"Das wird das Land weiter stabilisieren"
Die für Sonntag geplanten Präsidentschaftswahlen seien wichtig zur Beruhigung der Lage in der Ukraine, sagt der ukrainische Botschafter in Deutschland, Pawlo Klimkin. Er erwartet trotz der angespannten Lage faire und transparente Wahlen.
Ute Welty: Der Gesprächsfaden mag zwar manchmal dem Reißen nah sein, aber so weit lassen es die beiden dann doch nicht kommen, die deutsche Bundeskanzlerin und der russische Präsident. "Ich sage Putin, welch große Verantwortung Russland dafür hat, ob sich die Lage in der Ukraine wieder beruhigt", so Angela Merkel in der "Leipziger Volkszeitung". Wie die deutsche und wie die europäische Rolle in der Ukraine gesehen wird, gerade in Bezug auf Wladimir Putin, wusste die grüne Bundestagsabgeordnete Marie-Luise Beck im "Ortszeit"-Interview zu berichten, als sie zu Besuch war in Odessa:
Marie-Luise Beck: "Es wird hier schon mit großem Stirnrunzeln zur Kenntnis genommen, dass die Europäische Union so sehr zögerlich ist in ihrer Sanktionspolitik. Dass diese Zögerlichkeit und der Unwille, zu erkennen, dass Putin es sehr deutlich auf die Destabilisierung der Ukraine anlegt, das befremdet hier. Die Menschen fragen sich: Warum wollt ihr das nicht sehen? Und dass er nicht nur spielt, sondern es auch tut, ist bei der Krim unter unseren Augen geschehen. Also es gibt wie gesagt ein gewisses Gefühl, Deutschland schaut nicht klar genug auf das, was tatsächlich sich im Kreml und in Moskau zusammengebraut hat."
Welty: So weit die Deutsche in der Ukraine, aber wie sieht das der Ukrainer in Deutschland? Darüber kann ich jetzt sprechen mit seiner Exzellenz, dem ukrainischen Botschafter Pawlo Klimkin. Einen schönen guten Morgen!
Pawlo Klimkin: Guten Morgen!
Welty: Ist die Haltung gegenüber Putin tatsächlich der Dreh- und Angelpunkt oder dann doch eher eine von mehreren Stellschrauben?
Klimkin: Na ja, das war immer so, dass die Haltung gegenüber Russland in der Ukraine grundsätzlich positiv war und nach allen diesen Ereignissen gibt es so ungefähr zwei Drittel von allen Ukrainern, die Russland als Land eigentlich und die Russen positiv sehen. Was die russische Führung anbetrifft, dann ist es die andere Sache, ganz klar.
Welty: Umgekehrt denkt Russland über seine Haltung zur Ukraine nach, namentlich der russische Konzern von Gazprom. Dort hat die Ukraine Schulden in Höhe von 3,5 Milliarden Dollar und bekommt womöglich ab Juni kein Gas mehr. Was würde das für ihr Land bedeuten?
Klimkin: Ja, wir werden definitiv eine politische und diplomatische Lösung dafür finden. Das wird auch die Lieferung in Richtung Europa nicht gefährden. Wir sind auch bereit, unsere Schulden zu bezahlen, das ist überhaupt keine Frage. Wir brauchen aber einen fairen Preis für die Gaslieferungen Richtung Ukraine. Da laufen bilaterale und trilaterale Konsultationen. Wir können doch nicht 500 Dollar pro 1000 Kubikmeter Gas bezahlen, die dann die ukrainische Wirtschaft gezielt ruinieren! Wir brauchen einen fairen Preis und faire Bedingungen, und dann läuft es auch finanziell gut.
Welty: In welcher Höhe bewegt sich dieser faire Preis?
