Umstrittenes Prestigeobjekt
Stuttgart 21 - das ist eines der umstrittensten Prestigeprojekte der Deutschen Bahn. Der Nutzen durch die geplante Umwandlung des Kopfbahnhofs in einen Durchgangsbahnhof wird von vielen erheblich in Zweifel gezogen. Eine Arbeitsgemeinschaft zum Erhalt des denkmalgeschützten Hauptbahnhofs warnt vor einer architektonischen Verstümmelung.
Eigentlich ist die Nachricht so alt wie der preisgekrönte Entwurf für das Projekt Stuttgart 21: elf Jahre. Auf jeder Zeichnung, jeder Visualisierung war schon damals zu sehen, dass von der dreiflügeligen Bahnhofs-Anlage, die Paul Bonatz in den Jahren 1914 bis 1928 baute, nur noch ein Torso übrig bleiben würde. Beide Seitenflügel, der eine 270 Meter lang, sollen nach diesen Plänen gekappt werden.
Man braucht sie nicht mehr, weil es die Bahnsteige, die sie architektonisch umfangen, nicht mehr geben wird. Der Hauptbahnhof Stuttgart soll vom Kopfbahnhof in einen Durchgangsbahnhof verwandelt werden, die Gleise unter die Erde gelegt und um 90 Grad gedreht werden. Ein Mammut-Projekt, an das kaum einer glaubte. Ein Luftschloss, sagt der Kunsthistoriker Matthias Roser. Doch dann, im Frühjahr, hieß es plötzlich: Teilabriss des Seitenflügels. Und Roser, der sich seit 25 Jahren mit diesem Bauwerk beschäftigt, wurde aktiv. Weil er davon überzeugt ist, dass dieser Bahnhof erhalten werden muss, und zwar vollständig:
Matthias Roser: "Er hat drei Fassaden. Und in dieser Gesamtkomposition, die total asymmetrisch angelegt ist, spielt der längste Flügel mit dem Turm als Hauptakzent eine fundamentale Rolle. Und wenn man diesen Flügel wegnähme, würde die Gesamtkomposition aus dem Gleichgewicht geraten, die wäre kaputt."
Roser steht mit dieser Meinung längst nicht mehr allein. Er hat 67.000 Stuttgarter Bürger um sich geschart. Und Fachleute: Denkmalpfleger und Architekten. 270 Namen aus aller Welt, darunter Richard Meier, Günther Behnisch und David Chipperfield. Es gehe ihnen um den Erhalt des Denkmals, betont Roser, der sich nicht als Radikal-Gegner des Konzepts Stuttgart 21 sieht.
Und doch: Je mehr man sich mit den Planungen auseinandersetzt, desto unsinniger kommen sie einem vor. Ein Teilabriss würde aus dem Bahnhof einen künstlichen Solitär machen. Der neue städtische Platz soll nicht etwa an der repräsentativen Vorder-, sondern an der unscheinbaren Rückseite entstehen. Und die, sagt der Denkmalpfleger Ulrich Krings, hat überhaupt keine architektonische Qualität:
Ulrich Krings: "Die ist ja gestaltet worden, um dort eine große Bahnsteiganlage aufzunehmen und dort Innenfassade zu werden. Und wenn man so etwas durch Freistellung plötzlich zu einer Platzfassade macht, ist das eigentlich auch ein Armutszeugnis."
Damals, 1997, wurden die Architekten Ingenhoven und Frei Otto als Wettbewerbssieger für diese Lösung gefeiert. Auf dem Papier sah alles so schön aus. Die große Geste, mit der man sich scheinbar per Handschlag jedes Problems entledigte, war so einleuchtend: Einfach die Gleise nach unten legen und obendrauf einen schönen Platz gestalten.
Und: Licht auf die unterirdischen Bahnsteige bringen über Einschnitte, schöner gesagt "Augen" auf diesem Platz. Realisiert mit einer Betonschalenkonstruktion, elegant wie ein Blatt Papier. Ein echter Frei Otto eben. Doch Frei Otto ist längst raus aus dem Projekt. Und wer sich heute die Visualisierungen der Architekten anschaut, ist schockiert: Nicht federleichte 50er-Jahre-Architektur erwartet die Stuttgarter.
Auch keine coole James-Bond-Kulisse. Sondern kaltes, seelenloses Ingenieurwesen, das zudem noch alle Maßstäbe sprengt. Den Untergrund dominieren riesige Betontrichter. Und oben werden sich die Passanten von vier Meter hohen Beton-Glas-Höckern umgeben sehen, die ihnen einen Blick über den Platz natürlich versperren. Im Siegerentwurf sah das noch nach lustigen Beulen mit kleinen Löchlein aus. Doch den, sagt Hans-Dieter Lutz, habe der Stuttgarter Städtebau-Auschuss schon damals sehr kritisch gesehen:
"Dieser Platz mit dieser Oberfläche ist urbanistisch nicht nutzbar und stellt eine Abstandsfläche dar zwischen dem Neuen und Bestehenden, und vor dem Bahnhof ist ja auch schon ein Vorplatz wie vor allen Bahnhöfen. Das heißt, der Bahnhof selber, der Torso, hätte keinerlei städtebaulichen Zusammenhang mit der übrigen Stadt, der stünde da drin wie irgendetwas Übriggebliebenes."
Ihre Hoffnung beziehen Matthias Roser und Ulrich Krings mit ihrer "Arbeitsgemeinschaft Hauptbahnhof" jetzt noch aus der ungeklärten Finanzierung des Projekts. Politisch ist es längst abgenickt, nicht aber die Verteilung der Kosten. Kein Mensch weiß, wie hoch das Prestigeprojekt zu Buche schlägt. Von knapp drei Milliarden Euro wird geredet, Verkehrsexperten schätzen die Summe deutlich höher ein.
