Europa im Kleinen

Ein Blick auf zehn ukrainische Städte

Der Maidan im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt Kiew mit dem Schriftzug "Ich liebe die Ukraine" und dem Hotel Moskau im Hintergrund.
Der Maidan im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt ist zum Symbol für die Identität des ganzen Landes geworden. © Imago /Agencia EFE / Ignacio Ortega Graf
Im Gespräch mit Ricarda Vulpius · 12.03.2022
Die Ukraine ist in ihrer ethnischen, kulturellen und religiösen Vielfalt "Europa im Kleinen". Die Osteuropa-Historikerin Ricarda Vulpius stellt uns zehn ukrainische Städte vor: Kiew, Odessa, Donezk, Lemberg, Jalta, Charkiw, Czernowitz, Dnipro, Poltawa und Kamjanez-Podilskyj.
Putins Kriegspropaganda behauptet, Russen und Ukrainer seien ein Volk. In seinen Reden spricht der russische Präsident dem Nachbarland Ukraine eine eigene Staatlichkeit ab. Auch in Westeuropa verfängt diese Propaganda teilweise.

Die Ukraine ist nah

Die ukrainische Hauptstadt Kiew ist nur rund 1200 Kilometer von Berlin entfernt, genauso wie Rom. Aber politisch und historisch befand sich die Ukraine über Jahrzehnte jenseits des Eisernen Vorhangs und fand als Teil der Sowjetunion neben dem größeren Russland nur wenig Beachtung.
Obwohl das Land mit seinen 40 Millionen Einwohnern sehr wohl eine eigene Geschichte hat, ist vieles über die ukrainischen Wurzeln in West- und Mitteleuropa bis heute weitgehend unbekannt. Dabei findet sich in der Ukraine ein "Europa im Kleinen", in seiner ethnischen, kulturellen und religiösen Vielfalt.

Wir schauen deshalb auf zehn ukrainische Städte und deren europäische Wurzeln: Kiew, Odessa, Donezk, Lemberg, Jalta, Charkiw, Czernowitz, Dnipro, Poltawa und Kamjanez-Podilskyj. Unsere Gesprächspartnerin ist Ricarda Vulpius, Professorin für Osteuropäische und Ostmitteleuropäische Geschichte an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Sie hat in Russland und der Ukraine geforscht und ist Gründungsmitglied der Deutsch-Ukrainischen Historikerkommission.

1. Die Hauptstadt Kiew

Kiew war das Zentrum des mittelalterlichen Kiewer Reiches, das in enger Verbindung mit Westeuropa stand. Auch nach dem Fall des Reiches und dem Sieg der Mongolen blieben enge Verflechtungen Kiews mit dem Westen bestehen. Mit seinem Höhlenkloster, die heiligste Stätte des orthodoxen Glaubens, und zahlreichen anderen historischen Gebäuden ist Kiew kulturelle Wiege der ukrainischen, aber auch der russischen Kultur.
Ukraine als Europa im Kleinen

Wie kulturelle Bildung über Kiew nach Russland kam

07.03.2022
06:37 Minuten
Sahajdatschny-Denkmal auf dem Kontraktowa-Platz im Stadteil Podil in Kiew. Der Platz ist einer der ältesten Kiews. Die Statue zeigt Petro Konaschewitsch-Sahajdatschny (ukr. Петро Конашевич Сагайдачний, pol. Piotr Konaszewicz-Sahajdaczny); *1570 in Kulchyntsi, damals Königreich Polen, heute Ukraine; † 20. März 1622 in Kiew. Er war ein ukrainischer Militärführer, Politiker und Ataman der Saporoger Kosaken in den Jahren 1614–1622.

Petro Sahajdatschny nahm mit seinen Kosaken an der Seite Polen-Litauens am Krieg gegen das Osmanische Reich teil, was wesentlich zum Erfolg der Abwehr türkischer Aggression beitrug.
Sahajdatschny-Denkmal auf dem Kontraktowa-Platz im Stadteil Podil in Kiew. Der Platz ist einer der ältesten Kiews. Die Statue zeigt Petro Konaschewitsch-Sahajdatschny (ukr. Петро Конашевич Сагайдачний, pol. Piotr Konaszewicz-Sahajdaczny); *1570 in Kulchyntsi, damals Königreich Polen, heute Ukraine; † 20. März 1622 in Kiew. Er war ein ukrainischer Militärführer, Politiker und Ataman der Saporoger Kosaken in den Jahren 1614–1622.

