Fluchthilfe für die ukrainische Familie

„Ich musste wildfremden Menschen vertrauen“

33:00 Minuten
Tetiana Goncharuk sitzt verkehrt herum auf einem Stuhl und stützt ihren Kopf auf die Stuhllehne. Der Blick geht in die Ferne. Sie trägt einen dunkelgrauen Pullover und Perlohringe.
Organisierte von Berlin aus die Flucht ihrer Familie: Tetiana Goncharuk. © Ksenya Kravtsova
Tetiana Goncharuk im Gespräch mit Utz Dräger |
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Als in Kiew die ersten Raketen einschlagen, ist Tetiana Goncharuk in Deutschland. Doch ihre Eltern und die Großmutter sind den Angriffen schutzlos ausgeliefert. Von Berlin aus organisiert Goncharuk die Flucht aus Kiew inmitten der Wirren des Krieges.
Als am 24. Februar der Krieg in der Ukraine beginnt, sind Tetiana Goncharuks Eltern in Kiew. Sie leben dort mit Tetianas Großmutter im 16. Stock eines Hochhauses. Tetiana, die seit fünf Jahren in Deutschland lebt, hatte ihre Eltern gewarnt und sie gedrängt, rechtzeitig zu flüchten. Doch ihre Mutter hatte gehofft, das Blatt würde sich noch zum Guten wenden. 

In der Wohnung gefangen

Tetiana wohnt in Berlin, 1200 Kilometer entfernt von ihrer Familie und macht sich große Sorgen. Mehrmals täglich telefoniert sie mit ihrer Mutter. Die erzählt ihr von Luftangriffen und Explosionen - und dass sie weit oben im Haus in ihrer Wohnung gefangen sind.
„Jeden Tag wieder wusste ich nicht, ob ich die Stimme meiner Mutter hören würde oder nicht“, erzählt Tetiana Goncharuk, die diese Woche zu Gast bei Plus Eins ist.
Tetiana Goncharuk sitzt auf einem Stuhl und schaut nach links in die Ferne.
Tetiana Goncharuk hilft ihrer Familie, hilft Menschen in ihrem Stadtteil und organisiert privat Hilfe für geflüchtete Menschen aus der Ukraine.© Ksenya Kravtsova
Schutz suchen kann ihre Familie nicht, denn das Haus, in dem die Eltern leben, hat keinen Keller. Tetianas Vater ist schwerbehindert, und der Großmutter mit ihren 94 Jahren fallen weite Wege auch schwer. Die Mutter ist also allein mit der Situation – und Tetiana ist weit weg.

Meine Mutter rief mich bei der Arbeit an. Sie sagte, die Raketenangriffe seien jetzt auch tagsüber, und sie fragte mich, wohin sie laufen solle, was sie tun solle. Und dann brach die Verbindung ab. Ich habe zwei Stunden lang geweint.

Tetiana Goncharuk

Tetiana leitet in Berlin eine soziale Einrichtung im Stadtteil Hellersdorf. Sie organisiert Unterhaltung für Senioren und hilft Menschen im Stadtteil bei ihrem Alltag. Seit der Krieg begonnen hat, bewegt sie innerlich aber nur die Angst um ihre Familie.

Evakuierung aus Kiew

Also fasst sie einen Entschluss. Sie muss ihre Eltern und die Großmutter aus Kiew evakuieren: "Mir war klar, dass ich etwas machen musste", sagt sie. Von Berlin aus organisiert sie den Transport ihrer Familie inmitten der Wirren des Krieges in der Ukraine von Kiew bis nach Lemberg.
„Es waren alles wildfremde Menschen, die ich nicht kannte. Ich musste den Leuten vertrauen. Bis zur letzten Minute wusste ich nicht, ob mein Evakuierungsplan klappt“, erzählt sie.
Dann ist die Familie endlich in Berlin - doch ihre Eltern und ihre Großmutter haben schweren seelischen Ballast im Gepäck.

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