Ukraine-Flüchtlinge in Polen

Wird Osteuropa jetzt migrationsfreundlich?

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Die Vizepräsidentin der Europaparlaments Katharina Barley
Die Antteilnahme der Osteuropäer ist groß - auch weil für viele "die Richtigen" kommen, glaubt Katharina Barley. © picture alliance/dpa/Revierfoto
Katharina Barley im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 03.03.2022
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Die Geflüchteten aus der Ukraine werden in Osteuropa mit offenen Armen empfangen. Ändern die migrationsskeptischen Länder dort gerade ihre Haltung? Nicht ganz, sagt die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Katharina Barley.
Hunderttausende Menschen fliehen vor dem Krieg in der Ukraine nach Europa. Um ihre Aufnahme schnell und unbürokratisch regeln zu können, will die EU erstmals von der sogenannten Massenzustrom-Richtlinie Gebrauch machen. Sie wurde in den 90er-Jahren in Folge des Jugoslawienkriegs geschaffen und gewährt Kriegsflüchtlingen ohne aufwendiges Asylverfahren Schutz in der EU.

Osteuropa ist diesmal nah dran am Flüchtlingsleid

"Ich freue mich, dass wir zu so einer unbürokratischen Lösung kommen", sagt die Vize-Präsidentin des EU-Parlaments, Katharina Barley (SPD), über die bevorstehende Verabschiedung der Richtlinie. Vor allem freue es sie auch, dass Länder, "die bisher sehr skeptisch, bisweilen sogar agitatorisch gegenüber Flüchtlingen aufgetreten sind, jetzt die Arme weit ausbreiten".

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Das Leid der Ukrainerinnen und Ukrainer sei für viele in Osteuropa wie ein eigenes Leid. "Russland wird von vielen Staaten selbst als Bedrohung empfunden. Es ist alles sehr viel näher, als das bei anderen Flüchtlingsdiskussionen vorher war."

Diesmal stärkere Verteilung der Geflüchteten?

Barley geht davon aus, dass es diesmal auch eine stärkere Verteilung der Geflüchteten geben wird, als es noch in der Vergangenheit der Fall war, auch weil viele Ukrainer EU-weit Verwandte hätten, die in der Regel der erste Anlaufpunkt seien.
Interessant findet die Vizepräsidentin des EU-Parlaments die Haltung, die in dieser Frage in Osteuropa erkennbar wird: "Gerade Polen wirbt sozusagen damit, dass es gar keine Umverteilung will." Auch Rumänien habe sich bereit erklärt, 500.000 Geflüchtete aufzunehmen. "Das ist eine wahnsinnig hohe Zahl."

Großherzigkeit gegenüber "richtigen" Flüchtlingen

"Politisch scheint es so zu sein, dass diese Länder zeigen wollen: Schaut mal, wenn die 'richtigen' Flüchtlinge kommen, dann sind wir ganz großherzig und nehmen die auch auf", sagt Barley. Entsprechend sei damit zu rechnen, dass die Schotten wieder dichtgemacht würden, wenn die "falschen" Flüchtlinge kämen.
"Die Frage ist, ob man in der Migrationspolitik trotzdem einen Schritt weiterkommt, dass man sich zumindest darauf einigt, dass es Fälle geben kann, wo Menschen schnell Schutz brauchen" und dass die EU-Länder hier nicht ohneeinander könnten. "Wenn man sich auf den Ausgangspunkt einigen kann, dann kann diese Diskussion an Dynamik gewinnen."
(ckü)