Ukraine und Soziale Medien
Bilder ausgebrannter Panzer und Analysen über den Krieg in der Ukraine sieht man mittlerweile oft, dabei gerät jedoch leicht das menschliche Leid in Vergessenheit. © Imago / ZUMA Wire
"Der transparenteste Krieg aller Zeiten"
17:28 Minuten
Smartphones, Soziale Medien und kommerzielle Satellitendaten führen zu ungeahnten Einblicken in den Kriegsalltag in der Ukraine. Doch wie hilfreich ist diese Informationsflut und wie sollten sicherheitspolitische Laien damit umgehen?
Ausgebrannte Panzer am Straßenrand, Bombenkrater mitten in der Stadt, Raketen die einschlagen. Über den Angriffskrieg gegen die Ukraine können wir uns dank Sozialer Medien fast in Echtzeit informieren. Neben Bildern aus den betroffenen Gebieten gibt es auch zahlreiche Analysen von außen, zum Beispiel über die Logistikprobleme Russlands.
Frank Sauer ist Politikwissenschaftler an der Universität der Bundeswehr in München. Er betont die hochwertige Qualität der Inhalte, die mittlerweile über die Situation geteilt werden. Durch die Verbreitung von Smartphones vor Ort, aber auch Zugang zu kommerziellen Satellitendaten, handelt es sich nach seiner Einschätzung um den transparentesten Krieg aller Zeiten. Er beobachtet eine ganze Open-Source-Intelligence-Community (OSINT), die Informationen auswertet und aufbereitet.
Mehr Vorsicht geboten
Dadurch würden wir viel mehr über den Krieg erfahren als früher. Doch es sei auch mehr Vorsicht geboten. Denn durch die Art der Quellen befänden wir uns stark in einem ukrainischen Narrativ, da von der russischen Seite kaum etwas zu hören sei. Deshalb sollte man sich nicht der Illusion hingeben, dass das jetzt die transparente, objektive Wahrheit wäre, die man da sehe, so Sauer.
Der Politikwissenschaftler warnt davor, die menschliche Perspektive des Krieges aus dem Auge zu verlieren. Man müsse sich zum Beispiel bei den Bildern von zerstörten russischen Panzern auch klar machen, dass darin ebenfalls Menschen gestorben seien. Deshalb sollte man das nicht bejubeln. Auch wenn der Krieg von Russland begonnen worden sei, komme man sonst schnell in eine relativ abgestumpfte Geisteshaltung.
Nicht nur über Soziale Medien informieren
Sauer weist darauf hin, dass zwischen den guten Analysen auch Desinformation, Fake News oder einfach nur überhastete Meldungen in den sozialen Medien zu finden seien. Zwei Tage später könnten sich diese bereits als falsch herausstellen.
“Wir sehen da nicht das, was wirklich passiert, sondern wir sehen einen bestimmten Ausschnitt", so Sauer. "Das muss man immer reflektieren, wenn man sich diese Sachen anguckt.”
Der Politologe hat Tipps, wie man selbst die Glaubwürdigkeit von Inhalten überprüfen kann. Wenn man auf einem angeblichen Bild aus Kiew Menschen in kurzen Hosen sehe, könne man recherchieren, wie warm es zu diesem Zeitpunkt in der Stadt sei, so Sauer.
Wenn es zwei Grad minus gewesen sei und Schnee gelegen habe, könne die Meldung nicht stimmen. Ansonsten sei es sinnvoll, sich auf verlässliche Anlaufstellen für OSINT zu verlassen, wie beispielsweise das investigative Recherchenetzwerk Bellingcat.
Qualitätsmedien ordnen oft besser ein
Wenn es Zweifel an bestimmten Aussagen gebe, sei es sinnvoll, diese Inhalte nicht weiterzuverbreiten, sondern lieber zu ignorieren, rät der Politologe. Als sicherheitspolitischer Laie könne man Posts von den Sozialen Netzen auch abdocken und sich stattdessen über Qualitätsmedien am nächsten Tag zu informieren. Dort würden Informationen in der Regel besser eingeordnet und auch in einen Kontext gerückt, der sie verständlicher mache.