Dass der Denkmalschutz für ein Projekt solcher Brisanz mal eben ignoriert wird, verwundert weder Ulrich Krings noch Matthias Roser. Keiner setze sich leichter über die Gesetze des Denkmalschutzes hinweg als die öffentliche Hand, so ihre Erfahrung.
Man braucht sie nicht mehr, weil es die Bahnsteige, die sie architektonisch umfangen, nicht mehr geben wird. Der Hauptbahnhof Stuttgart soll vom Kopfbahnhof in einen Durchgangsbahnhof verwandelt werden, die Gleise unter die Erde gelegt und um 90 Grad gedreht werden. Ein Mammut-Projekt, an das kaum einer glaubte. Ein Luftschloss, sagt der Kunsthistoriker Matthias Roser. Doch dann, im Frühjahr, hieß es plötzlich: Teilabriss des Seitenflügels. Und Roser, der sich seit 25 Jahren mit diesem Bauwerk beschäftigt, wurde aktiv. Weil er davon überzeugt ist, dass dieser Bahnhof erhalten werden muss, und zwar vollständig:
Matthias Roser: "Er hat drei Fassaden. Und in dieser Gesamtkomposition, die total asymmetrisch angelegt ist, spielt der längste Flügel mit dem Turm als Hauptakzent eine fundamentale Rolle. Und wenn man diesen Flügel wegnähme, würde die Gesamtkomposition aus dem Gleichgewicht geraten, die wäre kaputt."
Roser steht mit dieser Meinung längst nicht mehr allein. Er hat 67.000 Stuttgarter Bürger um sich geschart. Und Fachleute: Denkmalpfleger und Architekten. 270 Namen aus aller Welt, darunter Richard Meier, Günther Behnisch und David Chipperfield. Es gehe ihnen um den Erhalt des Denkmals, betont Roser, der sich nicht als Radikal-Gegner des Konzepts Stuttgart 21 sieht.
Und doch: Je mehr man sich mit den Planungen auseinandersetzt, desto unsinniger kommen sie einem vor. Ein Teilabriss würde aus dem Bahnhof einen künstlichen Solitär machen. Der neue städtische Platz soll nicht etwa an der repräsentativen Vorder-, sondern an der unscheinbaren Rückseite entstehen. Und die, sagt der Denkmalpfleger Ulrich Krings, hat überhaupt keine architektonische Qualität:
Ulrich Krings: "Die ist ja gestaltet worden, um dort eine große Bahnsteiganlage aufzunehmen und dort Innenfassade zu werden. Und wenn man so etwas durch Freistellung plötzlich zu einer Platzfassade macht, ist das eigentlich auch ein Armutszeugnis."
Damals, 1997, wurden die Architekten Ingenhoven und Frei Otto als Wettbewerbssieger für diese Lösung gefeiert. Auf dem Papier sah alles so schön aus. Die große Geste, mit der man sich scheinbar per Handschlag jedes Problems entledigte, war so einleuchtend: Einfach die Gleise nach unten legen und obendrauf einen schönen Platz gestalten.
Und: Licht auf die unterirdischen Bahnsteige bringen über Einschnitte, schöner gesagt "Augen" auf diesem Platz. Realisiert mit einer Betonschalenkonstruktion, elegant wie ein Blatt Papier. Ein echter Frei Otto eben. Doch Frei Otto ist längst raus aus dem Projekt. Und wer sich heute die Visualisierungen der Architekten anschaut, ist schockiert: Nicht federleichte 50er-Jahre-Architektur erwartet die Stuttgarter.
Auch keine coole James-Bond-Kulisse. Sondern kaltes, seelenloses Ingenieurwesen, das zudem noch alle Maßstäbe sprengt. Den Untergrund dominieren riesige Betontrichter. Und oben werden sich die Passanten von vier Meter hohen Beton-Glas-Höckern umgeben sehen, die ihnen einen Blick über den Platz natürlich versperren. Im Siegerentwurf sah das noch nach lustigen Beulen mit kleinen Löchlein aus. Doch den, sagt Hans-Dieter Lutz, habe der Stuttgarter Städtebau-Auschuss schon damals sehr kritisch gesehen:
"Dieser Platz mit dieser Oberfläche ist urbanistisch nicht nutzbar und stellt eine Abstandsfläche dar zwischen dem Neuen und Bestehenden, und vor dem Bahnhof ist ja auch schon ein Vorplatz wie vor allen Bahnhöfen. Das heißt, der Bahnhof selber, der Torso, hätte keinerlei städtebaulichen Zusammenhang mit der übrigen Stadt, der stünde da drin wie irgendetwas Übriggebliebenes."
Ihre Hoffnung beziehen Matthias Roser und Ulrich Krings mit ihrer "Arbeitsgemeinschaft Hauptbahnhof" jetzt noch aus der ungeklärten Finanzierung des Projekts. Politisch ist es längst abgenickt, nicht aber die Verteilung der Kosten. Kein Mensch weiß, wie hoch das Prestigeprojekt zu Buche schlägt. Von knapp drei Milliarden Euro wird geredet, Verkehrsexperten schätzen die Summe deutlich höher ein.
Dass der Denkmalschutz für ein Projekt solcher Brisanz mal eben ignoriert wird, verwundert weder Ulrich Krings noch Matthias Roser. Keiner setze sich leichter über die Gesetze des Denkmalschutzes hinweg als die öffentliche Hand, so ihre Erfahrung.