Ulrich Enzensberger

Der ehemalige Kommunarde

Ulrich Enzensberger
Autor und Übersetzer Ulrich Enzensberger zu Gast im Deutschlandradio Kultur © Deutschlandradio / Jana Demnitz
Ulrich Enzensberger im Gespräch mit Klaus Pokatzky |
Ulrich Enzensberger ist Mitgründer der legendären Kommune 1. Im Gespräch erzählt er von damals und warum er froh ist, nicht mehr in einer Wohngemeinschaft zu leben.
Ulrich Enzensberger ist Mitgründer der legendären Kommune 1. Im Gespräch erzählt er von damals und warum er froh ist, nicht mehr in einer Wohngemeinschaft zu leben.

Den Affen Zucker geben

Er sieht sich eher als Erzähler denn als Romancier, sagt Ulrich Enzensberger. Und zu erzählen hat der Schriftsteller einiges: In den 60er-Jahren war der heute 72-Jährige Mitbegründer der Kommune 1, über die er ein Buch geschrieben hat, und er soll an der Planung des berühmten Puddingattentats auf den damaligen US-Vizepräsidenten Hubert H. Humphrey beteiligt gewesen sein. Und den Mythos von der freien Liebe hätten die Kommunarden gerne bedient, sagt Enzensberger im Deutschlandradio Kultur:
"Wir haben dem Affen immer Zucker gegeben. Wir haben das immer gern gelesen, was über uns geschrieben wurde und gerade, wenn es ganz toll war, dann haben wir das natürlich noch bedient. Das hat uns sehr gefallen, diese ganzen Vorurteile einfach aufzublasen bis sie platzen."
Ulrich Enzensberger wuchs als der jüngste von vier Brüdern in Nürnberg auf. Einer seiner Geschwister ist der Schriftsteller Hans-Magnus Enzensberger. Mit einer gewissen Nostalgie erinnert er sich an seine Kindheit nach dem Krieg:
"Dieser zerstörte Nürnberg war natürlich für Kinder ein einziger Spielplatz, da sind wir die Ruine rauf und runter geklettert, na ja, ich will nicht schöne Kindheit sagen, aber irgendwie eine gewisse merkwürdige Freiheit – man konnte Feuer machen in diesem Park, das muss man sich vorstellen. Mit Laub konnte man wahnsinnige Spiele machen."

Die verrücktesten Vögel in der Umkehranstalt

Als überzeugter Kommunist habe er nach seinem Studium länger in einer Fabrik gearbeitet und sei überrascht gewesen von den Arbeitern, die er dort traf:
"Ende meines Studiums habe ich richtig zwei Jahre gearbeitet, passenderweise in einer Umkehranstalt, also Filmentwicklung, und das war eigentlich ganz toll, dass ich es gemacht habe, das habe ich nie bereut, weil ich habe die größten Individualisten der Welt kennengelernt. Das war ganz verrückt, weil man dachte, Mensch die Proletarier, die graue Masse und was stelle ich fest, das waren die verrücktesten Vögel!"
Später hat er als Journalist und Übersetzer gearbeitet und über den Weltumsegler Georg Forster ebenso geschrieben wie über den Begriff des Parasiten. Heute ist er froh, nicht mehr in einer Kommune zu leben und kann sich für die Idee des Liberalismus erwärmen:
"Nein, so ein in der Wolle gefärbter Liberaler bin ich nicht, das kann ich nicht sagen. Aber der Liberalismus hat ja auch so eine anarchistische Seite und hat mich schon immer angesprochen und natürlich das Antiautoritäre. Ja, der Liberalismus hat schon seine Vorzüge."
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