Ukraine

    Regierungschef Asarow bleibt im Amt

    Asarow jubelt nach dem misslungenen Misstrauensvotum der Opposition gegen seine Regierung
    Asarow jubelt nach dem misslungenen Misstrauensvotum der Opposition gegen seine Regierung. © dpa / picture alliance / Sergey Dolzhenko
    Das Misstrauensvotum gegen die ukrainische Regierung ist gescheitert. Ungeachtet der Massenproteste bleibt Ministerpräsident Asarow im Amt. Der Protest dürfte nun noch zunehmen.
    Aus Empörung über die gestoppte EU-Annäherung der Ukraine wollte die pro-westliche Opposition in Kiew Regierungschef Mykola Asarow abwählen. Doch das Misstrauensvotum gegen den 65 Jahre alten Weggefährten von Präsident Viktor Janukowitsch scheiterte im Parlament deutlich. Die Opposition um den Boxweltmeister Vitali Klitschko erhielt am Dienstag für ihren Misstrauensantrag gegen die Regierung 186 von nötigen 226 Stimmen.
    Die Regierungsgegner machen Asarow dafür verantwortlich, dass die Ex-Sowjetrepublik ein fertig ausgehandeltes Partnerschaftsabkommen mit der EU nicht unterzeichnet hat und verlangen auch den Rücktritt von Präsident Viktor Janukowitsch wegen seines anti-europäischen Kurses.
    Die Abstimmung im Parlament war von erneuten Protesten tausender Demonstranten begleitet worden. Oppositionsvertreter Vitali Klitschko sagte zuvor im Parlament, "zuerst wurde den Ukrainern der Traum von Europa geraubt, dann wurden Demonstranten mit Knüppeln auseinandergejagt - das gab es noch nie in unserer Geschichte. Es hängt nun von jedem einzelnen Abgeordneten ab, ob wir in einer Demokratie leben werden oder in einem Polizeistaat."
    "Wir reichen Euch die Hand, aber bremst die Anführer"
    Reden von Abgeordneten der regierenden Partei der Regionen wurden von Zwischenrufen wie "Schande" und "Revolution" unterbrochen. Es kam auch zu Protestrufen, als Ministerpräsident Asarow eine Rede auf russisch hielt. Der Politiker ist selbst in Russland geboren und gilt wie Janukowitsch als Vertrauter des Kremls. Für den gewaltsamen Polizeieinsatz gegen Demonstranten entschuldigte er sich. Eine Wiederholung der Orangen Revolution von 2004 dürfe es nicht geben, sagte er im Parlament und appellierte an die Abgeordneten: "Wir reichen Euch die Hand, aber bremst die Aufrührer, die die Macht übernehmen und das Szenario von 2004 wiederholen wollen." Vor neun Jahren hatten die Massenproteste zum Sturz der Regierung geführt. Asarow versuchte zudem zu beschwichtigen: Bereits in der nächsten Woche solle eine ukrainische Regierungsdelegation zu Gesprächen nach Brüssel reisen.
    Am Montag äußerte sich auch Präsident Viktor Janukowitsch in einem Interview. Dabei sagte er, die Verantwortlichen für die Gewalt gegen Demonstranten am vergangenen Wochenende müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Er selbst reiste am Dienstag für einen Staatsbesuch nach China, wo er mehrere Wirtschaftsabkommen unterzeichnen wollte. Im Anschluss an die dreitägige Visite sollte er Russland besuchen. Zur Begründung sagte er, er habe dabei vor allem die Wirtschaftsinteressen des Landes im Auge.
    Sicht Russlands
    Während die anhaltenden Massenproteste im Westen auf Sympathie treffen, beäugt die russische Regierung die Bewegung mit Sorge: Der Kreml lehnt nicht nur die Forderungen der pro-europäischen Demonstranten ab. Er fürchtet auch, dass die Bewegung nach Osten überspringen und auch der russischen Opposition neues Leben einhauchen könnte. In von der russischen Regierung kontrollierten Fernsehsendern werden die Proteste als aus dem Westen gesteuert und finanziert dargestellt. Die Journalisten stellen die Demonstrationen in Kiew als das Werk gut betuchter Ausländer dar, die sich in die inneren Angelegenheiten des Landes einmischen.
    Der Sender NTV berichtete, viele Protestierende seien von außerhalb in die Hauptstadt gereist. Sie seien "Berufs-Revolutionäre, deren Job es ist, Aufruhr zu organisieren". Der Sender "Rossija" meldete, die ukrainische Opposition erhalte Geld und Training aus dem Ausland, bisweilen verabreicht durch "harmlos wirkende" Nichtregierungsorganisationen, teils aber auch direkt von der US-Botschaft.
    bre mit ap, reuters, dpa, afp

    Hintergrund: DIE UKRAINISCHE OPPOSITION

    Drei Regierungsgegner geben in der Ukraine derzeit den Ton an: Auf der Straße zeigen sich Vitali Klitschko und Arseni Jazenjuk – aus dem Gefängnis heraus ist es Julia Timoschenko. Im aktuellen Kampf gegen die Regierung von Präsident Viktor Janukowitsch tritt die zersplitterte Opposition geeint auf.

    Vitali Klitschko ist international als Boxweltmeister bekannt. In seiner Heimat gilt "Dr. Eisenfaust" als frische Kraft in einer von Korruption und persönlichen Angriffen geprägten Politik. Der 42-Jährige schaffte vor einem Jahr den Einzug ins Parlament mit seiner Partei "Udar". Klitschko hat zudem Ambitionen für das höchste Amt im Land. Kritiker werfen ihm vor, kein klares politisches Konzept zu besitzen. Sein Bruder Wladimir ist ebenfalls ein erfolgreicher Boxer.

    Julia Timoschenko führt die Opposition mit flammenden Appellen aus der Haft heraus. Die Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko ist wegen Amtsmissbrauchs verurteilt. Die EU verlangt die Freilassung der 53-Jährigen. Die in Dnjepropetrowsk geborene Timoschenko stieg durch die Privatisierungswelle nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 zur reichen "Gasprinzessin" auf. Politische Gegner werfen ihr mit Blick auf ihr Privatvermögen vor, keine saubere Weste zu haben. Für viele auch in Westeuropa ist die charismatische Frau mit dem markanten Haarkranz aber immer noch ein Symbol der prowestlichen Orangenen Revolution von 2004.

    Arseni Jazenjuk gilt als Fraktionschef der Vaterlandspartei bei vielen Ukrainern nur als "Platzhalter" für die inhaftierte Julia Timoschenko. Mit seinen Reden bei den Straßenprotesten hat es der 39-jährige Jurist aber geschafft, allmählich aus dem Schatten der übermächtigen Parteikollegin zu treten. Medien in Kiew bezeichnen Jazenjuk oft als blassen Technokraten. Politische Erfahrung besitzt er als ehemaliger Wirtschafts- und Ex-Außenminister jedoch reichlich. Zusammen mit Vitali Klitschko will Jazenjuk ein schlagkräftiges Team bilden, um Präsident Viktor Janukowitsch aus dem Amt zu jagen.

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