Die Galeristin Alona Karavai lebt im Westen der Ukraine und sorgt sich um das kulturelle Erbe ihrer Heimat, das sie nun gemeinsam mit Helfern vor der Zerstörung zu bewahren sucht. Im Fokus steht dabei "Kunst aus selbstorganisierten Räumen. Die großen Museen mit den großen staatlichen Sammlungen werden gerade vom Kulturministerium der Ukraine evakuiert." Noch gebe es genügend Kapazitäten, Kunst im eigenen Land zu sichern, sagt Karavai. Allerdings "hängt das natürlich davon ab, wie lange der Krieg dauert und wie groß die Attacken sind". Finanziert werden die Rettungsaktionen durch Spenden aus dem In- und Ausland, vor allem aus Deutschland. Hören Sie hier unser Gespräch mit Alona Karavai.
Krieg in der Ukraine
Büste des Nationaldichters Taras Schewtschenko inmitten von Kriegstrümmern: In der ukrainischen Stadt Charkiw wurden durch die russischen Angriffe bereits zahlreiche Kulturgüter zerstört. © Imago / Cover-Images
Angst vor dem Verlust der kulturellen Identität
07:12 Minuten
Im Ukraine-Krieg geraten auch Museen oder Kirchen zunehmend unter Beschuss. Das Bemühen sei groß, wertvolle Kunstgegenstände frühzeitig in Sicherheit zu bringen, sagt die Kunsthistorikerin Beate Reifenscheid. Listen sollen Raubkunst vorbeugen.
Die Ukraine hat rund 5000 Museen, zahlreiche Theater und andere wertvolle Kulturstätten, die derzeit durch den russischen Angriffskrieg massiv bedroht sind. In der Stadt Iwankiw im Norden des Landes wurde ein Museum bereits so attackiert, dass kostbare Gemälde unwiderbringlich verloren sind.
Schutz der Kulturgüter
Um Kunstwerke noch rechtzeitig zu retten, seien viele Museumsleute aktiv dabei, sie zu verpacken und möglichst in Kellern, Bunkern oder Schutzräumen unterzubringen, sagt Beate Reifenscheid, Präsidentin des deutschen Nationalkomitees im Internationalen Museumsrats (ICOM). Nicht immer gelinge das alles, denn es sei Verpackungsmaterial ebenso nötig wie Helfer und Lastwagen. Es werde außerdem versucht, Skulpturen oder Glasfenster von Kirchen zu schützen.
Das alles geschehe unter sehr erschwerten Bedingungen, so Reifenscheid. "Vor allem wenn draußen schon die Panzer anrücken und die Bomben fliegen." In Städten wie Charkiw oder Mariupol im Osten des Landes gehe es wegen der schweren Angriffe vermutlich schon nicht mehr. Da müssten sich die Menschen vor dem Krieg retten, auch die Museumsleute.
Retten, was geht
Ihre Kolleginnen und Kollegen in der Ukraine treibe die Angst um, dass die kulturelle Identität der Ukraine ausgerottet werde, sagt Reifenscheid. Deshalb setzten sie sich so stark dafür ein, möglichst viel zu retten. "Das finde ich schon eine unglaubliche Haltung, die fast an Heroisches angrenzt." Jedes Museum kenne die wertvollsten Stücke in seinem Haus und die würden in Sicherheit gebracht.
Gezielte Angriffe
Ihr Eindruck sei, dass die Angriffe auf die Kulturstätten gezielt geschähen, auch wenn das eine oder andere vielleicht ein Kollateralschaden sei, sagt die Kunsthistorikerin. "Das wird auch im Zuge des weiteren Krieges immer stärker der Fall sein, dass Museen oder die Kulturerbe-Stätten unter Beschuss geraten."
"Rote Listen" im Kampf gegen Raubkunst
Bisher wisse sie noch nicht von Raubkunst, die nach Russland geschafft würde. "Aber wir wissen aus Erfahrung, dass das immer stattfindet", so Reifenscheid. Um dem illegalen Handel vorzubeugen, sei man jetzt bereits dabei, "rote Listen" zu erstellen, welche Kulturgüter in die Ukraine gehörten.
Nach dem Beispiel der Erfahrungen im Syrien-Krieg baue der Deutsche Museumsbund zusammen mit dem Auswärtigen Amt eine Arbeitsgruppe auf, um der Ukraine zu helfen. Dabei gehe es unter anderem darum, Kulturgüter digital zu erfassen.
(gem)