Umfragen zur Wahl

Demoskopie ist besser als ihr Ruf

07:43 Minuten
Ein Wähler wirft in einem Wahllokal, das im Klassenraum einer Schule untergebracht ist, seinen Stimmzettel in die Wahlurne.
Dass Menschen über ihr Wahlverhalten lügen, sei nicht das Problem, sagt Frank Brettschneider. Vielmehr würden Daten fälschlicherweise oft für Prognosen gehalten. © picture alliance /dpa / Hauke-Christian Dittrich
Frank Brettschneider im Gespräch mit Ute Welty |
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Ob Brexit oder Trump-Wahl: Demoskopen liegen immer mal wieder daneben. Kann man Umfragen also noch trauen? Durchaus, sagt der Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider. Man dürfe sie aber nicht mit Prognosen verwechseln.
Die Wahlforschung ist in den letzten Jahren etwas in Verruf geraten: Sowohl beim Brexit als auch bei der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten ließen Umfragen jeweils ein anderes Ergebnis erwarten.
Die Demoskopie sei aber besser als ihr Ruf, sagt der Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider. Es sei nur vergleichsweise stärker über Fälle wie den Brexit berichtet worden.
Allerdings gebe es bessere und weniger gute Institute und Methoden. Auch die Stimmengewichtung unterrepräsentierter Bevölkerungsgruppen könne problematisch werden. Doch woran lässt sich dann erkennen, ob eine Umfrage taugt oder nicht?
Eine solche Einschätzung müssten die Journalisten übernehmen, findet Brettschneider. Es gehe darum, wie viele Menschen befragt worden seien, ob sie zufällig ausgewählt wurden, ob die Stichprobe repräsentativ sei. Auch der Fragezeitpunkt sei wichtig – erst recht bei dieser Wahl, wo "Stimmungen sich fast täglich ändern". Zudem sollte man sich den Fragewortlaut anschauen.
Es sei mehr Qualität in der Berichterstattung notwendig, betont der Wissenschaftler. Es reiche nicht zu schreiben, wer in Umfragen vorne oder hinten liege:
"Umfragen können viel mehr. Sie können Analysen liefern über die Motive von Wählerinnen und Wählern, über ihre Sichtweisen, über ihre Informationsquellen. Da sind sie sehr wertvoll."

Stimmungsbilder und Momentaufnahmen

Dass Menschen heutzutage in Umfragen zu ihrem Wahlverhalten mehr lügen als früher, weist Brettschneider zurück: "Lügen ist stressig. Warum sollten sie das tun?" Die Umfragen seien schließlich anonym, keiner könne nachvollziehen, wer was wem gesagt habe. "Dass da gelogen wird, das ist nicht wirklich das Hauptproblem."
Dieses liege eher darin, dass in der öffentlichen Wahrnehmung Daten von Umfrageergebnissen so interpretiert werden, als seien das Prognosen:
"Prognosen sind etwas ganz anderes. Wir haben es mit Stimmungsbildern zu tun, mit Momentaufnahmen. Die Prognose kriegen wir am Wahltag abends um 18 Uhr, wenn der Gong ertönt."
Die Prognose beruhe auf einer ganz anderen Methode – nämlich auf der Befragung von Menschen, die aus Wahllokalen kommen, erklärt Brettschneider.
(bth)
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