Umstrittener Tourauftakt von Bertrand Cantat

Seine Tournee "wird von vielen als obszön empfunden"

Der französische Sänger Bertrand Cantat bei einem Auftritt mit seiner Band Detroit während des Vieilles Charrues Festival in Carhaix, Frankreich, am 19. Juli 2014.
"Ein Teil der Öffentlichkeit hatte das Gefühl, dass er nicht lange genug im Gefängnis saß", sagt Cécile Calla über Bertrand Cantat. © picture alliance / epa / Hugo Marie
Cécile Calla im Gespräch mit Gesa Ufer · 02.03.2018
Nach dem tödlichen Streit mit seiner Freundin Marie Trintignant und einem Aufenthalt im Gefängnis versucht der Rocksänger Bertrand Cantat ein Comeback. Dagegen regt sich in Frankreich Protest – auch vor dem Hintergrund von #Metoo, erklärt die Publizistin Cécile Calla.
Bertrand Cantat, der Sänger der Band "Noir Désir", war ein Idol. Er war so etwas wie der französische Jim Morrison: Rocker durch und durch - inklusive wildem, leidenschaftlichen Privatleben.
In einer verhängnisvollen Nacht im Sommer 2003 geriet Cantat in einem Hotel in der litauischen Hauptstadt Vilnius mit seiner Freundin, der berühmten Schauspielerin Marie Trintignant, in einen tödlichen Streit. Aus Eifersucht und schwer betrunken soll er sie so massiv geschlagen haben, dass die 41-jährige Mutter von vier Söhnen ins Koma fiel und schließlich starb.
Die französische Schauspielerin Marie Trintignant (1962 - 2003). Hier ist sie beim Festival des Amerikanischen Films am 4.9.2000 in Deauville zu sehen.
Die französische Schauspielerin Marie Trintignant (1962 - 2003). © picture alliance / epa Niviere
Daraufhin versuchte Bertrand Cantat, sich das Leben zu nehmen, saß dreieinhalb Jahre in Haft und wurde 2007 wegen guter Führung entlassen. Seitdem arbeitet er an seinem Comeback. Im Dezember kam Cantats erstes Soloalbum mit dem Titel "Amor Fati" ("Liebe zum Schicksal") heraus. Seit gestern ist Bertrand Cantat in Frankreich auf Solo-Tour, doch dagegen regt sich Protest.

Das Gefühl, "dass er nicht lang genug im Gefängnis saß"

Der Tod von Marie Trintignant sei eines der wichtigsten Ereignisse im Frankreich der Nuller-Jahre gewesen, erklärt die französische Publizistin Cécile Calla:
"Nicht nur die Familie, sondern auch ein Teil der Öffentlichkeit hatte das Gefühl, dass er nicht lange genug im Gefängnis saß. Die Autopsie zeigte, dass es 19 Schläge waren, vier ins Gesicht. Er hat in dieser Nacht auch zu lange gewartet, um den Arzt zu rufen. Er hatte auch ein Verhalten, das ihn in den Augen der Öffentlichkeit schuldig gemacht hat."
Die #Metoo-Debatte sei im Frankreich der Gegenwart ein noch viel größeres und hochpolitisches Thema als in Deutschland. Deswegen werde die Tournee von Bertrand Cantat von vielen als obszön empfunden, sagt Calla. Die Diskussion um Cantat brandete schon auf, als der ehemalige Sänger der Band "Noir Desir" das Cover der Zeitschrift "Les Inrockuptibles" zierte.

"Elle" konterte mit einem Cover von Marie Trintignant

"Es gab Reaktionen in den sozialen Netzwerken, aber auch politische Reaktionen. Die Staatssekretärin für Frauenrechte war schockiert. Es gab auch viele Künstler, nicht nur Frauen, sondern auch Männer, die sich dazu geäußert haben. Dass dieser Mann wieder sein Leben fortsetzen darf, ist die eine Sache, die andere Sache ist, darf man ihn auf einem Cover wie eine Ikone präsentieren?"
Die "Elle", die meist gelesene Frauenzeitschrift in Frankreich, konterte mit einem Cover mit Marie Trintignant, um dagegen zu protestieren und das Thema Gewalt gegen Frauen in den Mittelpunkt zu rücken, sagt Calla.

Es sei bekannt gewesen, dass er gewalttätig war

Es tauchen immer wieder Vorwürfe gegen Cantat auf, was die Gewalt gegen Frauen betrifft. Da sei zum Beispiel immer noch die Ehe mit seiner Frau Krisztina Rady im Gespräch, mit der er vor Trintignant zusammen war, sagt Calla:
"Das ist auch eine sehr tragische Geschichte, weil sie hat ihn sehr in Schutz genommen während seines Prozess in Litauen. Sie waren schon getrennt, weil er sie auch für Marie Trintignan verlassen hatte. Sie hat vor Gericht gesagt, dass er nie seine Hand gegen sie oder irgendeine andere Frau erhoben hätte. Sie sind zusammengekommen, nachdem er aus dem Gefängnis entlassen wurde und sie hat sich das Leben genommen 2010."
2013 sei ein Buch herausgekommen, in dem auch über Gewalt vonseiten Bertrand Cantats geschrieben wurde, erklärt Calla. Darin wurde ihm vorgeworfen, dass er auch seine Frau Krisztina Rady geschlagen hätte. Zuletzt publizierte die Wochenzeitschrift "Le Point" im Dezember 2017 einen Artikel, in dem Freunde und Mitglieder seiner ehemaligen Band anonym zitiert werden, "dass es offenbar bei engsten Freunden und Nachbarn bekannt war, dass er eben jemand war, der gewalttätig war – gegen seine Frau oder andere".
(cosa)
Mehr zum Thema