Umstrittene Bildungsinitiative

Von Dorothea Jung |
Das türkisch-deutsche Bildungsinstitut TÜDESB betreibt in Berlin Nachhilfegruppen und Privatschulen. Der Verein steht dem Netzwerk des umstrittenen Predigers Fethullah Gülen nahe. Nun soll auf einer Fläche von 84.000 Quadratmetern ein ganzer Bildungscampus eröffnen.
Die Titelseite des TÜDESB-Prospektes leuchtet in sattem Himmelblau. "Von Kindertagesstätten bis zur Hochschulreife - TÜDESB-Bildungscampus", lautet die Überschrift. Darunter lachen vier Kinder fröhlich in die Kamera. Sie halten dem Betrachter ein großes Luftbild entgegen, auf dem das gesamte Areal des geplanten Bildungscampus zu sehen ist: Ein von Straßen durchzogenes Grundstück in Berlin-Spandau, mit Grünflächen und Gebäuden, insgesamt 84.000 m². Die Liegenschaft wurde einst von den britischen Alliierten genutzt. Man sieht auf dem Bild die ehemalige Kasernen, Werkstätten, Garagen, Bürogebäude, einen Sportplatz, ein Hotel.

"Auf dem Gelände werden bereits das TÜDESB Gymnasium, die TÜDESB Realschule, eine Kindertagesstätte, eine Mensa, eine Sporthalle und ein Laborgebäude von TÜDESB e.V. betrieben …"

… verrät die Broschüre. Insgesamt sei TÜDESB in Berlin mit vier Kitas, sechs Nachhilfe-Instituten, je einer Grund-, Real- und Sekundarschule sowie einem Gymnasium vertreten. Hinter dem Verein stünden "angekommene Einwanderer dieser Gesellschaft, die etwas bewegen wollen", so die Broschüre. Ausführlich wird darüber informiert, wie das bestehende Schulgelände erweitert und die hinzugekommenen Gebäude zukünftig umgestaltet und genutzt werden sollen:

"Jeder Teil des Bildungsweges, von der Kindertagesstätte bis zur Hochschulreife, soll auf dem Bildungscampus angeboten werden. Sowohl die Erweiterung der eigenen Institutionen, als auch die Kooperation und die Aufnahme weiterer Bildungsträger auf dem Bildungscampus sollen die vielfältigen Möglichkeiten der Bildung und Erziehung fördern."

Die "vielfältigen Möglichkeiten der Bildung und Erziehung fördern", das ist Friedman Eißler zufolge eine der Forderungen des muslimischen Predigers Fethullah Gülen. Friedman Eißler ist wissenschaftlicher Referent bei der evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin. Er nennt den in den Vereinigten Staaten lebenden Türken Fethullah Gülen einen charismatischen Mann, der gerne als Modernisierer des Islam auftritt. Friedmann Eißler und mit ihm eine Reihe weiterer Kritiker sehen in dem heute 71-jährigen Gülen jedoch eher jemanden, der vorhat, die Moderne zu islamisieren. Allerdings, so Eißler, habe Gülen es verstanden, ein weltweites Bildungsnetzwerk anzustoßen und Millionen von Muslimen zu bewegen, seine Ideale in die Gesellschaft zu tragen:

"Seine Ideale, die da lauten: Moderne Gesellschaft und Islam, ja, das geht zusammen; Religion und Wissenschaft, ja, das ist ein gutes Programm. Und das bedeutet: Durch gute Ausbildung, durch ein gutes Studium, durch ein gutes Fortkommen von intelligenten Menschen können wir islamische Werte in der Gesellschaft stark machen. Und darum geht es ihm."

