Plattform "Antiwarcoalition"
Das Werk "Color Matching" des Künstlers Francis Alys aus dem Jahr 2016 zeigt eine Szene aus Mossul im Irak. © ZKM / Fracis Alys
Kunst, die den Krieg hör- und sichtbar macht
10:59 Minuten
Eine neue Kunstplattform beschäftigt sich mit dem Krieg in der Ukraine. Die Kuratorin Tatiana Kochubinska sieht die Plattform perspektivisch als Archiv und Ort für gesellschaftliche Analysen. Kunst habe die Möglichkeit zu radikalen Gesten, betont sie.
Mit einer neuen Plattform wollen Künstlerinnen und Künstler aus der Ukraine, Belarus, Serbien, Polen und Deutschland den russischen Invasoren in der Ukraine etwas entgegensetzen. Dafür haben sie die "Antiwarcoalition.art" initiiert, die nun am Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe vorstellt wurde.
Auf der Webseite sind nicht nur neue Werke ausgestellt, sondern unter anderem auch eine Audioarbeit des ukrainischen Künstlers Sasha Kurmaz aus dem Jahr 1968 mit dem Titel "Alarming Symphony", die mit ihrem Sirenengeheul aktueller nicht sein könnte.
"Gerade als Bürgerin fühle ich mich hilflos", berichtet eine der Kuratorinnen der "Antiwarcoalition", Tatiana Kochubinska, die sich derzeit in Kiew aufhält. "Die Situation ist gerade sehr schwierig zu ertragen." Besonders schwer sei es, dabei zuzusehen, wie Infrastruktur, Krankenhäuser oder Kraftwerke in ihrem Land durch die russische Kriegsführung zerstört würden.
Viele ihrer geplanten Projekte für dieses Jahr seien durch den Krieg in der Ukraine blockiert, so Kochubinska. Daher investiere sie viel Zeit in die Kunstplattform. "Sie soll über den Krieg hinaus als Archiv wirken, als Ort für gesellschaftliche Analysen, wo man schauen kann, wie Unterdrückung stattfindet." Kochubinska sieht die "Antiwarcoalition" daher als langfristiges Projekt, das über den Krieg in ihrem Land hinaus weiterbetrieben werden soll.
Kunst in der Krise
An der Antikriegsplattform könne sich jeder und jede weltweit beteiligen, erklärt Kochubinska - auch russische Kunstschaffende. Diese sind derzeit aber nicht vertreten. Sie sei generell dagegen, russische Kunst zu isolieren, habe aber auch deutliche Erwartungen, sagt die Kuratorin. Ein zentrales Thema sei für sie die Aufarbeitung der Kolonialisierungsgeschichte Russlands. "Ich möchte eine Debatte um angebliche 'Brudervölker' wie Russen, Ukrainer und Belarussen vermeiden." Russische Teilnehmende müssten sich davon eindeutig distanzieren.
Welche Bedeutung Kunst überhaupt in Kriegs- und Krisenzeiten wie diesen hat, erklärt Kochubinska so: "Kunst kann den Krieg vermutlich nicht aufhalten, aber Probleme beschreiben, sie hörbar und sichtbar machen." Sie habe die Möglichkeit für radikale Gesten.
Als Beispiel für das Wirken von Kunst als Archiv nennt Kochubinska die Werke des serbischen Künstlers Vladimir Miladinovic, der Dokumente des Krieges in Jugoslawien mit Kohlezeichnungen überarbeitet hat. Er verarbeite damit das Nachkriegstrauma und bringe es in andere Dimensionen, betont die Kuratorin.
(lsc)