Poroschenko fährt nicht ins Kampfgebiet
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko reist doch nicht in die Krisenregion im Osten des Landes. Das Parlament in Kiew will Poroschenko nun dazu bewegen, das Kriegsrecht über Donezk zu verhängen.
Mehrere Nachrichtenportale hatten den Besuch des ukrainischen Präsidenten in der Krisenregion angekündigt, am Morgen hieß es dann, das Treffen finde nachmittags in der Hauptstadt Kiew statt. Petro Poroschenko fährt nicht in das Kampfgebiet, wo sich heute bei Slawiansk und Krasno Liman Aufständische und Regierungstruppen schwere Gefechte lieferten.
Gestern haben die Separatisten die sterblichen Überreste der 49 ukrainischen Soldaten übergeben, die am vergangenen Freitag in einer abgeschossenen Transportmaschine ums Leben gekommen waren. Die Bürgeraktivistin Tetjana Sarowaja stellt dem Präsidenten ein vernichtendes Zeugnis nach dessen Amtsantritt aus. Ihre Organisation kümmere sich um die Evakuierung der Kriegsschauplätze, die betroffenen leidtragenden Bürger bekämen keinerlei Hilfe vonseiten der Behörden.
"Ich bin ja schon froh, dass man die Flüchtlinge überhaupt mal bemerkt. Es sind nicht 4000, sondern ich vermute dass es 400.000 sind, die aus der Donezker und Lugansker Region geflohen sind. Die Regierung hat sich als machtlos erwiesen, sie hätte gleich zu Beginn gegen die Aufständische durchgreifen müssen. Die Anti-Terror-Operation ist nicht effektiv genug."
Im Nachrichtensender 24 kritisierte sie auch die gestern angekündigte einseitige Waffenruhe, die Poroschenko ausrufen will, sobald die Grenze zu Russland geschlossen sei:
"Die Patrioten, die noch im Donbass ausharren, warten auf Taten nicht auf einen einseitigen Waffenstillstand, der nur den Terroristen Zeit verschafft, sich Verstärkung zu holen. Sie wollen, dass das Ganze andauert, denn sie erhalten für dieses Morden Geld."
Das Parlament hat in seiner heutigen Sitzung bislang nicht die Verhängung des Kriegsrechts über Donezk beschlossen, die Abgeordneten wollen Präsident Poroschenko dazu bewegen, sagte Sergej Kaplan von der Klitschko-Partei UDAR. Hinter den Kulissen wird über den Kriegszustand diskutiert, nicht aber im Plenarsaal:
"Wir haben uns Zeit dafür genommen, um mit dem Präsidenten und anderen politischen Kräften eine effektiven Weg für die Ausrufung des Kriegszustandes zu finden. Das muss vorbereitet sein."
Keine Mehrheit für Gastransportsystem
Der Vorschlag von Regierungschef Jazeniuk, ein nationales Gastransportsystem zu schaffen, anstelle von privaten Einzelunternehmen, fand keine Mehrheit. Zugestimmt hat das Parlament heute der Ernennung von Vizepremier Vitali Jarema als Generalstaatsanwalt. Er soll den umstrittenen Oleg Machnitzki von der Partei Swoboda ersetzen.
Die Investment-Bankerin Waleria Gontarewa soll die neue Nationalbankchefin werden, Pawel Klimkin wird Andrej Deschtschitza als Außenminister ablösen. Deschtschitza hatte sich am Samstag bei Ausschreitungen vor der russischen Botschaft in Kiew unflätig über den russischen Präsdienten Putin geäußert. Klimkin, den noch Ex-Präsident Janukowitsch nach Berlin delegiert hatte, ist einer der Autoren des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Ukraine.
Ende nächster Woche ist in Brüssel die Unterzeichnung des wirtschaftlichen Teils des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Ukraine geplant, die Präsident Poroschenko als ersten Schritt des EU-Beitritts betrachtet. Mit Skepsis haben einige europäischen Partner diesen angenommenen Automatismus registriert. Was ein Thema bei dem Gespräch zwischen EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle, der sich in Kiew aufhält, und dem Präsidenten gestern Abend gewesen sein dürfte. Der russische Präsident erneuerte den Anspruch, dass sein Land in dieser Frage konsultiert werden müsse.