Ukraine

Frieden noch in weiter Ferne

Ein Kämpfer der prorussischen Separatisten geht in der Provinz Donezk über einen zerstörten Marktplatz.
Ein Kämpfer der prorussischen Separatisten in der Provinz Donezk © picture alliance / dpa / Dan Levy
Von Sabine Adler |
Das Minsker Abkommen, bei dem eine Waffenruhe in der Ukraine vereinbart wurde, ist nicht komplett gescheitert, die Intensität der Kämpfe hat abgenommen. Trotzdem herrscht noch lange kein Frieden. Am Montag soll ein weiteres diplomatisches Treffen in Berlin stattfinden.
Wirklich Ruhe herrscht nicht. Fast jeden Tag werden Kämpfer verletzt und getötet. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International erhob schwere Vorwürfe gegen die Aufständischen. Sie hätten ukrainische Soldaten exekutiert. Namentlich wird die Ermordung des ukrainischen Soldaten Igor Branowizki erwähnt. Er habe am Flughafen von Donezk gekämpft und sei als Gefangener aus nächster Nähe von den Separatisten erschossen worden. Drei weitere Soldaten, die in Debalzewe im Einsatz waren, wurden ebenfalls durch Kopfschüsse getötet. Die Aufständischen bestreiten die Vorwürfe, die auf Fotos laut Amnesty jedoch belegt sein sollen.
Auch wenn das Minsker Abkommen, das vor zwei Monaten geschlossen wurde, nicht vollständig umgesetzt wurde, so hat es dennoch seine Wirkung nicht völlig verfehlt. Die Kampfhandlungen haben sich deutlich verringert, Gefangene werden ausgetauscht.
Hier in Tschernopol feierte die Bevölkerung die Rückkehr eines ihrer Freiwilligen, der sich zwei Monate in Gefangenschaft befand.
"Zweihundert Mann befinden sich noch immer in Gefangenschaft", sagt Wassili Budik vom ukrainischen Verteidigungsministerium. "Wir hatten auch rund 200 Mann. In den letzten Tagen haben wir einmal 16 Mann; einmal drei Mann befreit. Wir reden mit den Feldkommandeuren, damit auch sie ihre Gefangenen befreien."
Alle Seiten machen sich gegenseitig Vorwürfe
Der Chef der selbsternannten Volksrepublik Donezk, Alexander Sachartschenko, legte jüngsten Presseberichten zufolge das Minsker Abkommen neu aus. Demnach müsste seine sogenannte Volksrepublik die von der Ukraine besetzten Gebiete Mariupol und Slawjanks zurückbekommen. Ähnlich verdreht legt Sachartschenko die Überwachung der Grenze zu Russland aus, die das Minsker Abkommen als künftige Aufgabe der Ukraine festgelegt hat.
Die Donezker Rebellen werfen den Regierungstruppen der Ukraine vor, mit Panzern Wohnsiedlungen zu beschießen. Eduard Basurin, der sogenannte Vize-Verteidigungsminister der Donzeker Volksrepublik, drohte am Wochenende mit der Rückverlegung der schweren Waffentechnik an die ehemalige Frontlinie.
Laut dem Sprecher Michael Bociurkiw hat die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa einen vollständigen Abzug der schweren Technik noch nicht verzeichnen können. Donezk und der Ort Schyrokyne seien nach wie vor Unruheherde. Die OSZE-Beobachter inspizierten vor wenigen Tagen das Airport-Gelände und -Gebäude, das völlig zerstört ist und machten einen grausigen Fund.
"Für die meisten von uns war es die erste Möglichkeit, das Parkhaus und das Terminal-Gebäude von innen zu sehen. Wir haben schon in vielen Konfliktgebieten gearbeitet und viele Zerstörungen gesehen, aber dieses Ausmaß hat uns schockiert. Auch die viele gefährliche Munition dort. Direkt vor dem Terminalgebäude lag eine Leiche. Ungeschützt, Wind und Wetter ausgesetzt. In der Ruine dürften sich ebenfalls welche befinden, doch wegen der Sprengsätze ist es im Moment zu gefährlich, sie zu bergen. Das einzige Lebenszeichen, das wir auf diesem völlig zerstörten Flughafen gefunden haben, war ein Kätzchen."
Die Menschen trauen dem Frieden nicht
In Spartak, wo ebenfalls heftige Kämpfe stattgefunden haben, ist es laut OSZE derzeit ruhig. Doch die Menschen trauen dem Frieden nicht.
"Dort ist kaum Leben zurückgekehrt. Es gibt keinen Strom, kein Gas, kein Wasser. Einige wenige ältere Menschen haben wir angetroffen. Das Problem dort wie in vielen zerstörten Orten ist die viele Kampfmunition, die nicht explodiert ist. Ein Mann zeigte uns eine Rakete mitten in seinem Vorgarten."
Östlich von Donezk und südlich von Lugansk, in einer Region in der laut dem OSZE-Sprecher russische Kosakenverbände aktiv sind, wurde den Beobachtern der Zugang abermals verwehrt.
Der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin appellierte an Russland, sich nicht gegen eine UN-Friedensmission in der Ukraine zu sperren. Gegenüber der russischen Oppositionszeitung "Nowaja Gaseta" sagte er: Wenn die russische Seite das blockiere, solle sie erklären, wer den Friedensprozess und die Wiederherstellung der Ordnung überwachen soll. Auf dem Balkan hätten sich mit ebendiesen Aufgaben die Friedenstruppen befasst.
Das Treffen in der Villa Borsig heute in Berlin wäre das erste Vierergespräch seit dem Minsker Verhandlungsmarathon Mitte Februar.
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