Ulrich Beck: Die Metamorphose der Welt
Aus dem Englischen von Frank Jakubzik
Suhrkamp. Berlin 2016
267 Seiten, 25 Euro
Birgt der Klimawandel Chancen für den Weltfrieden?
Der Soziologe Ulrich Beck beschäftigt sich in seinem Buch "Die Metamorphose der Welt" mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesellschaft. Nationalstaaten würden angesichts der globalen Bedrohung an Bedeutung verlieren.
Dieses Buch beginnt mit dem Tod seines Autors. Am 1. Januar 2015 begeben sich Ulrich Beck und seine Ehefrau auf einen Neujahrsspaziergang durch ein winterlich verschneites München. Gerade hat er die erste Fassung seiner "Metamorphosen der Welt" fertiggestellt. Er diskutiert mit seiner Frau, versucht Ideen zuzuspitzen und Bilder zu präzisieren. Dann ereilt ihn plötzlich ein Infarkt, er stirbt, noch im Englischen Garten.
Dennoch konnte Becks Buch erscheinen. Es zunächst auf Englisch zu veröffentlichen entsprach seinem Selbstverständnis als Mitglied einer internationalen Community von Wissenschaftlern. Seine Witwe und seine wissenschaftlichen Gefährten brachten es zu Ende, füllten Leerstellen, enträtselten Metaphern und brachten deutsch klingende Sätze in ein besseres Englisch. In Teilen merkt man dem Buch die Unfertigkeit und das Suchende noch an. Daraus keinen Hehl zu machen, spricht für seine Herausgeber. Heute erscheint es in deutscher Übersetzung.
Die Wiederbelebung von Nationalismen sind Rückzugsgefechte
Ulrich Beck nimmt zunächst den Blick dessen ein, der die Welt nicht mehr begreift: Ihm geht es wie Kafkas Gregor Samsa, der eines Morgens erwacht und entdeckt, dass etwas anders ist - aber nicht er, sondern die Welt hat sich verwandelt. Mauerfall, 11. September, Fukushima, die Finanzkrise, Edward Snowdon: Was gestern noch undenkbar schien, ist plötzlich bereits geschehen. Und die Tatsache, dass alle dabei zusehen, macht ihn und uns zu Kosmopoliten, ob wir wollen oder nicht.
Die Wiederbelebung von Nationalismen, der kleinliche Rückzug aufs Wir, die Abgrenzung beispielsweise der AfD gegen die Welt sind demnach Rückzugsgefechte. Denn im Klimawandel, sagt Beck, wird der Nationalstaat endgültig nutzlos. Und nach dem Hurrikan Katrina oder der Überschwemmung Manhattans dringt das auch in das Bewusstsein von uns Bewohnern der Luxusetagen dieser Welt.
Beck versucht, uns die Art der Verwandlung klar zu machen. Denn "wir alle wissen, dass die Raupe sich in einen Schmetterling verwandeln wird. Aber weiß es die Raupe auch?" Die Metamorphose der Welt ist für uns nicht gleich zu durchschauen. Wir sind ihre Ursache und ihr Produkt.
Beck: Kriege werden durch den Klimawandel unwahrscheinlicher
Beck will Katastrophiker ebenso entlarven wie blinde Optimisten. Keiner ihrer Befunde sei richtig. Zwar komme der Klimawandel als Katastrophe daher. Weil er aber grenzüberschreitendes Handeln notwendig mache, verschwinde das alte Freund-Feind-Denken, Kriege würden unwahrscheinlicher. Und Zweiflern am Klimawandel ruft er zu: Es ist wie mit Blaise Pascals pragmatischem Gottesbeweis - wir wissen nicht, ob es den Klimawandel gibt, entscheiden uns aber dafür, an ihn zu glauben. Wenn es ihn gibt, haben wir das Richtige getan. Wenn nicht, profitieren wir trotzdem.
Beck plädiert am Ende für eine "kosmopolitische Perspektive", gerade im Angesicht kommender Naturkatastrophen. Menschen und Gemeinschaften sollten, egal wo sie sind, nicht mehr als Opfer, sondern als Weltbürger angesehen werden, mit Rechten, die zu schützen seien. Die Metamorphose der Welt bringe Gutes wie Schlechtes, ineinander verwoben. Ulrich Beck will, dass wir erkennen: Wir sind die Raupe, die weiß, dass aus ihr ein Schmetterling werden kann. Sein Buch ist ein notwendiges Buch. Die Mühen, es zu vollenden, waren es wert.