Gericht billigt Dezentralisierung der Macht
Das ukrainische Verfassungsgericht hat eine Dezentralisierung der Macht für zulässig erklärt. Ob das Land dem Frieden damit näher kommt, ist längst nicht sicher. Präsident Poroschenko begrüßte die Entscheidung, im September wird das Parlament abschließend darüber abstimmen.
Das Verfassungsgericht der Ukraine erlaubt eine Dezentralisierung der Macht. Kiew kann also den Bezirken, Kreisen und Städten mehr Befugnisse einräumen, auch in den besetzten Gebieten Donezk und Lugansk. Für die Umsetzung des Minsker Friedensplans ist das ein wichtiger Schritt. Von Frieden und Waffenruhe kann aber in der Ostukraine keine Rede sein.
Derzeit werde so intensiv gekämpft wie den ganzen Juli nicht. In den vergangenen 24 Stunden, so Armeesprecher Andrij Lysenko, haben wir zwei Soldaten verloren, sieben sind getötet worden. Die Separatisten berichten von 47 Angriffen der ukrainischen Streitkräfte im gleichen Zeitraum.
Bevor die Abgeordneten des ukrainischen Parlaments über die Dezentralisierung abstimmen, wollten sie Gewissheit, ob sie überhaupt in Einklang mit der Verfassung steht. Das hat das Gericht heute bejaht, wie Richter Wassil Brinzew bekanntgab.
"Das Verfassungsgericht der Ukraine kam zu folgendem Schluss. Erstens: den Gesetzentwurf über die Änderung der Verfassung die Dezentralisierung betreffend anzuerkennen. Die Entscheidung ist endgültig, sie kann nicht angefochten werden. Die im Gesetzentwurf vorgeschlagene Ergänzung sieht keine Verringerung oder Einschränkung der Rechte und Freiheiten der Bürger vor."
Poroschenko: Wichtiger Schritt
Präsident Petro Poroschenko, der das Gesetz in die Werchowna Rada eingebracht hatte, bezeichnete die Gerichtsentscheidung heute auf seiner Facebook-Seite als wichtigen Schritt und schicksalhaft für den Wandel in der Ukraine. Zum ersten Mal in der Geschichte der Ukraine würden das Staatsoberhaupt und die Regierung Macht abgeben zum Wohle der Gesellschaft.
Dass die Regionen mehr Befugnisse bekommen sollten, darüber herrschte im Land Einigkeit. Umstritten war jedoch, dass auch die besetzten Gebiete Donezk und Lugansk im Osten davon profitieren sollten. Denn damit bekomme die russische Regierung, die die Separatisten im Osten steuere, Einfluss auf die ukrainische Innenpolitik, so die Befürchtung der Kritiker. Bei der Parlamentssitzung Mitte Juli kam es deswegen zu Handgreiflichkeiten.
Regionalwahlen für Herbst geplant
Nun wird die Werchowna Rada wohl Mitte August zur ersten Lesung des Gesetzes zusammentreten. Die zweite Abstimmung könnte nach der Sommerpause im September erfolgen, gebraucht werden dann 300 Stimmen. Doch mit dem Richterspruch und der Annahme des Gesetzes ist die Umsetzung des Minsker Friedensplans noch nicht garantiert, auch wenn die besetzten Gebiete eine gewisse Selbstständigkeit zugesprochen bekommen. Denn im Herbst sollen außerdem laut Friedensplan Regionalwahlen abgehalten werden. Doch es gibt keine Parteien und weder kann die Sicherheit für die Wähler, noch für unabhängige Wahlbeobachtern gewährleistet werden.
Den Separatisten geht der von Kiew eingeräumte Sonderstatus nicht weit genug. Laut einer Umfrage sind damit angeblich 68 Prozent nicht zufrieden, 83 Prozent der befragten Bewohner der sogenannten Donezker Volksrepublik hätten sich außerdem für die Schaffung einer eigenen Miliz ausgesprochen.
Völlig offen ist, wie die Absicherung der ukrainisch-russischen Grenze durch den ukrainischen Grenzschutz bis Ende des Jahres erreicht werden soll. Dies sieht der Minsker Friedensplans vor. Die Ukraine müsste im Gebiet der Separatisten die Grenzsicherung organisieren, doch das werden die Separatisten kaum zulassen, kommt doch über diese Grenze der Nachschub von Kämpfern und Waffen aus Russland.