In der TÜDESB-Broschüre liest man kein Wort über Fethullah Gülen – aber für Friedmann Eißler ist sicher, dass der Berliner Verein TÜDESB zum Bildungsnetzwerk von Gülen gehört. In den Augen des Theologen ist der geplante Bildungscampus ein Zeichen für den Zuspruch, den die Gülen-Bewegung in Deutschland genießt:

"Die letzte Zahl, die mir vorliegt, waren gut 165 Nachhilfeeinrichtungen unterschiedlicher Art, Erziehungs-, Bildungseinrichtungen in Deutschland und über 20 Schulen, das sind Privatschulen, also staatliche Ersatzschulen in privater Trägerschaft, die in Deutschland etabliert worden sind, aus Vereinen, die von einzelnen Akteuren eben der Gülen-Bewegung organisiert und gegründet worden sind."

Und nun der TÜDESB Bildungscampus in Berlin-Spandau. Nach Angaben der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben hat die Eigentümerin der Liegenschaft, die Bundesrepublik Deutschland, das Gelände an den Verein TÜDESB zu einem marktgerechten Preis verkauft. Am Jahresende 2012 sei der vereinbarte Betrag bezahlt worden, erklärt die Bundesanstalt. Genauere Angaben über die Höhe des Kaufpreises verweigerte die Behörde.

Vor Ort, im Bezirk Spandau: Ahnungslosigkeit in Sachen TÜDESB-Bildungscampus. Spandaus Bildungsstadtrat Gerhard Hanke, CDU, der die bereits bestehenden, staatlich anerkannten TÜDESB-Schulen im Bezirk gut kennt, reagiert Anfang des Jahres erstaunt auf die Broschüre:

"Der Verein TÜDESB ist eigentlich eine Organisation, die uns immer, wenn wir es gefordert haben, Rede und Antwort gestanden haben und auch jegliche Informationen relativ früh an uns weitergeleitet haben. So bin ich sehr überrascht, dass Sie mir heute diesen großen, sehr umfangreichen Plan hier präsentieren. Man hätte diesen großen Masterplan eines Bildungscampus natürlich mit uns vorab besprechen sollen. Weil natürlich auch die Schulplanung des Bezirks davon betroffen sein kann, wenn vermehrt Kinder unsere staatlichen Schulen hier in Spandau dann verlassen, gibt es ja Neuorganisationen an einigen Schulen, und man muss dieses auch immer sehr sorgfältig im Auge behalten."

Irritation auch in der Spandauer Bezirksverordnetenversammlung. Angelika Höhne, Fraktionsvorsitzende der Grün-Alternativen Liste, hat kurz vor Weihnachten im Migrationsrat von dem Projekt erfahren. Sie befürchtet, dass Kinder, die von der Kita bis zum Abitur nur mit TÜDESB-Pädagogen Kontakt haben, ideologisch beeinflusst werden könnten:

"Es ist die Fragestellung nach der Zielstellung, den Werten, den diese Einrichtung repräsentiert, bei einer Organisation, die auch sehr intransparent ist: Ist es eine sehr konservative Organisation oder ist es eher fundamentalistisch-islamistisch? Und wenn man dann recherchiert nach dem Hintergrund, dann ist ja überall die Unsicherheit der Einordnung."

Was ist das für ein privater Bildungsverein, der ein solch riesiges Gelände kaufen und ein derart ambitioniertes Projekt planen kann? Und welche Bedeutung haben die Ideen von Fethullah Gülen für TÜDESB?

TÜDESB und der Umgang mit den Medien
Fragen wie diese sollten an den TÜDESB-Vereinsvorstand gehen. Das erweist sich jedoch als schwierig. Erst nach vielen Telefonaten mit dem TÜDESB-Büro ruft Vereinsmitglied Mustafa Toy zurück. Er stellt sich als TÜDESB-Bereichsleiter für Schulen und Kitas vor und erklärt, über ein Interview könne erst entschieden werden, wenn die Fragen vorher schriftlich eingereicht würden. Der Vorstand werde sie prüfen. Man habe schlechte Erfahrungen mit Medien. Falls die Fragen akzeptiert würden, stünde er für ein Gespräch zur Verfügung.

