Ukraine-Russland-Konflikt: Wie soll Deutschland reagieren?
Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9.05 Uhr bis 11 Uhr mit dem ehemaligen Russland-Korrespondenten Hermann Krause und der Osteuropa-Expertin Gwendolyn Sasse. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254 sowie per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de.
Ukraine-Russland-Konflikt
Wie soll Deutschland reagieren?
Die Lage an der russisch-ukrainischen Grenze bleibt bedrohlich, der Diplomatie zum Trotz. Putin will Sicherheitsgarantien seitens der NATO, die Ukraine militärische Unterstützung aus dem Westen. Was soll Deutschland tun?
Macht Putin ernst oder pokert er nur mit hohem Einsatz? Der Aufmarsch russischer Truppen im Grenzgebiet zur Ukraine hat viele Sorgen und Ängste ausgelöst. Plant der russische Präsident, nach der Annexion der Krim 2014, jetzt die Invasion des Nachbarlandes? Putin lässt solche Pläne dementieren. NATO, EU und die USA sind im Alarmmodus.
Während andere west- und auch osteuropäische Länder die Ukraine mit Waffenlieferungen unterstützen, lehnt die deutsche Regierung einen solchen Schritt ab und setzt auf Diplomatie und Sanktionen, ohne letztere genauer zu benennen. Das sorgt für Kritik im In- und Ausland.
„Wir müssen uns da raushalten“
„Es darf keine Waffenlieferungen an die Ukraine geben, wir müssen uns da raushalten“, sagt Hermann Krause. Der Journalist war von Mitte der 1980er-Jahre bis 2019 Russland-Korrespondent für die ARD. Seither leitet er das Büro des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge in Moskau.
„Unsere Verantwortung ist nicht: Wir geben Waffen", sagt er. "Unsere Verantwortung ist: Wir gehen in den Dialog. Das Problem ist, dass wir die Sicht des Anderen nicht wahrnehmen. Drohungen wie die von Biden, 8000 Soldaten in Alarmbereitschaft zu versetzen, helfen nicht weiter im Umgang mit Russland, weil das Denken hier ein anderes ist. Das wird über geschickte Staatspropaganda geleitet.“
Putin verkaufe seinem Volk die Panzer an der ukrainischen Grenze als Verteidigungsstrategie: „Nicht Russland ist der Aggressor, sondern der Westen, der versucht, über die NATO Einfluss zu nehmen."
Die Eskalation beschäftigt Krause auch persönlich: „1986, als ich anfing, 1991, als die Sowjetunion zusammenbrach, da hatte Russland viele Freunde. Jetzt hat Russland viele Feinde. Was ist da passiert?“
Letztlich seien beide Seiten schuld daran: Es müsse eine Möglichkeit geschaffen werden, wieder aufeinander zuzugehen. Deshalb warnt Krause auch vor weiteren Sanktionen: „Es müsste so etwas wie eine neue Helsinki-Konferenz geben, um zu versuchen, die Spannungen abzubauen.“
Bei Sanktionen klarer sein
„Man sollte das Thema nicht auf die Frage der Waffenlieferungen verengen“, sagt Gwendolyn Sasse, wissenschaftliche Direktorin des Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien in Berlin.
Für Waffenlieferungen gebe es gute Argumente, aber auch gute dagegen. Ein Streit darüber sei nicht hilfreich. „Damit zeigt man Putin nur, wie uneins sich alle sind. Die Stärke der EU hängt nicht davon ab, dass alle Waffen an die Ukraine liefern.“
Die Politikwissenschaftlerin verweist auf die Hoffnungen, die die Ukrainer in Deutschland und die EU setzen: „Sie wollen schon lange, dass ihre Situation ernst genommen wird, dass sie im Westen Fürsprecher haben und nicht allein gelassen werden.“
Das heiße aber, in der Auseinandersetzung mit Putin entschiedener Stellung zu beziehen. Doch gerade da liefere die deutsche Regierung derzeit kein gutes Bild ab, so Sasse. „Bei Sanktionen müsste die deutsche Regierung sehr viel klarer sein, da sind Fehler passiert. Nord Stream 2 ist ein Hebel, den Deutschland und nur Deutschland einsetzen kann.“
(sus)