Elisa Diallo wurde 1976 in Paris geboren, ihr Vater stammte aus Guinea-Conakry, ihre Mutter aus Frankreich. Nach dem Studium der Geschichtswissenschaft in Paris wanderte sie in die Niederlande aus, wo sie Niederlandistik und Literaturwissenschaft studierte. Seit 2009 lebt sie in Deutschland, in Mannheim, und ist in der Verlagsbranche tätig. 2019 erschien ihr autobiografische Essay "Fille de France" im französischen Verlag Flammarion/Climats.
Andreas Nohl, geboren 1954 in Mülheim an der Ruhr, studierte Philosophie in Berlin und Frankfurt am Main. Später war er als Antiquar in Köln und München tätig. Seit 1989 arbeitet er als freier Schriftsteller und Übersetzer, er lebt in Augsburg. Von 1990 bis 2003 veröffentlichte er Literaturkritiken unter anderen für "Die Zeit" und die "Neue Zürcher Zeitung". Seit 2005 ist er Herausgeber der Literaturzeitung "Augsburger Satyr".
Was tun mit dem N-Wort?
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Romane wie "Die Abenteuer des Huckleberry Finn" oder "Vom Winde verweht" enthalten viele rassistische Begriffe. Wie soll man damit bei Neuübersetzungen ins Deutsche umgehen? Einfach ersetzen? Ein Übersetzer und eine Literaturwissenschaftlerin diskutieren.
Gerade werden einige Klassiker der amerikanischen Literatur neu ins Deutsche übersetzt. James Baldwin zum Beispiel, Mark Twain oder Margaret Mitchell. Das bringt einige Herausforderungen mit sich: Wie gehen die Übersetzer mit abwertenden, rassistischen Begriffen wie "negro" um?
Einerseits sollen die Sprache und der historische Hintergrund in der deutschen Übersetzung spürbar und nachvollziehbar sein. Andererseits will man keinen Rassismus fortschreiben. Spätestens seit der Neuübersetzung von "Pippi Langstrumpf" ist das in Deutschland zum Thema geworden. Frage an Elisa Diallo, Autorin und Literaturwissenschaftlerin, und an den Übersetzer Andreas Nohl: Was tun mit dem "N-Wort"?
Elisa Diallo zieht eine klare Trennung: "Wenn das Wort 'negro', als das Buch geschrieben wurde, in seinem Kontext neutral gebraucht wurde – so wie man heute 'schwarz' sagt -, dann würde ich es mit dem neutralen Wort von heute übersetzen. Ich sehe keinen Grund, dann das alte Wort zu benutzen."
Es kommt auf den Zusammenhang an
Gehe es dagegen um einen Autor wie James Baldwin, der seinen Text mit "I Am Not Your Negro" übertitelte, sei es richtig, den Begriff "negro" stehen zu lassen, sagt Diallo, deren Mutter Französin ist und deren Vater aus dem afrikanischen Guinea stammt. Denn "Ich bin nicht euer Schwarzer oder eure Schwarze" habe natürlich nicht die gleiche Bedeutung wie "I Am Not Your Negro".
Andreas Nohl stimmt Diallo zu. Der Übersetzer hat gerade gemeinsam mit seiner Frau "Vom Winde verweht" neu übersetzt und sagt: "Wenn dort Rassisten reden, sprechen die von 'Niggern' – das ist ein dokumentarischer Anteil dieses Romans. Und man würde ihn kontextuell vollkommen verfälschen, wenn man das nicht sagen würde. Aber: Innerhalb des Erzähltextes, dort, wo die Autorin auktorial erzählt, ist der gesamte zeitbedingte Rassismus, den dieses Buch ja quasi transportiert mit Begriffen wie 'negro', bei uns getilgt."
Verschiedene Versionen anbieten
Ein weiteres gutes Beispiel ist "Die Abenteuer des Huckleberry Finn" von Mark Twain. In den US-Schulen werde dieses Buch wegen der gehäuften Verwendung des N-Wortes nicht mehr gelesen, sagt Elisa Diallo. Sie hält es deshalb für eine gute Lösung, verschiedene Versionen anzubieten, darunter eine, in der alle rassistischen Bezeichnungen ausgetauscht sind - um so das Buch auch Schulklassen wieder zugänglich zu machen.
Andreas Nohl, der "Huckleberry Finn" selbst neu übersetzt hat, sieht das etwas anders und plädiert eher für einordnende Erläuterungen im Buch. Er sagt, Twain habe eben ein politisch "höchst unkorrektes Buch" geschrieben, das von Anfang an sehr umstritten gewesen sei. Der Roman sei jedoch ein "in seiner Wolle gefärbt antirassistisches Buch".
Das historische Unrecht lagere sich in der Sprache in Sedimenten ab, so auch in dem Ausdruck "Nigger". "Nigger" sei für Huck und seine Altersgenossen aber ein ganz normaler Begriff gewesen, den sie auch für den Schwarzen Jim verwenden – "und das gibt diesem Buch ja auch diese ungeheure Wucht, weil der Leser ununterbrochen damit konfrontiert wird, dass hier ein schäbiger Begriff auf einen Menschen angewandt wird, den er in dem Buch kennenlernt und den er immer mehr lieben und bewundern lernt". Nohl betont, für ihn käme es einer "Kastration" gleich, ließe man diesen Teil aus dem Buch weg.
Schiller säubern? Merkwürdige Vorstellung
Generell findet Nohl, dass man literarischen Texten der Vergangenheit "nicht unsere Vorstellung von Gerechtigkeit und Toleranz überstülpen" sollte, sondern "wir müssen sie in ihrer historischen Andersartigkeit akzeptieren". Wenn bei Schiller der Satz falle "Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan", könne man den nicht mit dem Argument des Rassismus verändern. Schiller habe diesen Satz auch nicht rassistisch gemeint.
mkn)