Der Westen muss mit Pakistan und Iran reden
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Wie kann man gefährdeten Menschen in Afghanistan nach dem Abzug der US-Truppen helfen? Mit den Taliban, aber auch mit den Nachbarländern sprechen, sagt der Ex-Diplomat Martin Kobler. Der Westen habe vor allem Pakistan lange vernachlässigt.
Nach dem G7-Gipfel scheint festzustehen, dass die USA ihr Militär wie geplant zum 31. August aus Afghanistan abziehen. US-Präsident Biden habe kein neues Datum genannt, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Damit werden weitere Evakuierungsflüge vor allem für frühere Ortskräfte und weitere Gefährdete kaum mehr möglich sein.
"Das Einzige, was man jetzt machen kann, ist, mit den Taliban wirklich zu sprechen", sagt der frühere Diplomat Martin Kobler. Das geschehe in Doha, aber auch in Kabul.
Natürlich hätten die Taliban jetzt "Oberwasser", räumt Kobler ein. Die Bundesregierung hätte früher reagieren sollen, denn es sei lange absehbar gewesen, dass die radikalen Islamisten wieder die Macht übernehmen würden: "Natürlich sind wir in einer schwachen Verhandlungsposition."
Unrühmliches Ende des westlichen Engagements
Dass alle afghanischen Unterstützer westlicher Truppen in Sicherheit gebracht werden können, bezweifelt Kobler denn auch stark:
"Das sind Menschen, die uns über Jahre, über Jahrzehnte geholfen haben, als Übersetzer, ohne die der Einsatz überhaupt nicht möglich gewesen wäre. Sie fühlen sich verraten und sie fühlen sich verkauft. Das ist wirklich ein unrühmliches Ende dieses Engagements."
Nach Ansicht Koblers kommt es nun darauf an, andere Wege zu finden, um Einfluss auf die Taliban zu nehmen. Das Nachbarland Pakistan, wo Kobler selbst zwei Jahre lang bis 2019 Botschafter war, sei lange vernachlässigt worden. Viele der Taliban hätten dort Familie.
"Pakistan spielt eine ganz wichtige Rolle, und leider wurde das in den letzten Jahren vernachlässigt im Friedensprozess, dass man Pakistan zu einer konstruktiven Rolle bewegt", kritisiert Kobler.
Das Land sei immer als "der Störer" gesehen worden. "Natürlich mache ich mir keine Illusionen über die Rolle Pakistans." Aber es habe schon immer das Interesse an einem Hinterland gehabt, das nicht gegen Pakistan gerichtet sei.
Fast 800.000 Flüchtlinge in Iran
Auch im Hinblick auf Iran sieht der Ex-Diplomat Handlungsbedarf für den Westen. Dem schiitischen Staat könne es nicht Recht sein, dass ein sunnitisches, extremistisches Regime in Kabul herrsche. Es gebe vor allem jetzt schon fast 800.000 Flüchtlinge in Iran. Diese Problematik betreffe das Land gerade am meisten.
"Wir wären gut beraten, mit dem Iran jetzt zu besprechen, was passiert mit diesen Flüchtlingen", so Kobler. Zumal die politische Diskussion um deren Unterstützung in den Nachbarländern gehe, damit die Menschen sich nicht auf den Weg nach Europa machten.
Kobler fügt allerdings hinzu: "Ob das so durchzusetzen ist, wage ich zu bezweifeln."
(bth)