Das Vereinsregister führt den Namen Mustafa Toy aber nicht als Vorstand. Angesichts der Bedeutung des Projektes scheint es angemessen, auf einem Gespräch mit dem TÜDESB-Vorstandsvorsitzenden Irfan Kumru zu bestehen. Der sagt schließlich ein Interview zu und bietet sogar eine Führung über den geplanten Bildungscampus an. Doch zwei Wochen später zieht Irfan Kumru sein Angebot zurück und vertröstet auf einen "gegebenen Zeitpunkt". Die Begründung: Beschluss des Vorstandes.

Ein sperriger Umgang mit der Presse sei typisch für Vereine, die zum Bildungsnetzwerk des muslimischen Predigers Fethullah Gülen gehören. Diese Ansicht vertritt der Übersetzer und Journalist Ahmet Arpad. Der 60-Jährige lebt in Stuttgart. Ende der 1990er-Jahre habe die Gülen-Bewegung in Baden Württemberg die ersten Nachhilfekreise und später auch Schulen gegründet, erzählt Ahmet Arpad. Er erinnere sich zum Beispiel an die Eröffnung des "Bil-Gymnasiums" in Stuttgart 2004:

"Ich hab Herrn Muammar Akin, das ist der Schulleiter, nach den Geldquellen gefragt. Und der hat mir ganz offen gesagt: 'Glauben Sie, wir bekommen unser Geld von den Saudis? Wir haben unsere Sponsoren.' Dann habe ich nach einer Weile nach den Schülerzahlen gefragt, bekam ich keine Informationen: 'Wir müssen Ihnen keine Informationen geben.' Die haben hier nach einigen Jahren auch einen Arbeitgeberverband gegründet, und da habe ich nach der Zahl der Mitglieder gefragt. Da bekam ich auch keine Antwort."

Ahmet Arpad bekennt offen, kein Freund der Gülen-Bewegung zu sein. Er wirft Fethullah Gülen vor, dem Islam in allen Bereichen des Denkens eine Vorrangstellung einzuräumen. Auch im Bereich der Wissenschaft. Als Beispiel nennt Arpad einen Aufsatz Gülens über Wissenschaft aus dem Jahr 2004, in dem es um die Unfehlbarkeit von Koran und Hadith geht. Der Begriff Hadith steht für die Gesamtheit der Überlieferungen von Aussagen des Propheten Mohammed. In dem Aufsatz heißt es:

"Koran und Hadith sind wahr und absolut. Wissenschaft und wissenschaftliche Fakten sind wahr, solange sie mit Koran und Hadith übereinstimmen. Sobald sie aber eine andere Position einnehmen oder von der Wahrheit von Koran und Hadith wegführen, sind sie fehlerhaft."

Es sind Textpassagen wie diese, die eine Skepsis gegenüber der Gülen-Bewegung begründen. Auch für Friedmann Eißler von der evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen:

"Wissenschaft hat die Aufgabe, Religion sozusagen zum Leuchten zu bringen. Und das ist natürlich ein Problem. Wenn wir heute auf unseren Bildungsbegriff hier im Westen schauen, dann geht es um mündige Bürgerschaft, also keine Indoktrination, Kontroversität, Selbstbestimmung. Das wird durch einen Bildungsbegriff, wie er bei Fethullah Gülen propagiert wird, infrage gestellt, wenn nicht gar konterkariert."

Nach Überzeugung von Ercan Karakoyun widerspricht eine derartige Interpretation der Intention von Fethullah Gülen vollkommen. Der 32-jährige Berliner ist Stadtsoziologe und geschäftsführender Vorstand des "Forums für Interkulturellen Dialog e.V.", kurz: FID. Ehrenvorsitzender des Vereins: Fethullah Gülen.

"Ich glaube, dass dieses aus dem Zusammenhang gerissene Zitat etwas anderes verdeutlichen will. Es will etwas verdeutlichen, was jeder Jude, jeder Christ und auch jeder Buddhist auch unterstreichen würde, und zwar, dass es gewisse Dinge gibt, die Wissenschaft nicht beweisen kann. Das ist zum Beispiel die Existenz Gottes, das ist zum Beispiel die Existenz des Paradieses und der Hölle, die Reinkarnation für bestimmte Religionen. Das sind einfach Sachen, die kann die Wissenschaft einfach nicht beweisen."

