"Der Besitz ist problematisch"
Europäische Museen sind mit nigerianischen Partnern einig, in der Kolonialzeit geraubte Bronzen als Leihgabe in einem künftigen Museum in Benin auszustellen. Ein wichtiger Schritt, findet der Afrika-Experte Jürgen Zimmerer.
Die Benin-Bronzen, wichtige Kunstwerke aus dem heutigen Nigeria, wurden in der Kolonialzeit von den Briten geraubt und später an Museen in aller Welt verkauft.
Seit Jahren wird um eine mögliche Rückgabe an Nigeria gestritten. Dass jetzt mehrere europäische Museen geraubte Kunstwerke als Dauerleihgabe einem neuen Museum im Herkunftsland geben wollen, begrüßt der Historiker Jürgen Zimmerer im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur.
"Es zeigt, dass in diesen Museen, die diese Bronzen im Besitz haben, anerkannt wird, dass deren Besitz, deren Herkunft problematisch ist. Es handelt sich eindeutig um Raubkunst."
Bei den Benin-Bronzen gebe es eigentlich keine Ausnahme. Die Bronzen seien die am deutlichsten als Raubkunst zu bewertenden kolonialen Objekte, die es weltweit gebe.
Ein wichtiger erster Schritt
Für Nigeria sei es wichtig, dass diese Kunstwerke überhaupt ins Land kämen, denn über Jahre habe man geklagt, dass man diese Kunstwerke dort nicht bestaunen konnte. An der Erklärung zur Übereinkunft der europäischen Museen mit den nigerianischen Vertretern sei bemerkenswert, dass besonders die nigerianische Seite ausdrücklich darauf bestanden habe, dass die europäischen Partner nicht auf eine Rückgabe verzichten.
"Das bedeutet, dass auch die sagen, es ist ein erster Schritt, um überhaupt die Anerkennung zu bekommen, dass es sich von der Herkunft her um problematische Objekte handelt."
Bedeutung der Kunstwerke für Humboldt-Forum
Dass eine erste Einigung so lange gedauert habe, habe mit den europäischen Museen zu tun, in denen sich zehntausende koloniale Raubobjekte befinden. Für sie sei diese Bewertung sehr schwer anzuerkennen und sie stellten sich auf die Position, dass nicht alles geraubt sei und nicht eindeutig sei und erst noch weiter erforscht werden müsse.
"Man muss sagen, die Benin-Brozen sind besonders wertvolle, sehr spektakuläre Objekte, die in den Sammlungen, in denen sie sind, eigentlich auch immer ein zentrales Stück darstellen."
Ein politischer Aspekt sei vor allem auch in Deutschland gegeben: "Sie werden im deutschen Kontext eine herausgehobene Rolle im Humboldt-Forum einnehmen. Und in der Diskussion im Humboldt-Forum und der kolonialen Raubkunst dort ist eben auch Druck aufgebaut worden, so dass man sich jetzt sagt: 'OK, wir verleihen jetzt Objekte zurück'."
Absurde Verleihaktion durch Gesetze
Ein gravierendes Problem am Verleih der Bronzen sei, dass man eigentlich nur Objekte nach Nigeria verleihen könne, die eindeutig keine Raubkunst sind.
"Gestohlene Objekte kann man nicht an die eigentlichen Eigentümer zurückverleihen. Im Privaten wäre das absurd. Wer stiehlt jemandes Auto und verleiht es dann zurück? – Das wäre eine absurde Vorstellung. Mit dieser Vorstellung wird hier aber im Grunde gearbeitet."
Die Museumsbetreiber könnten allerdings meist nicht selbst entscheiden, die Objekte dauerhaft zurückzugeben, denn in Deutschland sei per Gesetz der Bund der eigentliche Eigentümer. Deshalb werde jetzt der Ball an die Politik zurückgespielt, die jetzt sagen müsse, dass restituiert, also zurückgegeben werde.
"An diesem Punkt unterscheidet sich auch Deutschland von Frankreich, dass diese große politische Geste, die große politische Entscheidung bisher ausgeblieben ist. Und das ist das Positive an dieser Übereinkunft, dass vielleicht dadurch jetzt dieses Thema noch stärker in den Mittelpunkt gerückt wird."
Museen voller Raubkunst
Am besten sei es, wenn man das Eigentum der Benin-Bronzen an die rechtmässigen Eigentümer übertragen würde:
"Nämlich an Nigeria und behält Leihgaben Nigerias in Berlin oder in London. Und eröffnet ein Benin-Museum in Berlin zum Beispiel als Teil des Humboldt-Forums, um zu zeigen: Diese Museen in Europa sind voller Raubkunst und wir müssen diese ganze Geschichte offensiv aufarbeiten."