Umdenken in der Coronakrise

Desinfektionsmittel aus der Whisky-Destille

05:07 Minuten
Porträt von Michael Schultz vor seinen Eichenholzfässern.
Michael Schultz ist Inhaber der Glina-Destille und stolz auf seinen Whisky. Aktuell produziert er jedoch hochprozentigen Alkohol zur Desinfektion. © Christina Küfner
Von Christina Küfner |
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In normalen Zeiten brennt Michael Schultz Whisky. Doch weil die Geschäfte wegen der Coronapandemie schlecht laufen, hat er seine Destille kurzerhand auf Desinfektionsalkohol umgestellt. Vielleicht kann er damit sogar seinen Betrieb retten.
Zärtlich tätschelt Michael Schultz seine dicken Eichenholzfässer. Waagerecht liegen sie da, in drei langen Reihen übereinander, randvoll mit hochprozentigem Stoff.
"Ja, hier in den Babys – mein Winzer und ich, wir sagen immer die Babys dazu", erklärt er. "Hier reift der beste Whisky der Welt drin."
Natürlich ist der Inhaber der Glina-Destille in Werder bei Potsdam stolz auf das, was er hier herstellt. Bis er in seiner Produktionshalle die nächsten Eichenholzfässer befüllt, wird es aber wohl noch etwas dauern. Michael Schultz hat derzeit nämlich eine andere Mission – und die hat mit der Coronakrise zu tun.
"Da kam ein Apotheker hier aus dem Dorf her", erzählt er, "und fragte, Mensch, kannst du mir helfen? Es gibt ja gar keinen Alkohol mehr, und wir müssen den Leuten Desinfektion anbieten – gerade Altenheimen, die verpflegt werden müssen, das geht nicht anders. Da habe ich gesagt, selbstverständlich kannst du meinen Alkohol nehmen. Hat er ausprobiert – sagt er, das ist eigentlich das Beste, was es gibt."
Und da hat es Klick gemacht bei Michael Schultz. Seitdem produziert er in seiner Destille das, was Pflegeheime, Apotheken und Krankenhäuser momentan dringend brauchen: hochprozentigen Alkohol zur Desinfektion.
Viel verändern musste Schultz dafür nicht. Im Grunde läuft alles genauso ab wie beim Whisky, erklärt der Chef der Destille. Hinter einem riesigen silbrigen Kessel zeigt er auf ein Rohr mit einem Sichtfenster.

In Plastikkanister statt in Holzfässer

"Siehtste die Körner da? Da ist der Champagnerroggen drin", erklärt er. "Das ist der gleiche Arbeitsablauf, die Rohstoffe sind dieselben. Die werden dann eingemaischt mit heißem Wasser aus der Destille, dann wird das verzuckert und verflüssigt und nachher wird dann die Maische vergoren."
Ein paar Meter weiter steht noch ein anderer gewaltiger Kessel, oben drauf eine spitz zulaufenden Brennblase aus glänzendem Kupfer. Hier passiert der wichtigste Schritt.
"Die Destille zieht jetzt praktisch den Alkohol aus der Maisch raus und da kommt dann der feinste Alkohol raus, der dann in die Holzfässer kommt zum Lagern", sagt Schultz. "Oder wie jetzt gerade, zu diesem Zeitpunkt, abgeht zu Apothekern, Krankenhäusern und Altenheimen zur Desinfektion."
Einblick in die Räumlichkeiten der Glina-Destille.
Im Grunde läuft alles genauso ab wie beim Whisky, erklärt der Chef der Glina-Destille.© Christina Küfner
Deshalb stehen in der Destille auch überall weiße Plastikkanister herum, in sie kommt der fertige Desinfektionsalkohol rein. Rund 1000 Liter stellt Schultz pro Woche her – das meiste davon geht an Großkunden in der Region.

Auch der Getreidebrand desinfiziert

In dem Hofladen, der zu der Destille gehört, kommen aber auch Privatleute vorbei – wie heute ein Paar aus der Umgebung, das sich ebenfalls Sorgen macht wegen Corona.
"Es sind ja auch ganz viele Desinfektionsmittel im Einsatz, wo wenig Bakterien abgetötet werden," sagt die Frau.
"Deswegen produziere ich das ja. Das ist hochwertiger Alkohol", antwortet Michael Schultz.
Den Desinfektionsalkohol darf der Chef der Destille zwar nicht an Privatleute verkaufen, dafür aber seinen Getreidebrand mit knapp 70 Prozent: ein hartes Stöffchen, das ebenfalls zur Desinfektion taugt. Das Paar reibt sich probehalber damit ein – und will dann gleich einen mitnehmen.
"Weil wir alle nicht wissen, wie lange das noch gebraucht wird, kann man Vorsorge betreiben", meint die Frau. "Nehmen wir gleich mit", so der Mann. "Ist ja wichtig, nicht nur desinfiziert von innen, sondern auch von außen."
Inzwischen hat noch eine Kundin den Laden betreten. Sie lauscht dem Gespräch mit Interesse – und ist überrascht, dass die Destille jetzt ganz auf Desinfektion setzt.
"Nee, wusste ich nicht, aber ich hatte es gehofft, weil man ja von vielen Kleinen und Mittelständischen hört, die ihre Produktion umstellen. Das nächste Mal, wenn wir wieder keins haben, holen wir uns das hier, auf jeden Fall."

Die Destille war schon eingemottet

In der Produktionshalle wuchtet Inhaber Michael Schultz derweil schon den nächsten 25-Liter Kanister mit Desinfektionsalkohol durch die Gegend: "So, jetzt haben wir das abgefüllt. Jetzt kommt’s auf die Palette rauf und dann ist der bereit zum Abtransport."
Der Chef ist in der großen Halle ganz alleine zu Gange, wie in vielen Betrieben sind seine Mitarbeiter alle zu Hause. Das Geschäft mit der Desinfektion gibt ihm in diesen Tagen wieder ein klein wenig Hoffnung. Die Krise setzt nämlich auch der Glina-Destille hart zu.
"Wir haben über 90 Prozent Einbruch, das ist gar keine Frage", erzählt Michael Schultz. "Wir hatten die Destille eigentlich schon eingemottet, wir hatten eigentlich schon gesagt, okay, gut, wir hören auf, das war es erst mal. Und dann kam mir die Idee, weil zu wenig Desinfektionsmittel da war, dass wir unseren Alkohol dafür nehmen können. Wenn ich es damit retten und den Betrieb durch die Krise bringen kann – dann mach ich das!"
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