"Erbschaftssteuer kann Ungleichheit mindern"
Grundsätzlich ist die Erbschaftsteuer für Firmen-Erben sehr berechtigt, findet Lorenz Jarass. Leider sei der Entwurf der Bundesregierung für ihre Neueregelung aber "super-kompliziert" und nicht frei von Schlupflöchern, bemängelt der Wirtschaftswissenschaftler.
Das Bundesverfassungsgericht hatte im vergangenen Jahr entschieden, dass Erben von Unternehmen im Vergleich zu anderen Erben privilegiert seien. Deshalb hat das Bundeskabinett jetzt einen Entwurf für ein neues Gesetz vorgelegt. Danach sollen Firmenerben auch in Zukunft weitgehend von der Steuer befreit werden, wenn sie das Unternehmen langfristig weiterführen und damit Arbeitsplätze erhalten.
Bei Betrieben, in denen der Wert, der auf den einzelnen Erben entfällt, bei über 26 Millionen Euro liegt, sollen zusätzliche Anforderungen greifen. Während Vertreter von Opposition und Gewerkschaften die Neuregelung als Kniefall vor den Superreichen kritisieren, geht sie Wirtschaftsverbänden nicht weit genug.
"Nicht ein Unternehmen ist pleite gegangen"
Die Problematik der Erbschaftssteuer werde von den mittelständischen Familienunternehmen teils etwas überzogen dargestellt, ließ der Wirtschaftswissenschaftler Lorenz Jarass von der Hochschule RheinMain in Wiesbaden dazu durchblicken.
Im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur sagte er: "Es gibt nicht ein Unternehmen, das durch die Erbschaftssteuer so in Schwierigkeiten gekommen ist, dass es pleite gegangen ist. (...) Wir haben ja schon mehrere Erbschaftssteuer-Reformen gehabt. Und das Bundesfinanzministerium hat die Unternehmerverbände immer aufgefordert, doch Beispiele zu nennen, wo Unternehmen in Schieflage gekommen sind, und es konnte nicht ein Unternehmen genannt werden."
Wachsende Schere zwischen Arm und Reich
Jarass sagte, man sollte sich den Grund für die Erbschaftssteuer in Erinnerung rufen. "Wir haben eine wachsende Schere zwischen Vermögenden und Habenichtsen." Die Wohlhabenden hätten immer mehr und andere hätten weiter nichts. "Genau deshalb hat man eine Erbschaftssteuer, damit man diese wachsende Ungleichheit etwas vermindert."
Es gebe aber einen Punkt, bei dem man Familienunternehmen recht geben müsse. "Es gibt einen krass unfairen Wettbewerb zwischen eigentümergeführten Gesellschaften und Kapitalgesellschaften", sagte Jarass. Der Eigentümer müsse, wenn er seine Firma an die nächste Generation weiter vererbe, prinzipiell Erbschaftssteuer bezahlen. Die Kapitalgesellschaft dagegen nicht. Dies müsse als unfairer Wettbewerb verändert werden.
Besteuert werden sollte "das in Deutschland gelegene Vermögen"
Die Erbschaftssteuer sei eine von mehreren Maßnahmen, die Ungleichheit vermindern können, sagte Jarass. Sie müsse aber sinnvoll eingeführt werden und nicht, wie jetzt, in einem "super-komplizierten Verfahren".
Der jetzige Reformvorschlag führe allerdings dazu, dass nur die Unternehmen weiter Erbschaftssteuer bezahlten, die schlecht beraten seien. Das Hauptproblem sei allerdings, dass viele sehr große Besitzer ihren Wohnsitz in die Schweiz verlegt hätten. Dort seien sie dauerhaft und ganz legal von der Erbschaftssteuer befreit. "Deshalb sollte man jetzt die Erbschaftssteuer so reformieren, dass das in Deutschland gelegene Vermögen der Erbschaftsbesteuerung unterliegt." So werde das bereits in Spanien gemacht.