"Wir haben für das Abkommen gekämpft auf dem Maidan"
Die meisten Ukrainer blicken heute wenig zuversichtlich auf die Niederlande: "Wir werden dieses Referendum verlieren", sagen viele. Ein Nein der Niederländer könnte den euroskeptischen Parteien in der Ukraine Auftrieb geben.
Zahlreiche ukrainische Aktivisten waren in den vergangenen Monaten in die Niederlande gereist , unter anderem Bürgerrechtler sowie Schwulen- und Lesbengruppen. Auch Vasyl Miroschnytschenko hat sich monatelang gemüht, er leitete ein Büro, das die ukrainischen Veranstaltungen koordinierte.
"Wenn die Menschen hören, dass die Ukraine im Moment mit Russland kämpft, dann haben sie einfach Angst. Sie glauben, dass noch mehr Flüchtlinge zu ihnen kommen könnten. Dann noch die Attentate in Brüssel - und gleich der Gedanke: Aus der Ukraine könnten noch mehr illegale Waffen einschleust werden. Aus diesen Themen können die Gegner des Abkommens leicht Profit schlagen."
Dabei haben solche Befürchtungen wenig mit dem Assoziierungsabkommen zu tun: Es sieht weder vor, dass die Grenzkontrollen abgebaut werden, noch dass Ukrainer sich frei in der EU ansiedeln können.
Die kritische Stimmung gegenüber der EU spielt den Gegnern des Abkommens in die Hände. Zur Unzeit komme das Referendum, klagte deshalb der ukrainische Präsident Petro Poroschenko.
Ukrainische Experten werfen ihm allerdings vor, dass er selbst am schlechten Image der Ukraine Mitschuld hat, so der Politologe Viktor Taran:
"Gerade hat sich herausgestellt, dass auch Poroschenko Firmen im sogenannten Steuerparadies Panama hat. Seine Name taucht in diesem internationalen Skandal auf. Das wird die Abstimmung beeinflussen. Vergangene Woche zeigten Umfragen, dass die Ukraine-Gegner in den Niederlanden einen Vorsprung von sechs Prozentpunkten hatten. Jetzt dürfte es einiges mehr sein."
Angst vor dem politischen Signal
Experten betonen, dass die Abstimmung keine unmittelbare Auswirkung auf die Beziehungen zwischen der Ukraine und der EU hat. Die Bestimmungen des Assoziierungsabkommens gelten schon vorläufig seit Jahresbeginn, die Ukraine gleicht ihre Standards bereits an diejenigen der Europäischen Union an.
Weite Teile des Abkommens beträfen ohnehin die Kompetenz der EU, Brüssel könne hier eine sogenannte technische Anpassung vornehmen, sagt Moritz Junginger vom Büro der Konrad Adenauer-Stiftung in Kiew. Schwerwiegender sei das politische Signal, das von einem "Nein" aus den Niederlanden ausgehen würde, so Junginger:
"Was wir dabei nicht vergessen dürfen, ist, dass dieses Abkommen, das für viele sehr unspektakulär wirkt, für die Ukraine eine sehr große Bedeutung hat und eben auch diese emotionale Komponente. Wenn sie hier Menschen fragen, wenn sie Vertreter der Zivilgesellschaft fragen, dann sagen die, wir haben für das Abkommen gekämpft auf dem Maidan. Im Winter 2013/2014 sind wir auf die Straße gegangen, um für den europäischen Weg der Ukraine zu kämpfen und eben damit auch für dieses Abkommen."
Eine deutliche Niederlage für die Ukraine könnte sich auch auf mögliche Neuwahlen auswirken. Schon vor anderthalb Monaten hat die Regierung die Mehrheit im Parlament verloren. Sollten sich die Fraktionen nicht bald auf eine neue Regierungskoalition einigen, muss es Wahlen geben. Bei denen hätten die euroskeptischen Parteien dann einen Trumpf mehr in der Hand, falls die Niederländer mit Nein stimmen.
Das gilt nicht nur für den eher Russland zugewandten Oppositionellen Block, sondern auch für nationalistische Parteien, die dem Westen zu viel Einflussnahme auf ihr Land vorwerfen.