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Kiew versinkt im Chaos
Die Ukraine hat die blutigste Nacht ihrer jüngeren Geschichte erlebt: Sicherheitskräfte stürmten den Unabhängigkeitsplatz in Kiew, es kam zu schweren Kämpfen mit Demonstranten. 25 Menschen starben, Hunderte wurden verletzt.
Rauchsäulen stiegen in den Himmel, Barrikaden brannten, Schüsse und Explosionen waren zu hören: In der Nacht zu Mittwoch ist es in der ukrainischen Hauptstadt Kiew zu den schwersten Auseinandersetzungen seit Beginn der Proteste gegen Präsident Viktor Janukowitsch gekommen. Sicherheitskräfte stürmten den von Demonstranten besetzten Unabhängigkeitsplatz Maidan, Oppositionelle und Polizei lieferten sich harte Straßenkämpfe.
Nach Angaben des ukrainischen Gesundheitsministeriums starben 25 Menschen, darunter neun Polizisten. Hunderte Menschen wurden verletzt. Das Gewerkschaftshaus am Maidan – das Hauptquartier der Opposition – ging in Flammen auf. In den frühen Morgenstunden hatten die Sicherheitskräfte etwa die Hälfte des Platzes eingenommen. Augenzeugen zufolge war die Lage zunächst etwas ruhiger. Beide Seiten standen sich weiter gegenüber, mit gelegentlichen Zusammenstößen.
"Wie können wir Gespräche führen, wenn Blut vergossen wird?"
Ein Treffen zwischen Janukowitsch und den Anführern der Opposition blieb in der Nacht ohne Ergebnis. Ex-Boxweltmeister Klitschko Vitali sagte, er habe das Treffen beendet, nachdem der Präsident eine bedingungslose Räumung des Maidan gefordert habe. "Wie können wir Gespräche führen, wenn Blut vergossen wird?", sagte Klitschko. Janukowitsch wiederum warf der Opposition vor, sie habe eine Grenze überschritten. Die Demonstranten planten eine den eine gewaltsamen Machtübernahme. Es handle sich um "Kriminelle, die vor Gericht gehören". Janukowitsch forderte die Oppositionsführer auf, sich von radikalen Demonstranten zu distanzieren.
Auf politischer Ebene werden nun die Rufe nach Sanktionen gegen die Regierung in Kiew lauter. Der Europaparlamentarier Elmar Brok (CDU) forderte ein Einreiseverbot für die Verantwortlichen. Außerdem müsse man deutlich machen, dass Oligarchen, die Präsident Viktor Janukowitsch weiterhin unterstützten, nicht mehr an ihre EU-Bankkonten herankämen. "Dies ist jetzt der Zeitpunkt, diese Drohungen wahr zu machen und deutlich zu machen, dass wir uns dies nicht mehr gefallen lassen", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur.
Gysi bringt Gerhard Schröder als Vermittler ins Spiel
Auch nach Ansicht des stellvertretenden CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Andreas Schockenhoff sollte die EU personenbezogene Sanktionen gegen die ukrainische Führung erlassen, darunter Kontensperrungen und Einreiseverbote. Der frühere polnische Präsident Aleksander Kwasniewski verglich das Geschehen in Kiew mit dem Tiananmen-Massaker in China im Jahr 1989. Auch er drängte Brüssel, möglichst schnell Sanktionen zu verhängen. Nach Angaben der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton werden die EU-Außenminister am Donnerstag zu einer Sondersitzung über die Ukraine zusammenkommen.
Linkenfraktionschef Gregor Gysi schlug unterdessen Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder als Vermittler in der Ukraine vor. Ohne Russland gebe es in dem Konflikt keine Lösung, sagte er im Deutschlandfunk, und Schröder habe die Chance, mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu verhandeln und wirklich gehört zu werden.
twa
Die Proteste in der Ukraine
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