Polen müssen die Konsequenzen selbst spüren
Die polnische Regierung hat im Eiltempo das Verfassungsgericht entmachtet, jetzt nimmt sie sich die öffentlich-rechtlichen Medien vor. Dennoch sei es falsch, jetzt schon die ganz große Keule gegen Warschau zu schwingen, kommentiert Florian Kellermann.
Die Politiker der Regierungspartei PiS klingen stolz: Von einem "Blitzkrieg" sprach einer ihrer Abgeordneten - er wusste nicht, dass ein Mikrofon eingeschaltet war. Seine Kollegin Krystyna Pawlowicz scherzte ganz öffentlich: Regierungskritische Journalisten sollten in einer erzkatholischen Medienakademie resozialisiert werden.
Allmachtsfantasien machen sich breit im polnischen Regierungslager. Denn nachdem sich die rechtskonservative Partei PiS Geheimdienste und staatliche Unternehmen untergeordnet hat, kommen nun die öffentlichen Medien und der Beamtenapparat an die Reihe. Das Eiltempo, das sie dabei eingelegt hat, verhindert eine gesellschaftliche und politische Debatte.
Die PiS beschädigt die demokratische Kultur
Wie die PiS vorgeht, ist alles andere als sympathisch. Sie beschädigt die demokratische Kultur und das Ansehen wichtiger staatlicher Institutionen. Trotzdem ist es falsch, schon jetzt die ganz große Keule gegenüber Warschau zu schwingen, wie das einige EU-Politiker tun. Ein Staatsstreich, wie EU-Parlamentspräsident Martin Schulz meint, liegt in Polen nicht vor. Die PiS wurde gewählt. Sie hat die Demokratie auch nicht noch abgeschafft - ihre Gegner können in der Warschauer Innenstadt demonstrieren, kritische Medien frei berichten.
Die Polen müssen die Lehre aus der amtierenden Regierung schon selbst ziehen. Schließlich hätten sie wissen können, wer der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski ist. Er war vor knapp zehn Jahren Ministerpräsident, seine Partei ordnete sich die öffentlichen Medien schon damals unter. Vergessen wir auch nicht, dass gerade viele junge Wähler die PiS und in großer Zahl sogar noch weit populistischere Parteien gewählt haben. Sie sollten spüren, welche Konsequenzen deren teils verantwortungslose Programme für ihr Land haben. Wenn sich bei ihnen jetzt erste Zweifel an ihrer Wahl regen, dann sind großspurige Töne aus mächtigeren EU-Ländern nur kontraproduktiv.
Auch die "Bürgerplattform" hat die öffentlich-rechtlichen Medien benutzt
Hinzu kommt, dass die Hilferufe der heutigen polnischen Opposition mit großer Vorsicht zu genießen sind. Auch die rechtsliberale "Bürgerplattform" hat die öffentlichen Medien in ihren acht Regierungsjahren für sich benutzt, anstatt sie wirklich unabhängig zu machen und für eine solide Finanzierung zu sorgen. Und obwohl das Verfassungsgericht der Regierung aufgetragen hatte, die Macht der Geheimdienste zu beschränken, unternahm sie nichts.
Deshalb wäre ein bisschen mehr Abstand zu den Ereignissen in Warschau wünschenswert, zumindest bis auf Weiteres. Wir sollten abwarten, was die PiS mit der angehäuften Machtfülle tatsächlich unternimmt.