Klimkin: Ja, das kann ich im Moment nicht sagen, die Verhandlungen laufen noch. Aber ich glaube, wir sollen doch einen fairen Preis, das will ich nochmals unterstreichen, finden. Und Sie wissen, es gibt da auch einen Preis für den europäischen Gasmarkt, also Gasmarkt als solcher existiert noch nicht, aber es gibt doch irgendwie einen Preis, der auch hier bei dem europäischen Markt zu zahlen ist. Und in diese Richtung wollen wir uns auch bewegen.
Welty: Die Gespräche über die Gaslieferungen werden wahrscheinlich Ende des Monats stattfinden. Jetzt war Ihr Außenminister ja gerade in Berlin, um mit Nicht-Regierungsorganisationen über den Konflikt und eine mögliche Lösung zu beraten. Mit welchem Ergebnis?
"Das wird für die Stabilisierung der Ukraine unglaublich wichtig"
Klimkin: Ja, das war ein guter Besuch von unserem Außenminister Andrej Deschtschitza, der hat mit vielen hohen Regierungsvertretern hier sich getroffen, aber auch mit vielen Bundestagsabgeordneten. Und das ist wichtig, dass man auch hier ganz bewusst die Wahlen, die am 25. Mai stattfinden sollen, unterstützt. Das wird für die Stabilisierung der Ukraine unglaublich wichtig, dass man diesen Weg konsequent geht.
Welty: Inwieweit wird die Präsidentschaftswahl eben kommenden Sonntag eine Lösung erleichtern oder womöglich erschweren?
Klimkin: Ja, wir hoffen alle, dass wird definitiv die Lösung erleichtern, und das wird das Land auch weiter stabilisieren. Wir brauchen das. Wir haben auch einen nationalen Dialog im Moment im Sinne der runden Tische, und da ist unsere Position klar: Alle können dabei sein, alle können mitreden, die nicht mit den Waffen laufen, die Leute da töten und entführen.
Und ein politischer Konsens reicht im Moment für die Ukraine nicht. Wir brauchen einen gesellschaftlichen Konsens. Wir bekommen auch eine neue Verfassung relativ schnell nach den Wahlen. Deswegen haben wir eine klare Vorstellung: Wie sieht eine Lösung aus?
Welty: Lassen Sie uns mal vielleicht nicht über den Worst Case reden: Unter welchen Umständen, mit welchem Ergebnis erleichtert denn die Präsidentschaftswahl eine Lösung?
Wichtige Rolle des zukunftigen Präsidenten
Klimkin: Auch deswegen, weil der Präsident auch in der Ukraine immer eine große Rolle gespielt hat, also historisch und auch politisch, und diese Machtvertikale in der Ukraine wird auch nicht nur in Kiew, sondern überhaupt in der ganzen Ukraine sich gut entwickeln.
Welty: Der OSZE-Sondergesandte für die Ukraine erwartet einen relativ normalen Wahlverlauf. Wolfgang Ischinger sagt aber auch, der Osten des Landes ist von ordentlichen Verhältnissen weit entfernt. Bekommen wir also Wahlen erster und zweiter Klasse, und was ist, wenn der Osten nun gar nicht mitmacht?
Klimkin: Nein, überhaupt nicht. Wir schätzen im Moment, dass vielleicht so einige Wahllokale im Südosten da nicht so richtig funktioieren, aber grundsätzlich sollte es auch im Südosten gut laufen. Wir bemühen uns, dass die Wahlen fair und transparent ablaufen, das ist selbstverständlich kritisch für die Zukunft der Ukraine. Wir haben zwar die Lage nicht unter Kontrolle in einigen Städten wie Slawjansk aber das ist eh eine Ausnahme. Und deswegen unterstütze ich die Einschätzung von Wolfgang Ischinger.
Welty: Wagen Sie eine Prognose für die Wahl am Sonntag?
Klimkin: Nein, das darf ich leider nicht, auch als Botschafter nicht – vielleicht nach den Wahlen.
Welty: Dann sprechen wir uns noch mal. Seine Exzellenz, der ukrainische Botschafter Pawlo Klimkin. Ich danke sehr für dieses Interview im Deutschlandradio Kultur!
Klimkin: Vielen Dank!
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