Es ärgert Ercan Karakoyun, dass die Gülen-Kritiker häufig Zitate des Predigers an den Pranger stellen, die teilweise älter als 30 Jahre sind. Irritierende Zitate, in denen Gülen Darwins Theorien attackiert, sich zweideutig über Juden äußert oder den Männern rät, die Frauen gefügig zu machen. Diese Texte möchte Ercan Karakoyun nicht kommentieren. Der Fethullah Gülen von 1980 sei ein anderer als der Fethullah Gülen von heute:

"Wenn wir ständig uns die Zitate anschauen, die er in den 60er-, 70er- und 80er-Jahren geführt hat, können wir zu keinem Urteil über Gülen kommen. Denn in jüngsten Veröffentlichungen sagt er zum Beispiel, dass Frauen, die von ihren Männern geschlagen werden, Karate, Judo und Taekwondo lernen sollen und zurückschlagen sollen. Er spricht sich für eine vollkommene Gleichstellung von Mann und Frau aus. Und wer sein Leben genau analysiert, der sieht ganz schnell, dass er die Demokratie befürwortet und dass er für religiöse und ethnische Vielfalt ist."

Zurück zu TÜDESB: Könnte es sein, dass der Verein befürchtet, mit kritikwürdigen Texten von Fethullah Gülen in Verbindung gebracht zu werden? Zumal die Schriften des Predigers aus dem letzten Jahrhundert über die Webseiten der Bewegung nach wie vor zu lesen oder zu beziehen sind, ohne dass erkennbar wäre, wann sie tatsächlich entstanden. Spielt das Thema Gülen überhaupt eine Rolle an den TÜDESB-Schulen?

"Mit Religion werden wir hier nicht konfrontiert"
Rückblick. Sommer 2009: Ein Besuch im Spandauer TÜDESB-Gymnasium. Auf dem Pausenhof – ein paar Jungen in Schuluniform: Graue Hosen, weißes Hemd, blauer Pullunder und Krawatte.

"Unsere Lehrer auf dieser Schule sind alle sehr nett und nehmen sich auch wirklich viel Zeit mit uns. Wir helfen uns in allen Lagen. Die Atmosphäre ist in Ordnung."

"Und die Schule gibt einem Zukunft, besser als auf anderen Schulen."

Und welche Rolle spielt die Religion an der Schule?

"Bei uns ist es ja so, dass die Mehrheit vielleicht auch Muslime sind, aber es gibt auch ein paar christliche Schüler von uns, also Religion spielt nicht so eine große Rolle an dieser Schule."

"Also, mit Religion werden wir hier nicht konfrontiert."

Auch wenn die Mehrheit der damals rund 150 Schüler und Schülerinnen aus türkischstämmigen Einwandererfamilien kommt: Die Unterrichtssprache am TÜDESB-Gymnasium ist deutsch. Erste Fremdsprache ist Englisch; die zweite wahlweise Türkisch oder Französisch. Statt Religion steht das Fach Ethik auf dem Stundenplan. Und besonders viel Wert lege die Schule auf den Deutschunterricht, sagt Deutschlehrerin Astrid Girod:

"Also hier liegt natürlich auch ein Schwerpunkt auf der Sprachförderung dieser Schüler. Ich habe eine Stunde zusätzlich Deutsch, habe dann eine Stunde Teilungsunterricht Deutsch, ich kann also sehr intensiv mit den Schülern arbeiten als Deutsch- und Geschichtslehrerin."