Petro Sahajdatschny nahm mit seinen Kosaken an der Seite Polen-Litauens am Krieg gegen das Osmanische Reich teil, was wesentlich zum Erfolg der Abwehr türkischer Aggression beitrug.
Sahajdatschny-Denkmal auf dem Kontraktowa-Platz im Stadteil Podil in Kiew. Der Platz ist einer der ältesten Kiews. Die Statue zeigt Petro Konaschewitsch-Sahajdatschny (ukr. Петро Конашевич Сагайдачний, pol. Piotr Konaszewicz-Sahajdaczny); *1570 in Kulchyntsi, damals Königreich Polen, heute Ukraine; † 20. März 1622 in Kiew. Er war ein ukrainischer Militärführer, Politiker und Ataman der Saporoger Kosaken in den Jahren 1614–1622.

Petro Sahajdatschny nahm mit seinen Kosaken an der Seite Polen-Litauens am Krieg gegen das Osmanische Reich teil, was wesentlich zum Erfolg der Abwehr türkischer Aggression beitrug.
Der Stadtteil Podil ist eine der ältesten Ecken der Stadt und war vor vielen Jahrhunderten das Handelszentrum Kiews. Auf dem Kontraktowa-Platz steht heute das Sahajdatschny-Denkmal.© imago / imagebroker / G. Thielmann

2. Odessa am Schwarzen Meer

Der ukrainischen Hafenstadt Odessa ist weltoffen und hat einen besonderen Zauber. Die multikulturelle Bevölkerung und eine starke jüdische Tradition sind charakteristisch für Odessa.
Ukraine als Europa im Kleinen

Kriegsgefahr für den Sehnsuchtsort Odessa

08.03.2022
06:28 Minuten
Blick auf den Primorsky Boulevard, an der Spitze der Potemkinschen Treppe in der ukrainischen Hafenstadt Odessa.
Blick auf den Primorsky Boulevard, an der Spitze der Potemkinschen Treppe in der ukrainischen Hafenstadt Odessa.
Blick auf den Primorsky Boulevard, an der Spitze der Potemkinschen Treppe in der ukrainischen Hafenstadt Odessa.
Die Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer ist ein kultureller Sehnsuchtsort. Nun fürchten viele ihre Zerstörung im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. © picture alliance / imageBroker / Michael Runkel

3. Donezk im ukrainischen Kohlerevier

In der Sowjetzeit war Donezk die Stadt der Schwerindustrie und der Millionen Rosen. Das Zentrum des ukrainischen Kohlereviers ist seit 2014 unter Kontrolle der international nicht anerkannten „Volksrepublik Donezk“.
Die Ukraine ist Europa im Kleinen

Donezk - Leben unter Besatzung

09.03.2022
06:46 Minuten
Blick auf Plattenbauten im Zentrum der ukrainischen Stadt Donezk, die seit 2014 von Separatisten kontrolliert wird.
Blick auf Plattenbauten im Zentrum der ukrainischen Stadt Donezk, die seit 2014 von Separatisten kontrolliert wird.
Blick auf Plattenbauten im Zentrum der ukrainischen Stadt Donezk, die seit 2014 von Separatisten kontrolliert wird.
Weil Donezk nach den Verwüstungen durch die deutsche Wehrmacht nach 1945 völlig neu aufgebaut wurde, ist es eine von der sowjetischen Architektur geprägte Stadt. © picture alliance / dpa /Tass / Alexander Ryumin

4. Lemberg – Stadt der vielen Kulturen

Die Stadt Lemberg (Lwiw) in der Westukraine hat eine reiche Kulturgeschichte. Das sowjetische Erbe ist eher klein, die Sowjetunion hat die Stadt wenig geprägt. Heute ist sie besonders patriotisch gestimmt.
Die Ukraine ist Europa im Kleinen

