Um jeden Preis komisch
Denis Johnson ist fraglos ein großer, ein wortwuchtiger Autor, der uns mit seinen Figuren immer wieder auf die rätselhaften Pfade der Verdammnis und der labyrinthischen Erlösungssuche schickt. Einer, der so roh wie zart und brennend zu schreiben vermag über die Ausgestoßenen, die Trauernden, die Verlorenen, die ruhmlosen Randgestalten unserer Welt.
Und ausgerechnet dieser Autor hat jetzt einen Krimi geschrieben, einen Thriller, der so flott und glatt und bedenken- ja immer wieder fast gedankenlos daherkommt, dass man den Autor kaum zu erkennen meint.
Ausgerechnet er, der uns ins Herz der Finsternis eindringen und den Abgrund der Traurigkeit schwindelnd erkennen lassen kann, er will hier um jeden Preis komisch sein. Will ein Genre bedienen und es zugleich parodieren. Und klaubt dazu alle nur denkbaren Klischees in Wort und Bild zusammen - wirft mächtig mit Blut und Kalauern um sich, mit Halbweltgestalten und Autojagden, Flinten und Pistolen, mit schlanken und abgefeimten Weibern, mit abgeschnittenen oder abzuschneidenden Hoden und zerschossenen Köpfen. Hirnmasse zum Verspritzen ist hier angesagter als Hirne zum Grübeln. Manche Leser werden das gewiss komisch finden.
Und natürlich ist der Roman gut gemacht, denn Johnson versteht sein Handwerk. Es gibt sogar eine Figur, der man tatsächlich etwas abgewinnen kann. Jimmy Luntz, Friseur und Mitglied im Chor seiner Innung, hat Schulden gemacht. Und fällt ausgerechnet einem brutalen Eintreiber in die Hände. Der sehr bereit ist zu ballern, wenn einer nicht zahlen kann. Jimmy kann nicht zahlen. Und kann nicht einmal schießen. Aber was soll man machen, wenn man bedroht wird. So wird aus dem harmlosen und gutmütigen Jimmy mehr oder weniger aus Versehen ein Krimineller auf der Flucht vor den Profis im Geld- und Metzelei-Geschäft.
Johnson hat Dialoge geschrieben, die im Film wahrscheinlich gar nicht so schlecht wären. Es gibt erquickliche Binsenwahrheiten und nette Hirntölpeleien und hin und wieder scheint ein schneller Witz auf. Es gibt auch ein paar wenige zarte Momente, in denen wir ahnen, dass es neben der Abknallerei noch zaghafte Gefühle geben könnte.
Aber kaum eine der abgewrackten Gestalten gewinnt Kontur. Meist sind sie weniger Mensch als Mittel zu dem üblichen Zweck – die Handlung atemlos voranzutreiben.
"Keine Bewegung" war ein Auftragswerk. Ein Serien-Roman für die Zeitschrift "Playboy". Mit Wonne womöglich angenommen, weil Johnson einfach mal ungehemmt drauflosschreiben, Szenen aus dem Genre Pulp Fiction zusammenbasteln und aneinanderkleben wollte.
Vielleicht brauchte er einfach eine Erholung – nach seinem dickleibigen, fulminanten Roman über den Vietnamkrieg. In dem er über die Angst schrieb, über die Brutalität, die Zerstörung, den Verlust der Würde und den Irrsinn, der die Köpfe der Kämpfer zersetzt.
Knallige Pop Art nennt die "New York Times" den neuen Thriller. Und der Rezensent fand daran "ein ungemein eingängiges Vergnügen". So stimmt also wieder einmal, was wir ohnehin längst wissen: Ein Buch entsteht im Kopf seines Lesers.
Besprochen von Gabriele von Arnim
Denis Johnson: Keine Bewegung
Roman Aus dem Englischen von Bettina Abarbanell
Rowohlt Verlag Hamburg 2010
205 Seiten EUR 17.95
Ausgerechnet er, der uns ins Herz der Finsternis eindringen und den Abgrund der Traurigkeit schwindelnd erkennen lassen kann, er will hier um jeden Preis komisch sein. Will ein Genre bedienen und es zugleich parodieren. Und klaubt dazu alle nur denkbaren Klischees in Wort und Bild zusammen - wirft mächtig mit Blut und Kalauern um sich, mit Halbweltgestalten und Autojagden, Flinten und Pistolen, mit schlanken und abgefeimten Weibern, mit abgeschnittenen oder abzuschneidenden Hoden und zerschossenen Köpfen. Hirnmasse zum Verspritzen ist hier angesagter als Hirne zum Grübeln. Manche Leser werden das gewiss komisch finden.
Und natürlich ist der Roman gut gemacht, denn Johnson versteht sein Handwerk. Es gibt sogar eine Figur, der man tatsächlich etwas abgewinnen kann. Jimmy Luntz, Friseur und Mitglied im Chor seiner Innung, hat Schulden gemacht. Und fällt ausgerechnet einem brutalen Eintreiber in die Hände. Der sehr bereit ist zu ballern, wenn einer nicht zahlen kann. Jimmy kann nicht zahlen. Und kann nicht einmal schießen. Aber was soll man machen, wenn man bedroht wird. So wird aus dem harmlosen und gutmütigen Jimmy mehr oder weniger aus Versehen ein Krimineller auf der Flucht vor den Profis im Geld- und Metzelei-Geschäft.
Johnson hat Dialoge geschrieben, die im Film wahrscheinlich gar nicht so schlecht wären. Es gibt erquickliche Binsenwahrheiten und nette Hirntölpeleien und hin und wieder scheint ein schneller Witz auf. Es gibt auch ein paar wenige zarte Momente, in denen wir ahnen, dass es neben der Abknallerei noch zaghafte Gefühle geben könnte.
Aber kaum eine der abgewrackten Gestalten gewinnt Kontur. Meist sind sie weniger Mensch als Mittel zu dem üblichen Zweck – die Handlung atemlos voranzutreiben.
"Keine Bewegung" war ein Auftragswerk. Ein Serien-Roman für die Zeitschrift "Playboy". Mit Wonne womöglich angenommen, weil Johnson einfach mal ungehemmt drauflosschreiben, Szenen aus dem Genre Pulp Fiction zusammenbasteln und aneinanderkleben wollte.
Vielleicht brauchte er einfach eine Erholung – nach seinem dickleibigen, fulminanten Roman über den Vietnamkrieg. In dem er über die Angst schrieb, über die Brutalität, die Zerstörung, den Verlust der Würde und den Irrsinn, der die Köpfe der Kämpfer zersetzt.
Knallige Pop Art nennt die "New York Times" den neuen Thriller. Und der Rezensent fand daran "ein ungemein eingängiges Vergnügen". So stimmt also wieder einmal, was wir ohnehin längst wissen: Ein Buch entsteht im Kopf seines Lesers.
Besprochen von Gabriele von Arnim
Denis Johnson: Keine Bewegung
Roman Aus dem Englischen von Bettina Abarbanell
Rowohlt Verlag Hamburg 2010
205 Seiten EUR 17.95