Schulleiterin Sabrina Leberecht gibt in ihrem Büro freundlich Auskunft darüber, dass der Lehrstoff den vom Land Berlin verordneten Richtlinien folgt, dass in einer Klasse maximal 22 Kinder sitzen und dass die Lehrer nachmittags bei den Hausaufgaben helfen. Diese intensive Förderung koste die Eltern 350 Euro Schulgeld im Monat, so die Direktorin. Für Geschwisterkinder und Schüler aus sozial schwachen Familien gälten Sonderregelungen. Und wie steht die Schule zu Fethullah Gülen? Sabrina Leberecht schüttelt den Kopf:

"Wir gehören nicht zum Netzwerk von Fethullah Gülen. Und es macht einen so ein bisschen ärgerlich, dass die Initiative, die die Eltern hier einbringen, immer mit einem Netzwerk von Fethullah Gülen in Verbindung gebracht wird und dadurch eigentlich abgewertet wird, und das ist nicht fair."

Bilanz des Besuches an dem TÜDESB-Gymnasium vor drei Jahren: Die Schule gewährt offen und freundlich Einblick in Abläufe und Unterricht - aber eine Verbindung zum Netzwerk von Fethullah Gülen wird klar verneint.

Heute, so vermutet der Publizist Jochen Thies aus Berlin, würde TÜDESB mit der Verbindung zu Gülen wahrscheinlich anders umgehen. Der frühere Hörfunkjournalist Thies schreibt gerade ein Buch über deutsche Schulen des Bildungsnetzwerkes von Fethullah Gülen und sitzt im Beirat von Ercan Karakoyuns "Forum für interkulturellen Dialog", FID.

"TÜDESB, nach meinem Eindruck, hat sehr schlechte Erfahrungen in den letzten zwei, drei Jahren mit Journalisten gehabt. Sie sind sehr vorsichtig geworden. Aber die Bewegung insgesamt, was Kommunikation angeht, ist sehr vorsichtig. Und ein weiterer Gesichtspunkt: Die Bildungsbewegung der Deutsch-Türken rund um Gülen hat in Deutschland begonnen vor einigen Jahren auf der lokalen Ebene. Das heißt, da ist auch eine Unerfahrenheit mit Kommunikation, mit Medienpräsenz, da sind nach meinem Eindruck die Deutsch-Türken auch in einem Lernprozess, und hat es sehr viele Veränderungen in den letzten zwei bis drei Jahren gegeben."

Das "Gülen-Netzwerk" und der Vorwurf der Intransparenz
Wenn hier von "Gülen-Bewegung" die Rede sei, dann dürfe man sich darunter keine Organisation vorstellen, in der von oben nach unten Anweisungen ergehen, die dann von der Gefolgschaft ausgeführt werden, sagt Kristina Dohrn. Die Berliner Ethnologin schreibt an der FU über die Gruppierung ihre Doktorarbeit.

Die Anhänger der Bewegung ließen sich von den Ideen Fethullah Gülens leiten, ihr Engagement organisiere sich in Netzwerkstrukturen. Führende Akteure träfen sich in Gesprächskreisen, sogenannten "Sohbets". Dort werde in erster Linie über die Ideen Gülens und deren Umsetzung gesprochen. Aber nicht jeder, der in Gülen-Schulen unterrichte, gehöre zu diesem Netzwerk. Kristina Dohrns Beobachtung: Die Festigung der islamischen Überzeugungen im Sinne Fethullah Gülens findet nicht in den öffentlichen Schulen statt. Teilweise würden Schüler und Schülerinnen aber in den Nachhilfezentren angesprochen:

"Viele, die ich interviewt habe und die auch Lehramtsstudenten waren häufig, die waren tätig in den Nachhilfezentren der Bewegung. Und dort war das schon so der Fall, dass Schüler, wo man gemerkt hat, dass die Eltern eben auch diese Nähe zu Gülen oder einfach nur zum islamisch konservativeren Umfeld mitbringen, dass sie die auch eingeladen haben zu Nachmittagsgruppen, wo man zusammen ins Kino gehen und dann zum Beispiel ein 'Sohbet' macht danach."

