Ich merke, dass mir in keiner Sprache, die ich spreche, und das sind vier, passende Worte dafür einfallen.
Ukrainischer Musiker Yuriy Gurzhi
Demonstration in Berlin für die Ukraine und gegen Putin: Der deutsch-ukrainische Musiker Yuriy Gurzhi beobachtet, dass auch viele Russen mit demonstrieren. © picture alliance / Geisler Fotopress / Frederic Kern
"Es gibt nie genug Solidarität"
09:46 Minuten
"Schrecklicher als schrecklich" sei der russische Angriff auf sein Heimatland, sagt der in Berlin lebende Musiker Yuriy Gurzhi. Kritisch sieht er Beteuerungen von Deutschen wie "Wir sind mit euch, wir sind bei euch". Das stimme einfach nicht.
Der deutsch-ukrainische Musiker Yuriy Gurzhi war lange Zeit eine Art Brückenbauer zwischen Osteuropa und Westeuropa, unter anderem als Erfinder – gemeinsam mit dem Schriftsteller Wladimir Kaminer – der Partyreihe "Russendisko". Er wurde in der Ukraine geboren, ist dort auch aufgewachsen und lebt seit knapp 30 Jahren in Deutschland. Zum Krieg in seiner Heimat sagt er:
Die russische Invasion sei schrecklicher als schrecklich, die Lage endlos deprimierend und enttäuschend, sagt Gurzhi. Er hat Kontakt zu Dutzenden Freunden in der Ukraine und vor allem zu seiner Familie in Charkiw, wo er bis 1995 lebte: "Ich weiß viel zu viel." Der russische Angriff verändere seinen Blick auf die Situation und auf Russland gar nicht: "Russland treibt diesen Krieg seit acht Jahren schon, das war keine Überraschung, das war schon immer ziemlich klar seit 2014."
Viele Russen auf der Demo in Berlin
Gurzhi freut sich aber über die Dynamik, die er gestern auf einer Demonstration in Berlin erlebte: "Ich habe so viele Russen gesehen wie noch nie auf einer pro-ukrainischen Demo." Könnte Wladimir Putin jetzt auch bei seinen Landsleuten an Rückhalt verlieren? "So hoffe ich, ja. Ich kann mich nicht als optimistischen Menschen bezeichnen, aber ich glaube trotzdem, dass der Krieg wenn nicht heute, möglichst noch diese Woche endet. Und dass Putin immer weniger Anhänger hat."
Im Moment möchte Gurzhi "auf keinen Fall" etwas mit russischer Kultur zu tun haben: "Russland ist gerade leider Feind der Ukraine." Er habe sich nie als Botschafter auch der russischen Kultur verstanden oder erklärt. "Ich habe immer versucht, osteuropäische Kultur von den ehemaligen sowjetischen Republiken hier zu promoten, das hat eine Zeit lang gut funktioniert, aber das waren leider, oder zum Glück, andere Zeiten."
Nachrichten aus den Schutzbunkern
Gibt es in Deutschland genügend Solidarität? "Es gibt nie genug Solidarität. Wenn ich lese 'Wir sind mit euch, wir sind bei euch', das tut natürlich gut, aber im gleichen Moment kommen die Nachrichten aus den Schutzbunkern aus Kiew oder aus Charkiw. Es stimmt eigentlich nicht. Keiner ist mit ihnen da."
Er wünsche sich mehr Aufmerksamkeit und Spenden: "Und wenn Flüchtlinge aus der Ukraine herkommen, hoffe ich, dass man für sie die Tür hier öffnet."