Ukraine

Kiew stoppt Abkommen mit EU

Von Sabine Adler |
In einer spektakulären Abkehr vom bisherigen Kurs wendet sich die Ukraine vom Westen ab - und sucht stattdessen wieder den Schulterschluss mit Russland.
Um kurz nach drei Kiewer Zeit kam die Meldung: „Die Regierung stoppt die Vorbereitungen für die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens." Die Abgeordneten dürften mehr als überrascht gewesen sein. Hatten sie sich doch heute und seit Wochen schon intensiv mit eben den EU-Integrationsgesetzen befasst, die Brüssel gefordert hatte.
Dafür 193, dagegen 1, enthalten 21, nicht abgestimmt 205, das Gesetz wurde nicht angenommen, so ging es noch am Vormittag.
„Schande, Schande", riefen die Oppositionsanhänger, seit Tagen mit roten bzw. weißen T-Shirts im Parlament. Alle sieben sogenannten Timoschenko-Gesetze waren durchgefallen, eine Neufassung sollte am Nachmittag erarbeitet werden, doch da überschlugen sich schon die Ereignisse.
Regierungschef Asarow hatte im Kabinett verkündet, dass die Ukraine mit Moskau über eine Zollunion verhandeln wird und der EU Dreier-Gespräche mit Russland vorschlägt. Als am Nachmittag der Parlamentspräsident weitermachen wollte, als sei nichts geschehen, platzte der Opposition der Kragen.
“Der halbe Saal möchte nicht abstimmen, dann machen wir das morgen nach den EU-Integrationsgesetzen. Sie wollen nicht arbeiten, sollen wir die Sitzung abbrechen?“
Arsenie Jazeniuk von der Vaterlandspartei erhob klare Forderungen:
“Lediglich das Kabinett hat diese ungesetzliche und der Verfassung widersprechende Entscheidung getroffen, den Kurs der europäischen Integration zu stoppen. Wir fordern, dass Asarow morgen ins Parlament kommt. Asarow ins Parlament, Janukowitsch ins Parlament.“
Die Arbeit der vergangenen Monate an den EU-Integrationsgesetzen könnte mit der heutigen Regierungsentscheidung vergebens gewesen sein. Ob es, wie zuvor im Parlament vereinbart, morgen zu der erneuten Abstimmung über ein neues Timoschenko-Gesetz und damit zu ihrer Freilassung kommt, ist fraglich. Wie auch die Abstimmung über die Arbeit der Generalstaatsanwaltschaft, die die von der EU kritisierte Justizwillkür eindämmen sollte.
Der Präsident hält sich von allem demonstrativ fern, ist auf einer Auslandsreise in Österreich. Seit seinem Besuch in Russland vor zwei Wochen hat sich die Stimmung in Kiew spürbar gewandelt.
Von Regierungsseite waren immer mehr Bedenken über die Abwendung von Moskau zu hören. Vor allem aber vermuten Experten in Kiew, dass Janukowitsch von seinem Amtskollegen Putin massiv beeinflusst worden ist, entweder mit der Zusage von günstigen Gaslieferungen und Krediten oder mit der Unterstützung bei der nächsten Präsidentschaftswahl. Der russische Präsident wird heute in Kiew zitiert, dass er nichts gegen eine Assoziierung mit der EU hat, jedoch gegen eine Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO.
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