Ukraine-Konflikt

Kultur der Zurückhaltung

Moderation: Marianne Allweiss |
Eine Mehrheit der Deutschen lehnt laut ARD-Deutschlandtrend die in der NATO diskutierten stärkeren Militäraktivitäten in Osteuropa ab. Infratest-Chef Hilmer sieht darin eine Tradition der Zurückhaltung in Deutschland.
Die 28 Außenminister der EU sind sich, was den Umgang mit Russland in Bezug auf den Ukraine-Konflikt betrifft, mal relativ einig. Befragt man jedoch die Deutschen, so ergibt sich ein ganz anderes Bild.
Im aktuellen ARD-Deutschlandtrend sieht knapp die Hälfte der Befragten die Bundesrepublik fest im westlichen Bündnis verankert. Die andere Hälfte aber fordert, dass die Bundesrepublik eine Vermittlerrolle zwischen dem Westen und Russland einnehmen sollte.
Richard Hilmer, Geschäftsführer von Infratest dimap, dem Politik- und Wahlforschungsinstitut, das diese Zahlen für den Deutschlandtrend ermittelt hat, sieht darin nicht nur - wie man vermuten könnte - Ost-West-Unterschiede: "Sie spielen eine Rolle, denn die Zurückhaltung, was die gegenwärtige Position der Bundesrepublik anbetrifft, beziehungsweise was die Rolle der Nato anbetrifft, ist im Osten schon stärker ausgeprägt, aber sie beschränkt sich eben keineswegs auf die neuen Bundesländer."
Einerseite gebe es ein ausgeprägtes Misstrauen gegenüber Moskau und insbesondere Putin, sagte Hilmer bei Deutschlandradio Kultur. "Auf der anderen Seite herrscht auch die Überzeugung vor, dass sich Deutschland, dass sich der Westen insgesamt mit Blick auf die Ukraine, insbesondere mit Blick auf die Krim, deutlich zurückhalten sollte."
"Kriegsangst spielt sicherlich eine Rolle"
Wirtschaftliche Maßnahmen finden die Bundesbürger laut Deutschlandtrend durchaus gerechtfertigt, allerdings gibt es bei jeglicher Art von militärischen Maßnahmen eine deutliche Zurückhaltung.
In Zahlen: 53 Prozent der Befragten sind laut Umfrage dagegen, dass die Nato zum Schutz des Bündnisses vor möglichen Übergriffen aus Russland den Luftraums der osteuropäischen NATO-Länder überwacht und sichert - besonders wenn es um eine deutsche Beteiligung geht. Lediglich 40 Prozent sprachen sich dafür aus, dass das westliche Bündnis hier stärker engagieren soll.
"Kriegsangst spielt da sicherlich eine gewisse Rolle", meint Hilmer, "denn Ukraine, das ist nun ein Konflikt, der relativ nahe liegt, vor allem eben nicht durch ein Meer getrennt von uns, wie zum Beispiel Syrien. Allerdings die Zurückhaltung selbst, die hat Tradition. Das kennen wir schon aus den Konflikten damals im Kosovo, ehemals Jugoslawien, später auch bei Libyen, jetzt auch bei Syrien, und eben aktuell bei der Ukraine. Diese Kultur der Zurückhaltung ist in Deutschland sicherlich etwas ausgeprägter als anderswo."
Meinungsforscher Hilmer sieht hier aber auch innenpolitische Bezüge. "Es ist sicherlich auch so, dass andere Themenfelder, zum Beispiel die Zuwanderung, die zum Jahresbeginn eine besondere Rolle gespielt hat, auch hier noch mal einen etwas kritischen Aspekt auf die Osterweiterung wirft."
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