Lemberg - die patriotische Stadt

10.03.2022
07:39 Minuten
Das Opernhaus von Lemberg im Zentrum der Stadt.
Das Opernhaus von Lemberg im Zentrum der Stadt.
Das Opernhaus von Lemberg im Zentrum der Stadt.
Lemberg zählt zu den schönsten Städten der Ukraine und blickt auf ein reiches kulturelles Erbe zurück. Das Opernhaus ist ein architektonisches Schmuckstück.© Imago / GlobalImagens / Andr Luis Alves

5. Jalta – Kurstadt auf der Krim

Für den russischen Adel war Jalta einst der Modekurort schlechthin. Historisch ist der Badeort vor allem mit der Konferenz von Jalta 1945 und der Aufteilung Europas in Einflusszonen verbunden.
Die Ukraine ist Europa im Kleinen

Jalta weckt historische Erinnerungen

11.03.2022
06:00 Minuten
Das neugotische Schloss Schwalbennest in Jalta mit Blick auf das Meer.
Das neugotische Schloss Schwalbennest in Jalta mit Blick auf das Meer.
Das neugotische Schloss Schwalbennest in Jalta mit Blick auf das Meer.
Als rote Riveria galt der Kurort Jalta in der Sowjetzeit. Heute ist die ukrainische Stadt auf der Krim von Russland annektiert und lockt nur noch wenige Touristen an. © Imago / SNA / Konstantin Mihalchevskiy

6. Charkiw – Stadt der Kultur und Wissenschaft

Die zweitgrößte Stadt der Ukraine ist ein Zentrum der Kultur und Wissenschaft. Jugendstil und Klassizismus prägen das Straßenbild. Charkiw hat eine lebendige Zivilgesellschaft. 2014 fanden hier Hunderttausende Flüchtlinge aus dem Donbass Zuflucht.
Die Ukraine ist Europa im Kleinen

Charkiw – Stadt der Kultur und Wissenschaft

14.03.2022
05:48 Minuten
Das langgestreckte Universitätsgebäude von Charkiw erhebt sich über einem grünen Laubwald vor strahlend blauem Himmel.
Das langgestreckte Universitätsgebäude von Charkiw erhebt sich über einem grünen Laubwald vor strahlend blauem Himmel.
Das langgestreckte Universitätsgebäude von Charkiw erhebt sich über einem grünen Laubwald vor strahlend blauem Himmel.
Die Universität von Charkiw ist die älteste des Landes. Sie war ein Zentrum der ukrainischen Nationalbewegung.© imago images / agefotostock / man_kelly

7. Czernowitz – Hauptstadt der Bukowina

Czernowitz im Südwesten der Ukraine hat schon viele Herrscher gehabt: Seit 1775 die Österreicher, nach dem Ersten Weltkrieg die Rumänen und von 1944 bis 1991 die Sowjetunion. Während der Zugehörigkeit zur Habsburger Monarchie gab es zwei deutschsprachige Zeitungen in der größten Stadt der Bukowina. Eines der architektonischen Highlights ist die Residenz des Metropoliten, die zum Weltkulturerbe gehört.
Die Ukraine ist Europa im Kleinen

Czernowitz – Hauptstadt der Bukowina

15.03.2022
07:50 Minuten
Ein Ziegelbau mit Türmen und Kuppeln steht in einem Park mit akkurat geschnittenen Hecken, die den Blick auf das Gebäude lenken.
Ein Ziegelbau mit Türmen und Kuppeln steht in einem Park mit akkurat geschnittenen Hecken, die den Blick auf das Gebäude lenken.
Ein Ziegelbau mit Türmen und Kuppeln steht in einem Park mit akkurat geschnittenen Hecken, die den Blick auf das Gebäude lenken.
Weltkulturerbe in der Bukowina: Die frühere Bischofsresidenz von Czernowitz beherbergt heute einen Teil der Universität.© imago / imagebroker / Helmut Meyer zur Capellen

8. Dnipro – Industriestadt im Wandel

Katharina die Große wollte hier ein "Petersburg des Südens" errichten: Doch einen Namen machte sich Dnipro im 19. und 20. Jahrhundert als industrielles Zentrum und langjährige Rüstungsschmiede der Sowjetunion. Heute ist die Stadt am Dnjepr die Finanzmetropole der Ukraine.
Die Ukraine ist Europa im Kleinen

