollen Kinder ins Museum
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Der deutsche Kunsthistoriker Eike Schmidt leitet seit 2015 eins der bedeutendsten Museen Europas: die Uffizien in Florenz. Er führte das altehrwürdige Haus in ein neues, digitales Museumszeitalter – und das trotz Corona mit beträchtlichem Erfolg.
Streng genommen leitet Eike Schmidt ein ehemaliges italienisches Bürohaus. Denn übersetzt bedeutet "uffici" Büro. Und tatsächlich ist das berühmte Florentiner Museum mit Werken von Botticelli, da Vinci oder Michelangelo für die Unterbringung von Ministerien errichtet worden.
Aber schon 20 Jahre nach Baubeginn hätte man Kunstwerke in die "Uffizien" gebracht. Um 1580 müsse das gewesen sein, so erzählt es Eike Schmidt. Gebaut wurde im Auftrag der Familie de' Medici.
"Ich habe keine Symptome"
Gern hätte der Museumsdirektor der Uffizien für ein Gespräch in sein Haus eingeladen. Doch eine persönliche Führung mit Eike Schmidt ist derzeit aus zwei Gründen völlig ausgeschlossen: Wie alle Museen dürfen auch die "Uffizien" in diesen Tagen nicht öffnen. Zudem wurde Eike Schmidt positiv auf das Coronavirus getestet.
Doch er gibt Entwarnung: "Mir geht es eigentlich ganz gut. Ich habe keine Symptome, habe regelmäßig Fieber gemessen. Das heißt, ich hoffe, so wird es bleiben. Toi, toi, toi."
Mal angenommen, ein Besuch der "Uffizien" wäre möglich gewesen, was hätte der Hausherr denn unbedingt zeigen wollen?
"Ich hätte sie wahrscheinlich zunächst in den Giotto-Saal geführt, ein Raum, der wichtig ist als Werk der modernen Architektur. Dann hätte ich sie wahrscheinlich zur Tribuna gebracht, dem achteckigen Raum, in dem ursprünglich die größten Schätze der Uffizien vereinigt wurden. Es gibt so viel zu sehen in den Uffizien. Ich hätte ihnen wahrscheinlich auch einige der neuen Galerien gerne gezeigt."
"Skandal" in Florenz
Seit 2015 leitet der Kunsthistoriker die "Uffizien", als erster Deutscher überhaupt.
Man hätte es ihm leicht gemacht, auch wenn es in den Medien kritische Stimme gegeben hätte. Von einem "Skandal" wäre die Rede gewesen, "dass ein Ausländer unser bedeutendes Museum führt", erzählt Eike Schmidt.
Sein erster Besuch in der "Schatzkammer der Medici", wie das Haus oft genannt wird, war in den 1980er-Jahren.
"Damals bin ich mit meiner Großmutter und meinem Bruder nach Florenz gefahren. Meine Großmutter, die Florenz ganz gut kannte, hat uns empfohlen, als allererstes in das Museum und die Kirche von San Marco zu gehen. Und das ist auch das, was ich nach wie vor allen anderen weiterempfehle, bis auf den heutigen Tag."
So, würde man Familie de’ Medici, vor allem auch die Stadt Florenz am besten verstehen, findet Eike Schmidt.
Filmreifes Kennenlernen in der Bibliothek
Mit einem Erasmus-Stipendium ging er in den frühen 1990er-Jahren nach Bologna. "Seitdem hat mich Italien nicht mehr losgelassen."
Später folgten sechs Jahre am Kunsthistorischen Institut in Florenz, hier forschte Eike Schmidt über die Geschichte der "Uffizien", lernte in der dortigen Bibliothek auch seine heutige Frau, die italienische Kunsthistorikerin Roberta Bartoli, kennen.
Ein Kennenlernen in der Bibliothek, das klingt fast filmreif. Man darf nicht sprechen, nur gucken. Ein wenig könne man sich das so vorstellen, sagt Eike Schmidt. "Ich glaube, ich habe ein bisschen mehr geguckt als sie damals."
Als der Kunsthistoriker Direktor der "Uffizien" wurde, "hatte das Museum keine eigene Website".
Reiseagenturen zum Beispiel hätten "fiktive Webseiten der Uffizien ins Netz gestellt, dann überteuerte Tickets verkauft." Heute bespiele man auch die wichtigsten sozialen Netzwerke, seit April auch "TikTok".
Aber was macht ein Museum wie die "Uffizien" ausgerechnet mit einem Videoportal wie "TikTok"? Zwischen der Kunstsammlung und der chinesischen Plattform, die vor allem von ganz jungen Jugendlichen genutzt wird, scheinen Welten zu liegen.
"An manchen Tagen 50 Prozent unter 25 Jahren"
Es funktioniere, so Eike Schmidt. An manchen Tagen wären fast 50 Prozent der Besucherinnen und Besucher unter 25. "Wir haben sogar Zuschriften bekommen von Eltern, die uns geschrieben haben, dass sie früher immer Probleme hatten, ihre Kinder ins Museum zu bekommen. Jetzt haben ihre Kinder sie gebeten, sie in die Uffizien zu bringen."
In den nächsten Wochen allerdings werden auf herkömmlichen Wegen keine Besucher ins Haus kommen, egal welchen Alters. "Wir haben Glück", sagt Eike Schmidt, "wir haben in den vergangenen Jahren gut gewirtschaftet, sodass wir jetzt mit diesen Einnahmen unseren Betrieb weiterführen können. Natürlich wird so etwas nicht endlos möglich sein."
Immerhin, in Honkong sind durch eine Leihgabe gerade 42 Werke aus den "Uffizien" zu sehen. Dort wären auch die Museen geöffnet, so Eike Schmidt.
Das klingt nach einer interessanten Ausstellung. Nur könnte die Anreise, zumindet derzeit, zum unüberwindbaren Problem werden.
(ful)