Ukraine

Die Revolution ist blau

Von Sabine Adler · 07.12.2013
Ob qua Volksabstimmung oder vorgezogene Präsidentschaftswahlen - die ukrainischen Bürger müssen befragt werden, wohin sich ihr Land orientieren soll, so Korrespondentin Sabine Adler. Noch sei der Schwenk nach Russland nicht definitiv.
Die Farbe der ukrainischen Revolution ist dieses Mal blau. Europablau. Nur vereinzelt ist orange zu sehen, denn die Proteste auf den Straßen erinnern zwar an 2004, sind aber dennoch nicht einfach die Wiederholung der Orangenen Revolution.
Es geht nicht um die Rückkehr von Julia Timoschenko und ihrer Partei Vaterland. Den Ukrainern, die vor drei Wochen noch an der Schwelle zur Europäischen Union standen, ist die Tür vor der Nase zugeknallt worden. Von ihrer eigenen Regierung. Sie wollen eine Führung, die mit ihnen nach Europa geht, der sie dieses Mal auf die Finger schauen, damit sich das Chaos unter Timoschenko und Juschtschenko nicht wiederholt.
Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch beteuerte, Schaden vom Volk abwenden und deshalb diesen Wirtschaftskrieg beenden zu wollen - indem er dem Wirtschaftsbündnis mit Russland, Kasachstan, Weißrussland und Armenien beitritt. Und sich damit für den Weg zurück in die Vergangenheit entschied. Für ein weiter so, dass Moskau die Bedingungen diktiert, für eine Fortdauer der Abhängigkeit, für das Diktat der russischen Oligarchie und Autokratie.
Unabhängigkeit nur auf dem Papier
Auch wenn "die Heilige Rus", das Herz Russlands, exakt in Kiew, der heute ukrainischen Hauptstadt liegt, Russlands Geburtsort die heutige Ukraine ist, so haben sich doch vor über 20 Jahren die Menschen für eine Unabhängigkeit von dem allzu dominant auftretenden Russland entschieden. Doch die Unabhängigkeit blieb eine auf dem Papier. Mit Leben erfüllt haben die diversen ukrainischen Präsidenten und Regierungen sie nicht.
Es ist ihr Versäumnis, dass das Land noch immer von russischen Gaslieferungen abhängig ist. Schleunigst hätten sie Alternativen suchen, die Wirtschaft modernisieren müssen, ein attraktives Investitionsklima schaffen müssen. Dann wären ukrainische Produkte vermutlich inzwischen auf westlichen Märkten wettbewerbsfähig und nicht bloß im Osten.
Noch hat die Ukraine den Weg in Richtung Moskau nicht eingeschlagen. Ist die Verweigerung der Unterschrift unter dem EU-Assoziierungsabkommen keine Entscheidung für ein und allemal. Noch kann sie revidiert werden, kann überprüft werden, was mehr dem Willen des Volkes entspricht. Deswegen müssen alle Beteiligten an einen Tisch. Und klären, in welcher Form die Bürger gefragt werden: über eine Volksabstimmung, vorgezogene Präsidentschaftswahlen, die es sonst erst 2015 geben würde oder Parlamentswahlen.
Durch wirtschaftlich schwere Zeiten gehen
Die Opposition wird jetzt im Winter nicht darauf hoffen können, die Menschen ewig auf der Straße zu halten, zumal das die politische Lösung nicht ersetzt. Wer jetzt aus der EU nach Kiew reist, erweist Europa einen wichtigen Dienst, setzt Zeichen der Solidarität mit den Demonstranten, die schließlich für Europa Tag und Nacht ausharren. Für eine demokratische Gesellschaft, ohne Amtsmissbrauch, Willkür und Korruption. Diese Ukrainer sind bereit, durch wirtschaftlich schwere Zeiten zu gehen, schließlich sind sie ja schon jetzt alles andere als verwöhnt. Doch sie wollen, dass es sich lohnt, dass ihr Land die Transformation endlich wirklich beginnt.
Die Frage am Verhandlungstisch kann deshalb nur sein, wann das Volk sagen kann, was es will. Dann wird man sehen, ob die jetzige Regierung oder die Menge auf der Straße für die Mehrheit spricht.
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