Ukrainische Theaterautorin in Deutschland

"Die Kultur ist Teil der russischen Kriegsführung"

14:51 Minuten
Anastasiia Kosodii in einem langen Mantel auf der Straße.
Explizit politische Autorin: Anastasiia Kosodii wird für ein Jahr in Mannheim arbeiten. © Nationaltheater Mannheim / Christian Kleiner
Anastasiia Kosodii im Gespräch mit Vladimir Balzer |
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Der Krieg in der Ukraine hat auch Theaterleute zu Geflüchteten gemacht. Die junge Dramatikerin Anastasiia Kosodii wurde jetzt vom Nationaltheater Mannheim als Hausautorin eingestellt. Mit dem Krieg in ihrer Heimat hat sie sich schon oft beschäftigt.
Die Dramatikerin Anastasiia Kosodii gehört zu den vielen, die vor der russischen Invasion aus der Ukraine flüchten mussten. Als gesellschaftlich und politisch engagierte Autorin hat sie sich immer wieder mit den Konflikten in der Ukraine befasst. Nach Beginn des russisch-ukrainischen Krieges 2014 arbeitete sie in kleineren Frontstädten in der Ostukraine mit Kriegsflüchtlingen in Theaterprojekten.

Bombenalarm während der Theateraufführungen

Am Nationaltheater Mannheim wird sie ab der kommenden Spielzeit Hausautorin sein. Kosodii freut sich auf ihre Zeit in Deutschland und ebenso darüber, dass in der Ukraine wieder an vielen Orten Theater gespielt wird, darunter auch in ihrer Heimatstadt Saporischschja.

Oft werden die Aufführungen vom Bombenalarm unterbrochen. Dann müssen Zuschauer und Schauspieler gemeinsam in den Luftschutzkeller. Danach geht es weiter. Sicherheit geht vor, auch wenn das Künstlerische leiden muss. Einige Freunde von mir haben ihre Stücke gleich in den Keller verlegt. Sie machen Dokumentartheater und thematisieren den Kriegsalltag.

Theaterautorin Anastasiia Kosodii

Gerade die Off-Theaterszene habe inhaltlich sehr schnell auf den Krieg reagiert. Viele ihrer Kollegen schrieben quasi für den Export in andere europäische Länder. Sie habe kürzlich ebenfalls einen Auftrag bekommen, etwas für das Ausland zu schreiben, sagt Kosodii.
"Die ukrainische Kultur war bisher in Europa wenig bekannt. Das muss sich ändern, damit sie sich in der Wahrnehmung von der russischen emanzipieren kann, mit der sie immer wieder in Verbindung gebracht wird."

Roadmovie über die eigene Flucht

Viele Theater des Landes hätten den Krieg in der Ostukraine über viele Jahre ignoriert. Nun habe man sich daran erinnert, dass Autorinnen und Autoren seit 2014 darüber geschrieben haben und befasse sich damit. Über ihre eigene Flucht mit Freunden hat sie selbst eine Art Roadmovie geschrieben.
"Kurz nach meiner Flucht stand ich knapp vor einem Zusammenbruch, als ich begriff: Früher half ich Flüchtlingen, jetzt bin ich selbst eine von ihnen", sagt Kosodii.
Im Theaterbereich habe es schon viele deutsch-ukrainische Verbindungen gegeben, die jetzt stärker würden. Sie findet es aber problematisch, wenn sie mit russischen Theaterschaffenden auf einem Podium sitzen soll.

Keine Stücke mehr auf Russisch

"Wir Ukrainer brauchen nicht immer Verstärkung von Russen, auch nicht von Belarussen. Russische Künstler sollten jetzt schweigen. Die ukrainische Kultur befreit sich gerade innerlich von der russischen, denn diese ist Teil der russischen Kriegsführung." Deswegen schreibe sie keine Stücke mehr in der russischen Sprache.
Schon in den 1930er-Jahren habe man in der Sowjetunion mit der Vernichtung der ukrainischen Kultur und Sprache begonnen, sagt Kosodii. Bis heute sei man dadurch Objekt und nicht Subjekt. Wenn Russland den Krieg verloren habe, könnten ukrainische und russische Künstler wieder aufeinander zugehen.
In Mannheim möchte sie zu Beginn theatrale Arbeit mit Geflüchteten aus der Ukraine machen. "Sie sollen zuerst ihre Traumata verarbeiten, Theater ist da hilfreich, ein Stück kommt dann später."
(rja)
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