Der Berliner Publizist Jochen Thies sagt, er sei bei seinen Besuchen in den Schulen des Netzwerkes nie religiöser Beeinflussung begegnet. Einen Spiegel-Artikel, der über Gülen-Wohngemeinschaften, sogenannte "Lichthäuser" berichtet, in denen junge Menschen religiös indoktriniert würden, nennt Jochen Thies "abenteuerlich":

"Es handelt sich um Wohngemeinschaften, wie wir sie in Deutschland seit den 1960er-Jahren kennen. Ich muss das, was in der deutschen Presse über Lichthäuser steht, in den absoluten Bereich der Fantasie zurückweichen."

Ethnologin Kristina Dohrn sieht das differenzierter. Die religiösen Bindungen und Aktivitäten verschiedener Gruppen und Kreise innerhalb des Bildungsnetzwerks von Fethullah Gülen sind ihrer Ansicht nach vielgestaltig. Es gebe zum Beispiel Wohngemeinschaften, die sich äußerst strengen religiösen Regeln unterzögen und Gruppen, die den Alltag lockerer angingen. Kristina Dohrn hält es für problematisch, dass die Bewegung nicht offen über ihre religiösen Aktivitäten spricht:

"Ich denke, man hat auch Angst, dass wenn man mit diesem religiösen Aspekt in die Öffentlichkeit geht, dass man sich dann extremer Kritik aussetzen wird. Und um das sozusagen zu vermeiden, wird da nicht groß drüber gesprochen. Ob sie sich damit wirklich einen Gefallen tun, ist 'ne Frage, weil dadurch immer ständig der Vorwurf der Intransparenz im Raum ist."

Der Berliner Gülen-Anhänger Ercan Karakoyun glaubt, dass den Menschen der türkischen Community der religiöse Kontext der Gülen-Schulen vollkommen klar sei. Bei der deutschen Mehrheitsgesellschaft sei das jedoch anders:

"Ich glaube, dass uns soziale Bewegungen, die eine religiöse Motivation haben in Deutschland relativ unbekannt sind. Daher gibt es den Vorwurf der Intransparenz. Ich aber bin der Meinung, dass alle Aktivitäten sowie auch die Finanzen der einzelnen Institutionen sehr transparent sind. Des Weiteren können wir in den einzelnen Vereinen zum Beispiel sehen, dass sie über sehr vielfältige Vorstände verfügen und dass die Lehrer, die Mitglieder, die Eltern, die Schüler auch vielfältig sind. Daher ist es nicht immer einfach, eine Institution der Bewegung zuzuordnen."

Die finanzielle Transparenz des Trägervereins TÜDESB wird von der Berliner Senatsverwaltung bestätigt. Die Schulen finanzierten sich durch Spenden und würden nach ihrer Anerkennung als Privatschulen staatlich unterstützt. Ansonsten äußere man sich nicht zu Schulen in privater Trägerschaft. Staatssekretär Mark Rackles, SPD, will nur allgemein zu der Idee eines Bildungscampus etwas sagen:

"Für uns ist immer relevant, also ziehen so große Einheiten auch gerade in Problembereichen vielleicht erhebliche Bestände an leistungsorientierten Kindern aus dem öffentlichen System raus. Und das ist dann ein Problem, dem können wir aber rechtlich gar nicht entgegenwirken. Da geht's eher darum, dass man sagt, wir müssen eben das Angebot der öffentlichen Schulen dann doch reizvoller machen. Dass wir eben diese schwierigen Schulen in schwieriger Lage versuchen zu ertüchtigen, dass eben man nicht so das Gefühl hat, man ist gezwungen, in den privaten Bereich auszuweichen."

Der Verein TÜDESB könnte mit seinem geplanten Bildungscampus eine Konkurrenz für das staatliche Schulsystem darstellen. Noch finden die Privatschulen der Gülen-Bewegung vor allem bei türkischstämmigen Einwandererfamilien Anklang. Das wird möglicherweise nicht so bleiben. Wäre es nicht an der Zeit, dass die Gülen-Bewegung ihre religiösen Aktivitäten klar offenlegt und deutlich macht, in welchen Gruppen der Islam eine Rolle spielt und in welchen nicht? Und gilt das nicht auch für TÜDESB?