Dnipro – Industriestadt im Wandel

16.03.2022
07:00 Minuten
Blaue und gelbe Laserstrahlen von fünf ehemaligen Industrieschornsteinen kreuzen sich im Himmel über der nächtlichen Skyline von Dnipro, deren Lichter sich im Fluss spiegeln.
Blaue und gelbe Laserstrahlen von fünf ehemaligen Industrieschornsteinen kreuzen sich im Himmel über der nächtlichen Skyline von Dnipro, deren Lichter sich im Fluss spiegeln.
Blaue und gelbe Laserstrahlen von fünf ehemaligen Industrieschornsteinen kreuzen sich im Himmel über der nächtlichen Skyline von Dnipro, deren Lichter sich im Fluss spiegeln.
Industriestadt in neuem Licht: Beim Festival "Light Flowers" erhellen Laserstrahlen von ehemaligen Fabrikschornsteinen den Himmel über Dnipro.© picture alliance / Photoshot / Avalon / Mykola Miakshykov

9. Poltawa – Wo Geschichte geschrieben wurde

Poltawa liegt im Zentrum der Ukraine, am Fluss Worskla. Die äußerst geschichtsträchtige Stadt war der Stützpunkt der ukrainischen Kosaken, die sich 1648 nach einem Volksaufstand von Polen lossagten und das sogenannte Hetmanat gründeten. Als eine Art Geburtsstunde Poltawas gilt jedoch die nach der Stadt benannte Schlacht 1709. Russland besiegte damals die schwedisch-ukrainische Allianz, besiegelte damit den Untergang Schwedens als Großmacht und den eigenen Aufstieg.
Die Ukraine ist Europa im Kleinen

Poltawa – Wo Geschichte geschrieben wurde

17.03.2022
06:18 Minuten
Ein Gemälde zeigt Soldaten auf Pferden und zu Fuß in der Schlacht: Gemälde von der Schlacht bei Poltawa 1709.
Ein Gemälde zeigt Soldaten auf Pferden und zu Fuß in der Schlacht: Gemälde von der Schlacht bei Poltawa 1709.
Ein Gemälde zeigt Soldaten auf Pferden und zu Fuß in der Schlacht: Gemälde von der Schlacht bei Poltawa 1709.
Das Gemälde des Künstlers Jean Marc Nattier zeigt die Schlacht von Potawa 1709: Peter der Große schlägt damals den Schwedenkönig Karl XII., Russland steigt zur Großmacht auf.© picture-alliance / akg-images

10. Kamjanez-Podilskyj – Die Vielvölkerstadt

In Kamjanez-Podilskyj siedelten sich unterschiedlichste Volksgruppen an, lebten in friedlicher Koexistenz miteinander: Polen, Armenier, Juden und Ukrainer. Jede Gruppe hatte ihren eigenen Marktplatz und ein eigenes Rathaus. Symbol eines friedlichen Miteinanders ist die Peter-und-Paul-Kathedrale, die um 1370 errichtet wurde und trotz zahlreicher Herrscherwechsel unangetastet blieb. Die Altstadt wird fast vollständig von dem Fluss Smotrytsch umschlossen. Jenseits ragt eine mächtige Burg auf einem steilen Felsen empor.

Die Vielvölkerstadt - Kamjanez-Podilskyj

18.03.2022
05:57 Minuten
Zeichnung einer Stadt, gelegen auf Felsen, umschlossen von einem Fluss: eine der ersten Autotypien der Stadt Kamjanez-Podilskyj von 1884.
Zeichnung einer Stadt, gelegen auf Felsen, umschlossen von einem Fluss: eine der ersten Autotypien der Stadt Kamjanez-Podilskyj von 1884.
Zeichnung einer Stadt, gelegen auf Felsen, umschlossen von einem Fluss: eine der ersten Autotypien der Stadt Kamjanez-Podilskyj von 1884.
Eine der ersten Autotypien der Stadt Kamjanez-Podilskyj von 1884.© picture alliance / Bildagentur-online/Sunny Celeste