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"Eine Farce"
08:07 Minuten
Der russische Regisseur Kirill Serebrennikow muss nicht ins Gefängnis. Ein Gericht in Moskau verhängte eine Bewährungsstrafe. Der Prozess sei eine Farce gewesen, sagt der Intendant des Deutschen Theaters, Ulrich Khuon.
Der Prozess gegen den regierungskritischen Regisseur Kirill Serebrennikow ist nach rund drei Jahren zu Ende gegangen. Der international renommierte Theatermacher wurde von einem Gericht in Moskau schuldig gesprochen. Sein Urteil: Drei Jahre auf Bewährung und eine hohe Geldstrafe. Er soll Fördergelder veruntreut haben.
Er sei "zerrissen", sagt Ulrich Khuon, Intendant des Deutschen Theaters. Der Schuldspruch und die "Unterstellung, dass Kirill Serebrennikow einer kriminellen Vereinigung vorsteht", sei nicht nachvollziehbar. Der Prozess sei "eine Farce" gewesen und habe "rechtsstaatlichen Grundsätzen an vielen Stellen widersprochen".
Erleichterung trotz Verurteilung
Er sei sehr besorgt um Serebrennikow gewesen. Deswegen löse die Bewährungsstrafe erst mal eine große Angst. "Ich bin froh, dass Kirill Serebrennikow künstlerisch weiter arbeiten und sich in Moskau bewegen kann", sagt Khuon. "Das meine ich mit Zerrissenheit", erklärt er.
Die Bewährungsstrafe zeige, dass der russische Staat kritischen Künstlern ein Signal sende. Das Urteil bedeute nichts anderes als: "Ihr seid unter Beobachtung, wir können euch jederzeit festsetzen und diese Strafe in etwas Schlimmeres verwandeln", sagt Khuon.
"Dieser Fall ist eindeutig auch ein symbolisches Handeln", sagt Khuon. Der russische Staat signalisiere, es gäbe Kunstfreiheit und die Vorwürfe im Prozess seien andere, dabei werde in Wirklichkeit ein Signal an alle Künstlerinnen und Künstler gesendet, nicht zu kritisch zu werden.
Einschüchterung der Kulturszene
Das Ziel sei Einschüchterung, meint Khuon. "Ich habe aber den Eindruck, dass nicht nur bei Kirill, sondern auch bei vielen Künstlerinnen und Künstlern viel Selbstbehauptungswillen da ist", sagt er.
Kirill Serebrennikow sei möglicherweise ins Blickfeld geraten, weil er eine Art Symbol sei: homosexuell und international erfolgreich. "Er wird in der ganzen Welt wahrgenommen und hat ein gesellschaftskritisches Programm", so Khoun. Das würde nicht passen zu der Tendenz, die derzeit in Russland vorherrsche: Kunst solle keinen Widerspruch leisten, sondern das Nationalistische stärken, glaubt Khoun.
In Berlin hatten deutsche Theaterschaffende gegen die Verurteilung demonstriert. Etwa 120 Protestierende versammelten sich vor der russischen Botschaft, unter ihnen der Schauspieler Lars Eidinger, der künstlerische Leiter der Schaubühne, Thomas Ostermeier, und auch Ulrich Khuon.
"Ich glaube, dass Protest absolut notwendig ist. Der Protest aus aller Welt wird gehört und hat eine große Bedeutung für die Künstler selber", so Khuon. "Welchen Einfluss das auf Entscheidungen hat, das kann man nur mutmaßen."
Aber es sei wichtig, der russischen Rechtssprechung zu signalisieren, dass sie von der Weltöffentlichkeit beobachtet und Willkür angeprangert werde.
Kirill Serebrennikow möchte gegen das Urteil kämpfen und Einspruch einlegen.
(nho)