Umstrittener Führungsstil

Barenboim reagiert auf Vorwürfe

02:50 Minuten
Daniel Barenboim
Ein Schlagzeuger berichtet von Angst, Bluthochdruck und Depressionen wegen der Zusammenarbeit mit Barenboim. © dpa / picture alliance / Mohamed Omar
Von Maria Ossowski |
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Demütigt Daniel Barenboim Musiker, bis sie kündigen? Oder muss ein Orchester klare Ansagen aushalten? Drei Musiker sind aus der Anonymität herausgetreten und haben sich über seinen Umgangston beschwert. Der Dirigent begründet das mit seiner Herkunft.
Schlechte Laune, Wutanfälle, Ausraster: Dies werfen drei Musiker, die mit ihrem vollen Namen genannt werden wollen, Daniel Barenboim vor. Keine physische Gewalt, nichts, was vor Gericht Bestand hätten, sondern vor allem Machtspiele.
Daniel Barenboim wirkt ernst und gefasst, als ich ihn mit den Beispielen konfrontiere. Ob er rauchen dürfe, fragt er, wirklich? Und zündet sich eine Zigarre an. Die zunächst anonymen und jetzt namentlich konkreten Vorwürfe beschäftigen den Maestro sichtlich.

Barenboim: "Ein bisschen lateinamerikanisches Blut"

Ich bin erstaunt, dass er sich detailliert mit den Vorfällen beschäftigt. Er reagiert nicht nach dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung", womit ich gerechnet hatte. Er sei nicht besser als andere Menschen, sagt er, bloß weil er ein Musiker ist.
"Jeder kennt sich selbst besser als er andere Leute kennt. Ich bin in Argentinien geboren, also ein bisschen lateinamerikanisches Blut ist in meinem Körper, und ich rege mich auf. Ab und zu. Und um ganz ehrlich zu sein, sagen Sie das bitte nicht weiter, ich finde das nicht falsch."
Zwei ehemalige Musiker der Staatskapelle berichten im Bayerischen Rundfunk, sie hätten Angst gehabt vor Demütigungen in den Proben. Nein, so Barenboim, dies sei eine Grenze, gedemütigt habe er keinen Menschen. Wie erklärt der Dirigent dann, dass ein Bassposaunist oder ein Schlagzeuger seine Kritik fürchteten?
"Mein Interesse ist doch, dass er sein Bestes liefert. Ich werde ungeduldig, wenn ich glaube, er kann das liefern, und aus irgendeinem Grunde tut er es nicht. Da bin ich manchmal ungeduldig, natürlich, aber ich finde das nicht anormal."
Der Schlagzeuger Willi Hilgers berichtet von Angst, Bluthochdruck, Depressionen wegen der Zusammenarbeit mit Barenboim. Nach seinem Wechsel in ein anderes Orchester sei es ihm schlagartig besser gegangen.
"Ich erinnere mich an ihn. Er kam 1999, er hätte einen sehr schönen Klang. Was selten ist auf der Pauke. Und er konnte deswegen auch sehr, sehr empfindsame Farben machen. Aber er hatte einen sehr schwachen Rhythmus. Und die Hauptfunktion der Pauke ist eine rhythmische Funktion. Und ich habe versucht, mit ihm zu sprechen, er hat dann gesagt, ja, so und so, und ich habe gesagt, das muss stimmen. Und wenn er wirklich so gelitten hätte, was ich ihm nicht glaube, wäre er hier nicht 16 Jahre geblieben."

Keiner der Vorwürfe ist justiziabel

Das ehemalige Staatskapellenmitglied, der Posaunist Martin Reinhardt erinnert sich an eine Walküre in London, wo Barenboim vor dem Publikum wütend geworden sei. Barenboim gibt zu:
"Es ist nicht eine schöne Eigenschaft, es passiert mir nicht oft, ab und zu ist es passiert. Das war das Schlimmste bei Celibidache, und ich habe mich so geärgert über ihn, als ich das beobachtet habe. Und Sie können sich vorstellen, dass ich mich doppelt aufgeregt habe, wenn das kommt, und ich kann das nicht kontrollieren. Es passiert mir selten, und es tut mir leid, nicht wegen einer bestimmten Person, sondern für das ganze Orchester, denn wenn wir auf der Bühne sind, sind wir eins. Und da hat niemand das Recht, sowas zu zeigen."
Alle Orchestermusiker sind sich in einem einig: Barenboim ist ein genialer Musiker, und das Ergebnis harter Arbeit sind grandiose Konzerte und Opernabende. Müssen wir dann die Launen eines Dirigenten ertragen um hinreißender musikalischer Momente Willen?
"Das Ergebnis justifiziert nicht alles, und das Ergebnis kann nur so gut sein im Falle der Staatskapelle, weil wir gemeinsam das schaffen. Ich schaffe das nicht allein. Das heißt, wenn das Ergebnis so positiv ist, ist es nicht das Verdienst von einer Person, auch wenn er genial ist. Es ist das Ergebnis von einer Zusammenarbeit, das heißt: eins werden."
Keiner der Vorwürfe gegen Barenboim ist justiziabel. Es geht um Zwischenmenschliches, um Stimmungen, um Allianzen, um Macht. Vielleicht, so Barenboim, auch um eine unkäufliche künstlerische Autorität, die manche Leute ärgert. Und er sei kein Lamm, das wisse er durchaus.
Daniel Barenboim, dem das Berliner Musikleben unendlich viel zu verdanken hat, sieht in diesen Anwürfen eine Kampagne. Jeder wisse, dass der Senat und er in Vertragsverhandlungen stünden. Warum seien seine Kritiker nicht in den vergangenen 27 Jahren gekommen, fragt er. So sehr verändert habe er sich nicht. Fest steht: Die Kritik an seinem Führungsstil geht an Barenboim nicht spurlos vorüber. Ein Zeichen der Schwäche ist das nicht, ich nehme seine Haltung nicht als Rechtfertigung, sondern als Stärke wahr und als Chance, die Probleme mit dem Orchester zu lösen.
"Ich weiß nicht, ob ich intelligent bin, aber total dumm bin ich nicht. Ein dummer Mensch würde jetzt sagen: Ich bin so, wie ich bin. Macht damit, was Ihr wollt, ich bin eben so. Wenn das Orchester oder Sie mich zu dem Punkt bringen, dass ich meine Eigenschaften, meinen Charakter verbessern kann, bin ich nur dankbar."
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