"Der Maidan hat was von einem Schlachtfeld"
Sabine Adler ist unsere Deutschlandradio-Korrespondentin für Osteuropa und verbringt momentan all ihre Zeit auf dem Maidan in Kiew. Dieses Wochenende ist sie allerdings in Berlin - und hat uns einige Fragen zu ihrer Arbeit beantwortet.
Frau Adler, wie empfinden Sie die Stimmung auf dem Maidan?
Sabine Adler: Die Stadt sieht weit um Maidan herum normal aus, teilweise ist es gespenstisch ruhig. Aber wenn man dann auf den Platz kommt, hat das was von einem Kriegsschauplatz, einem Schlachtfeld. Mit einem Mal ist man in einer militärischen Umgebung, wo man sich an Befehle halten muss, die einem Leute in selbst gemachten Uniformen, eigentlich einfach Tarnanzüge, geben.
Wie kann man sich die Arbeit vorstellen?
Es ist furchteinflößend, wenn man Leuten, die Masken tragen, massenhaft gegenübersteht und die Knüppel haben oder andere Angriffswaffen. Und wenn man Interviews mit Leuten führt, die maskiert sind und nicht mal ihr Pseudonym verraten, ist das beängstigend. Auf der anderen Seite wollen viele Leute reden und suchen den Kontakt. Es ist nicht schwer, mit ihnen in Kontakt zu treten.
Und es ist wirklich lustig: Wenn man Kollgen trifft, erkennt man sofort, ob sie gerade vom Maidan kommen, weil die dann nach Rauch stinken von den Tonnen, in denen Feuer gemacht wird.
In den letzten Tagen hat es ja Fortschritte gegeben. Glaubt man in der Ukraine nun an den Aufbruch?
Ich finde, die Stimmung hat sich immer noch nicht gelöst, es ist keine fröhliche Stimmung. Ja sie haben ein bisschen etwas erreicht, sind einen Schritt weiter gekommen, aber die Menschen sind enorm traurig, was sie dafür einsetzen mussten, und sind sehr wachsam, dass es nicht wieder verspielt wird. Und sie misstrauen aller etablierten Politik.
Arbeiten Sie auch mit Kollegen aus Deutschland oder der Ukraine zusammen?
Ich treffe viele Kollegen und wir verabreden uns auch zu gemeinsamen Interviews. Das war immer dann gut, wenn wir versucht haben, jemanden aus dem Janukowitsch-Apparat zu bekommen. Da habe ich mit Zeitungskollegen und einem österreichischen Kollegen zusammengearbeitet. Ich arbeite aber auch mit ukrainischen Kollegen, was wirklich hilfreich ist.
Gab es Situationen, in denen Sie sich in Gefahr begeben haben oder ihr Leben bedroht gefühlt haben?
Ja. Das war der Donnerstag, als in Stadt geschossen wurde. Ich wusste das nicht und habe dann nur gesehen, dass ständig der Weg frei gemacht wurde für Rettungswagen. Und dann kam ich plötzlich an einen Ort, wo elf Leichen lagen, die sie dahin getragen hatten. Und es wurden immer wieder Menschen weggetragen und neue Leichen gebracht. Und dann fand ein Gottesdienst für die Opfer statt, aber es wurde permanent weiter geschossen. Und ich wusste nur, dass die auf der anderen Seite des Platzes sind, da wo ich nicht war. Da war wirklich gut, dass ich die Sprache verstehe, weil die Menschen mir gesagt haben, wo ich hingehen kann und wo eher nicht.
Ist es gefährlich als Medienvertreter vor Ort zu recherchieren?
Im Stadtzentrum ist es momentan sehr unsicher, vor allem vorige Woche war es gefährlich. Ich habe mir sehr genau überlegt, wo ich langgehe und wo ich mich mit meinem Mikrofon aufhalte. Da waren viele angeheuerte Verbrecher unterwegs, die sogar einen ukrainischen Journalisten aus dem Taxi gezogen und in den Bauch geschossen haben. Er ist gestorben. Ich hätte gedacht, dass es im Taxi sicher ist. Deshalb bin ich dann nicht mehr vor die Tür gegangen, vor allem im Dunkeln.
Andererseits ist auf dem Maidan alles sehr organisiert und geordnet. Man will die Bewegung nicht diskreditieren. Es wurde nicht ein Geschäft geplündert oder beschädigt. Es wird sogar Ordnung gehalten und man bekommt jederzeit kostenlos Essen und Getränke. Und es wird überhaupt kein Alkohol getrunken. Wer eine Fahne hat oder angetrunken wirkt, kommt nicht durch die Kontrollen.