Regina Leßner: Ulrike Meinhof - Mythos und Wirklichkeit (mit Stefan Aust, Bettina Röhl u. v. a.)
Feature mit O-Tönen
Der Audio Verlag/DAV
1 CD, 53 min, 12,99 Euro
Von der Pazifistin zur Terroristin
Erich Fried verglich sie mit Rosa Luxemburg, für andere war sie schlicht eine Mörderin: Ulrike Meinhof. - Doch warum wurde aus der Journalistin ein Gründungsmitglied der RAF? Dieser Frage geht das Hörbuch "Ulrike Meinhof - Mythos und Wirklichkeit" nach.
Ulrike Meinhof: "Wir sind engagiert für diejenigen, die sich versuchen zu befreien von Terror und Gewalt. Und wenn ein anderes Mittel als das des Krieges ihnen nicht übrigbleibt, dann sind wir für ihren Krieg."
Stefan Aust: "Das Erstaunliche war, dass Ulrike Meinhof eine unglaublich gute Stimme hatte. Sie konnte wahnsinnig gut sprechen, auf eine raue, etwas abgehackte Weise. Und auch ein eher mittelprächtiger Text, den sie verfasst hatte, gewann dadurch, dass sie ihn gesprochen hat, ganz andere Dimensionen. Das ist so."
Stefan Aust war damals Ulrike Meinhofs Kollege beim linken Magazin "konkret".
Wolfgang Kraushaar: "Sie hat mit ihren Kolumnen in der Mitte der 60er-Jahre die Standardposition der späteren Außerparlamentarischen Opposition vorweg formuliert."
Meint Wolfgang Kraushaar, Chronist der 68er-Bewegung und einer der profiliertesten Forscher zur Geschichte des linksradikalen Terrorismus. Wer war Ulrike Meinhof? Warum wurde aus der konkret-Chefredakteurin ein Gründungsmitglied und die Stimme der RAF? Um diese Frage zu beantworten, hat sich die Feature-Autorin und Regisseurin Regina Leßner ein halbes Jahr lang in den Archiven durch Texte, Bilder und O-Ton-Material gewühlt. Leßner führte Interviews mit Forschern und mit Freunden Meinhofs und auch mit Ulrike Meinhofs Tochter Bettina Röhl.
Bettina Röhl: "Es ist eben auch eine Frau, die im Gefängnis gesessen hat, die auch mit einem Schrecken verbunden ist, die irrsinnig ein Verbrecher auch war. Es sind fünf Menschen erschossen worden. Sie hat ihre Kinder beinahe umgebracht."
Bettina Röhl verzeiht ihrer Mutter nicht, dass sie und ihre Zwillingsschwester in ein Palästinenserlager abgeschoben werden sollten, als Ulrike Meinhof mit der RAF in den Untergrund ging.
Auch Stefan Aust, ehemals Spiegel-Chefredakteur und Autor des Buches "Der Baader-Meinhof-Komplex", bemüht sich um Entzauberung.
Unzufrieden und überdrüssig
Stefan Aus: "Wie ihre psychische Situation damals war, habe ich mitbekommen, und wie sie mit sich selbst unzufrieden war. Sie war überdrüssig. Sie war mit dieser Gesellschaft durch, und sie hat ja eben immer sehr stark das Persönliche, das Private mit dem Politischen verknüpft."
Das Feature bemüht sich um Ausgewogenheit, lässt auch ausführlich Ulrike Meinhofs Schwester zu Wort kommen, die auch noch brutalste, menschenverachtende Äußerungen verteidigt.
"Wir sagen natürlich: Die Bullen sind Schweine. Wir sagen: Der Typ in der Uniform ist ein Schwein. Das ist kein Mensch. Und natürlich kann geschossen werden."
Wienke Zitzlaff: "Ulrike ging es um wirklich konsequent die Gesellschaft zu verändern, die Gesellschaft Westdeutschlands, aber mit der absoluten Demokratie."
"Es hat intensive Diskussionen gegeben, ob bewaffnet gekämpft werden soll oder nicht."
"Es hat intensive Diskussionen gegeben, ob bewaffnet gekämpft werden soll oder nicht."
Das Hörbuch folgt dem sich radikalisierenden Lebensweg Meinhofs chronologisch. Und endet mit ihrem Tod im Mai 1976.
Tagesschau-Sprecher: "Guten Abend, meine Damen und Herren, die Anarchistin Ulrike Meinhof, eine der Angeklagten im Baader-Meinhof-Prozess, hat sich das Leben genommen. Sie wurde heute früh in ihrer Zelle in Stuttgart-Stammheim tot aufgefunden."
Das heraus ragende Feature rekonstruiert anhand der Person Ulrike Meinhof die Zeit des RAF-Terrors. Autorin Regine Leßner schafft keine neuen Mythen, sondern bewahrt kritische Distanz. Sie gibt keine Antwort auf die Frage, wie das Leben Ulrike Meinhofs zu bewerten ist. Das überlässt sie dem Hörer selbst, der hier auf einen vielstimmigen Chor trifft. Eine der beeindruckendsten Stimmen ist dabei sicherlich die Tochter Meinhofs in ihrer Unversöhnlichkeit.
Bettina Röhl: "Es ist ein Stück Lebensunfähigkeit bei Ulrike Meinhof da gewesen. Ich bin der Ansicht, die hatte sie immer. Die hat sie auch in den Untergrund getrieben und das hat eben nichts mit Politik zu tun. Da sage ich: Nein, ein Mythos Meinhof ist nicht gerechtfertigt und Respekt schon gar nicht."