Attraktion statt Auseinandersetzung?
Bespitzelung, Straflager und unschuldig Verhaftete – in Albanien ist eine Auseinandersetzung mit der Diktatur längst überfällig. Über die neu entstandenen Museen sind die Opfer der Hoxha-Diktatur trotzdem wütend. Ihr Vorwurf: Die Geschichte wird nicht aufgearbeitet, sondern zur Attraktion gemacht
"Haus der Blätter" hieß die ehemalige Zentrale des albanischen Geheimdienstes Sigurimi – wegen des Efeus, der die Fassade vollständig überwucherte. Hierher kam kein normal sterblicher Albaner, denn von hier aus beobachtete, verfolgte und belauschte die Stasi von Diktator Enver Hoxha ihre Bürger.
Die Täter werden kaum eingeordnet
In den drei Etagen werden die Spitzelmethoden und Instrumente wie versteckte Mikrofone und Kameras erklärt, schon auf Albanisch allerdings sparsam und noch weniger auf Englisch. Die Täter von damals werden kaum eingeordnet, was vor allem bei noch heute strittigen Personen problematisch ist, findet Nebil Cika von der Antikommunistischen Assoziation für politisch Verfolgte.
"Das Foto des letzten Innenministers der Diktatur Gramoz Ruçi hängt in dem Museum. Er ist heute Parlamentsabgeordneter und soll sogar Parlamentspräsident werden. Wie soll das gehen? Das verwirrt die Leute. Ist er nun ein Krimineller oder der Chef des Parlaments?"
"Das Foto des letzten Innenministers der Diktatur Gramoz Ruçi hängt in dem Museum. Er ist heute Parlamentsabgeordneter und soll sogar Parlamentspräsident werden. Wie soll das gehen? Das verwirrt die Leute. Ist er nun ein Krimineller oder der Chef des Parlaments?"
In keinem der ehemaligen Straflager wird der Opfer gedacht
Für Jonila Godole vom zivilgesellschaftlichen Institut für Demokratie, Medien und Kultur ist die in ein Museum umgewandelte Sigurimi-Zentrale der erste Schritt in die richtige Richtung, denn endlich sei eine Erinnerungsstätte an einem authentischen Ort entstanden.
Vor allem vermisst sie aber Gedenkstätten in den einstigen Straflagern. In keinem wird bislang der Opfer gedacht, an ihr Leid erinnert.
"Wenn der Staat sagen würde, wir gehen nach Tepelena und nach Spac, dann würde das bedeuten, wir stehen zu dieser Vergangenheit. Dass wir etwas getan haben. Aber das machen sie nicht."
"Wenn der Staat sagen würde, wir gehen nach Tepelena und nach Spac, dann würde das bedeuten, wir stehen zu dieser Vergangenheit. Dass wir etwas getan haben. Aber das machen sie nicht."
Bislang konnten Touristen und Einheimische etwas über die kommunistische Diktatur in zwei unterirdischen Bunkern erfahren. Bunk Art ONE und Bunk Art TWO heißen diese Ausstellungen. Die Opferverbände beklagen, dass sie bei der Gestaltung nicht zu Rate gezogen worden sind.
Kaum Informationen zu den 10.000 Opfern der Hoxha-Diktatur
In der Bunker-Galerie in der Innenstadt, die Bunk Art ONE genannt wird, hängen in der Fotogalerie der Opfer nur sehr wenige Porträts, die sich sogar wiederholen. Obwohl während der Hoxha-Diktatur fast 10 000 Personen getötet worden sind. Einigen Ex-Häftlingen passt das ganze Projekt nicht, sie wurden vor Wut sogar handgreiflich. Sie versuchten, den Eingang zu demolieren, auch weil der in Form der typischen halbrunden Betonbunker aus der Hoxha-Zeit gestaltet wurde. Ergüs Keska, der Direktor des vielgescholtenen Museums, sieht in dem Zerstörungsversuch einen Teil von Albaniens Geschichte.
"Der Bunker ist eine Kopie der vielen Bunker überall im Land – diese Monumente des Kommunismus. Wir haben uns entschlossen, das Loch zu lassen, weil es eine Menge über unser Land aussagt, in dem die Erinnerungskultur gerade beginnt."
"Der Bunker ist eine Kopie der vielen Bunker überall im Land – diese Monumente des Kommunismus. Wir haben uns entschlossen, das Loch zu lassen, weil es eine Menge über unser Land aussagt, in dem die Erinnerungskultur gerade beginnt."
"Wir wollen uns nicht wirklich mit unserer Vergangenheit beschäftigen"
Jonila Godole, deren Institut vor allem Jugendliche über die kommunistische Diktatur informieren will, kann die Rage der ehemaligen politisch Verfolgten gut verstehen.
"Wir haben 750 000 (Bunker) gehabt. Manche wurden in die Luft gesprengt und jetzt bauen sie einen neuen. Das war kein Ort der Erinnerung und des Leidens, wo wir diese Orte noch haben. Und das ist für mich ein Zeichen: Wir wollen uns nicht wirklich mit unserer Vergangenheit beschäftigen, sondern wir schaffen neue Attraktionen, hier in der Stadt."
"Wir haben 750 000 (Bunker) gehabt. Manche wurden in die Luft gesprengt und jetzt bauen sie einen neuen. Das war kein Ort der Erinnerung und des Leidens, wo wir diese Orte noch haben. Und das ist für mich ein Zeichen: Wir wollen uns nicht wirklich mit unserer Vergangenheit beschäftigen, sondern wir schaffen neue Attraktionen, hier in der Stadt."
Zeugnisse der Diktatur als Kunstinstallation
Simon Mirakaj, der die längste Zeit seines Lebens in einem Lager verbringen musste, findet das Museum in der ehemaligen Sigurimi-Geheimdienst-Zentrale gelungen, gegen die beiden bisherigen Kommunismus-Ausstellungen in den Bunkern aber hat er ebenfalls große Vorbehalte.
"Grundsätzlich ist es ein richtiger Schritt. Bei den Protesten, als sie versucht haben den neu gebauten Bunker am Eingang zu zerstören, war ich nicht dabei, denn ich bin gegen jeglichen Vandalismus. Aber ich habe Bedenken, denn ich finde, dass man nicht Zeugnisse des Kommunismus in Kunstinstallationen umwandeln sollte. Und davon abgesehen stört dieser neue Bunker die Harmonie des Gebäude-Ensembles an diesem Platz, auch deshalb bin ich dagegen."