Volkstheater Rostock wird reines Opernhaus
Der Rostocker Oberbürgermeister Roland Methling hat entschieden: Aus dem Volkstheater wird ein Opern- und Konzerthaus. Dabei war Intendant Sewan Latchinian im September 2014 mit einem Vier-Sparten-Konzept angetreten. Will Methling so seinen Intimfeind wegekeln?
Ja, es wird musiziert, gespielt, getanzt am Volkstheater Rostock: Die Weill-Brecht-Oper "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny", die wunderbare Adaption des Ballettklassikers "Schwanensee" "SchwarzWeissSchwan", das Theaterstück "Beluga schweigt", das vorigen Donnerstag Premiere hatte. Doch die Künstler, Bühnenbildner, Beleuchter konnten sich im letzten Jahr kaum freimachen von der andauernden kulturpolitischen Unruhe rund um ihr Haus. Nun also aus ihrer Sicht eine traurige Entscheidung, aber eine, die zumindest Planungssicherheit bringt.
Methling ist überrascht über Latchinians Überraschung
Denn die Bürgerschaft hätte den Beschluss der Theatergesellschafter an diesem Mittwoche kippen können, zog es aber einhellig vor, die Sondersitzung abzublasen. Damit kann die Theatergeschäftsführung sofort beginnen, den Auftrag von Oberbürgermeister Methling zu erfüllen, nämlich das Opernhaus-Modell schnellstmöglich mit konkreten Ideen zu beleben bzw.:
"Zu untersetzen und umzusetzen. Genauso sind die Formulierungen."
Das erklärte Intendant Sewan Latchinian gegenüber Deutschlandradio. Fraglich, ob er den Job erfüllt oder vorzeitig hinwirft. Im September 2014 mit einem 4-Sparten-Konzept in Rostock angetreten, hatte Latchinian immer wieder erklärt, mit ihm werde es kein Rumpftheater und keine Entlassungen geben. Nun sollen Opernchor, Orchester und Opernensemble bleiben. Die anderen Sparten aber müssen weichen oder so eingeschränkt werden, dass sie nicht mehr eigenständig operieren können.
"Also der Gesellschafterbeschluss des OB ist für mich völlig überraschend. Das durchaus auch durch mein persönliches und künstlerisches Engagement der Fehler, die Sparte Musiktheater abzuschaffen, korrigiert werden konnte, freut mich natürlich. Dass nun aber die Sparten Tanz und Schauspieltheater abgeschafft werden sollen, wäre aus meiner Sicht wieder ein Fehler. So weiß ich im Moment nicht, was meine Funktion in diesem Prozess noch sein kann und kann nur im Verständnis bitten, dass ich ein paar Tage der Klärung brauche, um mich konkreter äußern zu können."
Manche Kulturbeobachter vermuten, der Oberbürgermeister wolle mit dem Opernhaus-Auftrag seinen Intimfeind Latchinian wegekeln, immerhin ein Mann des Sprechtheaters. Roland Methling hält dagegen:
"Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass - auch aus meiner Erfahrung mit der Rostocker Theaterszene - Orchester und Schauspiel in einer Studentenstadt wie Rostock die bessere Variante gewesen wäre. Aber wenn der kulturpolitische Sachverstand - Geschäftsführung und Aufsichtsrat gemeinsam - zu der Auffassung gelangt, Opernhaus ist die Perspektive für das Theater Rostock, dann werde ich mich dem auch nicht verwehren."
Gastspiele werden noch möglich sein
Zumal gerade die Schauspielsparte schlecht besucht wird. Auch unter Sewan Latchinian spielt man erkennbar am Publikum vorbei. Zweitens sei die Opernhaus-Idee von der Theatergeschäftsführung selbst gekommen, mit den Unterschriften von Geschäftsführer Rosinski und Intendant Latchinian. Überhaupt findet OB Methling Latchinians Überraschung über den Gesellschafterbeschluss erstaunlich:
"Die Überraschung verstehe ich überhaupt nicht. Denn das erste Mal ist Herr Latchinian von diesem Vorschlag als einer Variante bereits im Januar 2015 durch Herrn Rosinski im Beisein aller Fraktionsvorsitzenden - ja - überrascht worden."
Und nun? Dass aus dem Volkstheater nun ab 2018 ein Opern- und Konzerthaus werden soll, heißt nicht, dass die Rostocker vollends auf Schauspiel und Ballett verzichten müssen. Die Intendanz kann den Spielplan jederzeit mit Kooperationen und Gastspielen anderer Bühnen bestücken. In Rostock hoffen übrigens nicht wenige Theaterfreunde, dass dann endlich auch die Studenten der großartigen Hochschule für Musik und Theater besser zum Zuge kommen.
Besonders wichtig ist jedoch, dass die Stadt nun dem dringend nötigen Theaterneubau näher gekommen ist. 50 Mio Euro soll er kosten - von der Stadt allein niemals zu stemmen. Das Land verpflichtete sich voriges Jahr, die Hälfte der Baukosten zu übernehmen. Unter einer glasklaren Bedingung: Das Volkstheater darf für die öffentliche Hand in den nächsten Jahren nicht teurer werden als bislang schon. Denn ausgerechnet das Theater in der größten Stadt des Landes weist seit Jahren im Vergleich zu allen anderen Mehrspartenhäusern im Land mit Abstand die wenigsten Zuschauer, die geringste Eigenfinanzierungsquote und die höchsten Subventionszuschüsse pro Eintrittskarte aus. Das muss etwas passieren - strukturell wie künstlerisch. Die Aussicht auf den so dringend nötigen Theaterneubau zwang die Stadtpolitiker nun endlich, eine Reform-Entscheidung zu treffen.